Nach 15 Jahren schildert Christoph Hein mit „Frau Paula Trousseau“ zum zweiten Mal einen spannungsreichen Lebensweg aus der Sicht einer Frau. Am 9. November las der renommierte Schriftsteller, Übersetzer und Essayist im ausverkauften Lutherhof. Die Verabredung mit seiner Hauptfigur überraschte in der Diskussion.

Gemessenen Schritts betrat Christoph Hein das Podest, setzte sich unter stürmischen Applaus und wünschte mit einem erwartungsvollen Blick den im Lutherhof Versammelten zügig einen Guten Abend. „Ich bin gern in Greifswald“, sagte der 1944 Geborene. „Das Koeppenhaus ist wunderbar. Auch wie es der Stadt, dem Land und der Republik abgerungen wurde.“ Ein persönlicher Brief  der Veranstalter bewog ihn bereits vor längerer Zeit zur Lesung in der Universitäts- und Hansestadt.

Letztlich blieb es eine Frage des Termins. Und kurz davor eine des Ortes. Denn im Lutherhof finden selten Lesungen statt. Doch dank der starken Nachfrage sahen sich die Veranstalter vom Literaturzentrum Vorpommern im Vorab gezwungen, vom ursprünglichen Koeppenhaus in der Bahnhofsstraße in den geräumigen Saal in der Martin-Luther-Straße auszuweichen. Zu recht. Denn der bis auf dem letzten Platz gefüllte Raum sprach für sich. Dabei hielt der vergangene Freitagabend ein kulturell breit gefächertes und hochkarätiges
Abendprogramm andernorts in der Innenstadt bereit.

Mit einer leicht drängender Flüssigkeit las der in Berlin lebende Schriftsteller aus „Frau Paula Trousseau“. Wie bereits in seiner frühen Novelle „Der fremde Freund“ (1982) schildert Hein seinen jüngsten Roman aus Sicht einer Frau und zeichnet darin den künstlerisch zielstrebigen Lebensweg einer mit dem Leben ringenden Malerin. „Bei der Arbeit erzeugt das eine unheimliche Spannung“, gestand Hein. Dennoch sagte er über seine Hauptperson offen: „Paula kenne ich nur eingeschränkt.“ Während der dreijährigen Arbeit am Buch achtete er gewissenhaft auf die Wahrung ihrer fiktiven Eigenständigkeit. Wenn auch zum Teil gegen seinen Willen. „Das gehörte zu unserer Verabredung. Ich habe sie nicht verraten“, gab Christoph Hein zu Bedenken. „An keiner Stelle.“

Doch die anfänglich zurückhaltende Fragerunde nach der Pause zeigte deutlich, viele der Zuhörer verschiedenster Generationen kamen allein um der Aura des Autors Willen. Die fast ehrfürchtige Scheu brach vollends mit der abschließenden Signierstunde. Eine Frau aus dem Publikum erkundigte sich nach der ungewöhnlichen Selbstmordnachricht Paula Trousseaus zu Beginn des Buches. „Das sind so handwerkliche Geschichten, die mir gefallen“, meinte Christoph Hein gelassen. „Dieser Spannungsbogen muss sich dann trotzdem in der Gänze tragen.“ Eine Pause oder gar Urlaub brauche er nach der Fertigstellung eines Werkes nicht. Der Grund dafür ist einfach: „Wenn die Pause zu groß ist, wird sie unendlich“, bemerkte der Schriftsteller freimütig. Nicht allein dies: „Schreiben macht mir Spaß.“              Geschrieben von Uwe Roßner