Vor drei Jahren brach in der Arabischen Welt ein Frühling aus, der sich langsam aber sicher in einen eisigen Winter verwandelte. Seit Längerem blickt die Welt auf die Entwicklungen im Nahen Osten. In Podien wird diskutiert, Experten treten zu Vorträgen auf. Etwa 100 Menschen fanden sich am 29. Oktober im Krupp-Kolleg ein, um der von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Veranstaltung “Bürgerkrieg in Syrien, Chaos in Ägypten – Wohin entwickelt sich der Nahe Osten?” beizuwohnen. Als Referent war Ruprecht Polenz (CDU) geladen. Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema.
Zunächst ging der Referent auf das politisch-gesellschaftliche Umfeld und die Rahmenbedingungen im Nahen Osten sowie auf die geostrategische Bedeutung der Region ein. „Im Nahen Osten lagern 60 Prozent der Öl- und Gasvorkommen der Welt“, hebt Polenz beispielsweise die globale Bedeutung der Region hervor.
Weltproduzent von Öl und Gas
Für Deutschland und Europa ergeben sich daraus vorrangig die Interessen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, nicht nur im Bereich von Öl und Gas, sondern auch im Bereich der erneuerbaren Energien und den Exportbeziehungen in den Nahen Osten. Weiterhin gäbe es im Bereich der Flüchtlingspolitik, sowie im Bereich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, der Sicherheit Israels sowie der „Stabilität durch Modernisierung“ Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Ländern des Nahen Ostens.
„Stabilität durch Modernisierung“ meint vor allem Demokratisierung und den Ausbau der Rechtsstaatlichkeit. „Und wenn Sie sich jetzt diese fünf Punkte ansehen, werden sie feststellen, dass die bisherigen Machthaber vier der fünf Punkte erfüllen konnten. Lediglich ‚Stabilität durch Moderinisierung‘ war nicht gegeben“, erklärt das Mitglied des christlich-muslimischen Friedensforums, weshalb die Bundesrepublik sowie die Europäische Union keinerlei Bedenken hatten, mit den arabischen Diktaturen zusammenzuarbeiten.
Innenpolitisch müssten sich die einzelnen Staaten jedoch mit weiteren Problemen auseinandersetzen, wie etwa der seit Jahren schwelenden Wirtschaftskrise, eines rasanten Bevölkerungswachstums, einer fehlenden Sicherheitsarchitektur, das Fehlen von der Bevölkerungsmehrheit anerkannter staatlicher Institutionen, sowie einer systematischen Ausgrenzung der Frauen aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben. Dies seien Faktoren, die eine Protestbewegung begünstigten.
Regierungsprinzip: „The Winner takes it all.“
Doch neben all dieser genannten Problemlagen machte Polenz noch auf ein grundsätzlich anderes Politikverständnis aufmerksam. In der Arabischen Welt scheint der Begriff „Kompromiss“ keine Rolle zu spielen. Vielmehr wird nach dem Prinzip „The Winner takes it all“ regiert. Misswirtschaft eines Despoten wird in der Regel als Fehler einer Clique angesehen. „Sobald eine andere, oder ‚meine‘ Clique mehr Macht hat, wird alles besser“, erläutert Polenz das politische Prinzip in dieser Region. „Genau aus diesem Grund wird Assad auch nicht bereit sein, Macht abzugeben“, schließlich gehe es allen anderen konkurrierenden Gruppen aus Assads Perspektiven auch nur um die Alleinherrschaft.
Dass die Proteste in Syrien später begannen, als in der restlichen arabischen Welt, liegt aus Polenz‘ Sicht daran, dass Assad populärer war, als beispielsweise Mubarak in Ägypten. Bereits 2005 habe es eine aus intellektuellen Oppositionellen zusammengesetzte Reformbewegung gegeben, die in einer „Damaskus-Erklärung“ die Demokratisierung Syriens forderte. Allerdings konnte sie kaum an Einfluss gewinnen. 2011 begannen dann erneut friedliche Demonstrationen. Auf diese wurde wiederum mit ungeahnter Härte reagiert. Zunächst blieben die Proteste friedlich. Als die Gewalt von Regierungsseite nicht abnahm, begannen Rebellen sich zu bewaffnen. Inzwischen wird die Oppositionsbewegung von Dschihadisten unterwandert.
Handlungsspielraum bei der Aufnahme von Flüchtlingen
Die Folge des Bürgerkrieges ist ein riesiger Flüchtlingsstrom, vorwiegend in den Libanon. „Würde man die Flüchtlinge zur Bevölkerungszahl des Libanon ins Verhältnis setzen, wäre das so, als wenn Deutschland 20 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hätte“, illustrierte Polenz die Situation. Deutschland nimmt zur Zeit 5.000 Menschen auf. „Zur Zeit des Jugoslawien-Krieges haben wir 300.000 Flüchtlinge aufgenommen. Ich möchte jetzt nicht dafür plädieren, 300.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Allerdings sehe ich noch einen großen Spielraum zwischen 5.000 und 300.000 Flüchtlingen.“ Zudem warb Polenz in Anbetracht der derzeitigen Situation in Syrien um Verständnis, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.
Israel versus Palästina: „Happy End steht fest“ – Film dazu fehlt
Gegen Ende des Vortrages streifte Polenz noch die Situation des Israel-Palästina-Konfliktes, schließlich nahm er den gesamten Nahen Osten in den Blick. Hierbei kommentierte Polenz die aktuelle Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und den Vertretern Palästinas. Frieden mit Israel sei demnach nur durch Landaustausch und das Rückkehrrecht für Flüchtlinge möglich. Israel könne nach Polenz Palästina alles geben, was es will, Palästina umgekehrt jedoch nicht, was Israel will. „Das Happy End steht fest. Jetzt fehlt nur noch der Film.“ In Syrien und Ägypten scheint aus Sicht des Autors im Moment weder das Happy End, noch der Film zu stehen.
Aufgrund des Detailreichtums an Informationen konnte nicht die gesamte Veranstaltung wiedergegeben werden. Der Autor hat entschieden, den Inhalt der Veranstaltung lediglich anzureißen und die aus seiner Sicht interessantesten Aussagen in den Bericht einfließen zu lassen.
Fotos: Bo yaser/ wikimedia-commons (Artikelbild), Pressefoto Deutscher Bundestag/ wikimedia-commons (Ruprecht Polenz)
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