Filmnacht polenmarkt bannerKurzfilme sind die Gedichte der bewegten Bilder. In ihnen werden komplexe Themen auf wenige Minuten verdichtet. Die Handlung wird nicht in epische Länge ausgebreitet, vielmehr wird mit einzelnen Momentaufnahmen gearbeitet, die miteinander in Verbindung gebracht werden.

Gerade aufgrund ihrer Kürze lassen sie den Zuschauer nicht selten im entscheidenden Moment allein: Nämlich dann, wenn er kurz davor ist, die vielen Bilder in Einklang zu bringen und aus den vielen Puzzleteilen für sich ein großes Bild zusammen zu bauen. Das Bild sieht bei jedem anders aus. Kurzfilme arbeiten, im Gegensatz zu ihren großen Geschwistern viel mehr mit dem Spiel des doppelten Bodens. Kurzfilme gehören seit Jahren zum Programm des polenmARkTes. Auch in diesem Jahr überraschen die Streifen mit einer Bilddichte, die den Zuschauer noch lange über das Gesehene grübeln lassen.

Am Anfang steht Science Fiction

Die Filme der derzeitigen Kurzfilmnacht bewegen sich am Anfang überwiegend im Science-Fiction-Genre, wenngleich sich der Auftakt des Abends ins Feld der Blinden Liebe des Rotlichtmillieus begibt. Die verarbeiteten Motive scheinen dabei häufig mit jenen der Romantik und der Sinnkrise des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu rekurrieren. So sind die ersten Streifen vom Memento-Mori-Motiv (Bedenke, dass du sterben wirst) durchzogen, das zugleich mit der fast schon verzweifelten Frage: Wohin entwickeln wir uns? – verknüpft wird.

Mitten in der ersten Hälfte bringt „The Great Escape“ eine erfrischende Heiterkeit in die von Melancholie getragenen ersten Filme hinein. Es wird der Entdeckergeist wach, der Entdecker, der sich von allen Schranken befreien will. Meint er, er sei endlich frei, stellt er fest, dass mit der Kinoleinwand die nächste Hürde auf uns wartet. Wir sind alle Teil einer größeren Sache. Das, so scheint es, will der Film vermitteln.

Spielraum zum unentwegten Grübeln: „Fallen Art“

Am Widersprüchlichsten und zugleich künstlerisch wie thematisch Herausragendsten erscheint in der Auswahl Baginskys „Fallen Art“. Er setzt sich besonders intensiv mit in den Tod geschickter Soldaten auseinander und wirkt auf den Zuschauer wie eine Warnung vor Militarismus, Kriegswirtschaft und einer mit einer Kriegswirtschaft einhergehenden Verrohung von Kunst und Kultur. Baginski gelingt es dabei, das Publikum immer wieder zu verwirren. Durch dieses Verwirrspiel, dass vor allem durch die dargestellten Personen, speziell durch dessen Kleidung, hervorgerufen wird, lockt er das Publikum auf immer wieder neue Pfade und lässt den vorherigen Gedanken wieder verwerfen. So entsteht zunächst der Eindruck, als setze sich der Film mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Das macht er auch. Doch erscheint die NS-Zeit hier nur als Folie, nicht als zentrales Thema.

Eine andere Auseinandersetzung mit dem Tod findet sich wiederum in „Ark“. Fast den ganzen Film über hinweg erscheint es, als sähe man eine karikaturistisch-comichafte Verfilmung von Star-Trek, was nicht zuletzt daran liegt, dass die handelnde Person einem gealterten Mr. Spock ähnelt. Am Ende stellt sich jedoch heraus, dass die Welt, wie sie uns zuvor gezeigt wurde, am Ende doch völlig anders, zwar immer noch ein wenig karg, aber wenigstens nicht trist, sondern etwas bunter ist.

Menschlicher Entdeckerdrang und Erfindung des Farbfilms

Dass wir nur ein Staubkorn im Getriebe eines Uhrwerks sind, der immer wieder auf der Suche danach ist, das Uhrwerk selbst zu verstehen, verdeutlicht derweil Barek Kiks „Teaching Infinity“. Der kurze Science-Fiction-Streifen setzt sich mit der Unabgeschlossenheit des menschlichen Entdeckerdranges sowie der Tatsache, dass es uns nicht möglich sein wird, zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, auseinander. Auf der Reise durch das Uhrwerk von Raum, Zeit und Geschichte werden wir immer wieder von einem teuflisch anmutendem Schelm verfolgt, der uns verspottet, aber zugleich einen Fingerzeig zur Erkenntnis zu geben scheint. Kik spielt dabei nicht ohne Zufall mit den zwei Gesichtern der fratzenhaftigen Gestalten antiker Komödien.

Mit der Erfindung des Farbfilms setzt sich hingegen Tomasz Baginskis „The Kinematograph“ auseinander, während sich Damian Nenows „Paths of Hate“ mit der Enthumanisierung des Menschen durch Kriege auseinandersetzt. Auch hier dient, ähnlich wie bei „Fallen Art“ die Zeit des Zweiten Weltkrieges als Gegenstand der Veranschaulichung.

Die Kurzfilmnacht, die am Sonntag, 17. November sowie Montag, 18. November jeweils um 20.15 Uhr veranstaltet wird, ist in diesem Jahr in Kooperation mit den Platige Image-Studios Warschau sowie der Kunstakademie Krakau organisiert worden. Um den Rahmen des Beitrages nicht zu sprengen, wurden an dieser Stelle einige Kurzfilme des ersten Teils der Kurzfilmnacht vorgestellt. Der zweite Teil widmet sich den Themenbereichen des Sehens, Wachsens und Verschwindens und hinterlassen, wie auch beim ersten Teil, ein sehr weites Feld des Interpretationsspielraumes.

Der zweite Teil der Kurzfilmnacht findet am heutigen Montag (18.11.2013) um 20.15 Uhr im Cinestar-Kino Greifswald statt.

Dies ist der 6.000 Beitrag in allen Bereichen (TV, Magazin, Web und Radio) des webMoritz zusammen.

Dies ist der 6.000 Beitrag in allen webMoritz-Bereichen (TV, Magazin, Web und Radio) zusammen. Es ist auch der 247. Artikel von Marco Wagner auf dem webMoritz. Jippieh!!!

Bildnachweis: Artikelbild – Muhacka/ jugendfotos.de (CC-Lizenz), Jubiläumsbanner – Simon Voigt