Der Lotto-Jackpot steht momentan so hoch wie noch nie: 43 Millionen Euro warten auf sechs Richtige plus Superzahl. Da kommt es schon mal vor, dass auch absolute Glücksspiel-Muffel zum Tippschein greifen.
Ein Bericht aus erster Hand.

Ich habe noch nie ernsthaft Lotto gespielt. Na klar, einmal bin auch ich auf eines dieser Telefon-Verkaufsgespräche reingefallen, bei denen man angeblich drei Monate gratis tippen kann (und dann nur mit erheblichem juristischen Aufwand wieder aus dem Vertrag kommt). Aber um einfach in eine Annahmestelle zu gehen und einen Schein auszufüllen, dazu bin ich bisher einfach viel zu rational an die Sache herangegangen. Eine allgemeine Gewinnchance von weniger als zwei Prozent und die schon wahnwitzig geringe Chance auf den Jackpot von exakt 0,00000071511 Prozent lassen das statistikverliebte Herz nicht gerade höher schlagen. Mein Kopf sagt also nach wie vor: Finger weg. Nur wie viel hat die eigene Vernunft bei der Aussicht auf 43 Millionen Euro noch zu melden?

Die Lotto-Euphorie der letzten zwei Wochen hat ohne Zweifel auch in Greifswald ihre Spuren hinterlassen. In den Kiosken und Kleinmärkten mit Annahmestelle bilden sich regelmäßig am Mittwoch- und Samstagnachmittag lange Schlangen, wenn auch die Letzten noch ihren Tipp abgeben wollen. Ich stehe heute mittendrin und lausche dem Gespräch der beiden älteren Damen hinter mir. Sie unterhalten sich angeregt darüber, was man alles mit 43 Millionen Euro anstellen kann. Neues Haus, neues Auto, eine Kreuzfahrt – die üblichen Dinge eben. Ich wäre da genügsamer: Ein neues Fahrrad würde mir reichen. Nunja, ein Auto wäre tatsächlich nicht verkehrt. Und schon bin auch ich in Gedanken dabei, meinen Jackpot auszugeben. Das Lotto-Fieber ist sehr ansteckend.

Vor ein Problem werde ich gestellt, als ich mit dem Stift in der Hand vor meinem noch leeren Schein stehe. Was ankreuzen? Ich bin immer noch nicht infiziert genug um tatsächlich mit Geburtstagen oder Glückszahlen zu spielen. Also wechsle ich den Standard-schein gegen einen bereits ausgefüllten Vordruck. Geringe Chance bleibt geringe Chance, egal welche Zahlen ich nehme. Auf dem Weg nach draußen fällt mein Blick auf ein Plakat: „1,9 Millionen Euro nach Parchim!“. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es sie, die Lottomillionäre. Zwar gab es in den letzten Wochen keine größeren Gewinne im Raum Greifswald – aber was nicht ist, kann ja noch werden. Vorsichtig verstaue ich meinen Schein in der Jackentasche.

Nun bin ich tatsächlich körperlich angespannt. Sicherheitshalber werfe ich noch einmal einen Blick auf den Garant meines zukünftigen Reichtums. Und erst jetzt bemerke ich, dass auf dem vorausgefüllten Tippschein mein Sternzeichen prangt: Fische. Ein Zeichen? Ich scheine langsam aber sicher doch dem Aberglauben zu verfallen. Jetzt kann ich wirklich nachvollziehen, warum sich in den letzten Tagen im Büro, im Café, in der Mensa und selbst bei unseren polnischen Kollegen die Gespräche um nichts anderes mehr drehen. Bei 43 Millionen Euro im Jackpot muss man den Nervenkitzel einfach fühlen.

Natürlich werde ich heute Abend mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einmal meinen Spieleinsatz zurückgewinnen. Aber auch das wird mich wohl nicht davon abhalten, am Samstag und am kommenden Mittwoch wieder einen Schein auszufüllen. Denn bis zur Ziehung am 12. Dezember kann der Jackpot noch größer werden. Wenn er auch dann nicht geknackt werden kann, reichen schon sechs Richtige für den Hauptgewinn. Da möchte ich natürlich auch wieder dabei sein und von den Millionen träumen – auch wenn es wahrscheinlicher ist, dass ich bis dahin vom Blitz erschlagen werde.Geschrieben von Robin Drefs