?Das Herz von Chopin? von Artur Becker
Das Vermächtnis Frederic Chopins ist groß. Doch nicht allein als Klaviervirtuose und romantischer Komponist. Bis heute hat seine Musik Wirkung, die auch auf andere Künste ausstrahlt.
Gegen Ende des vergangenen Jahres bewies dies der junge polnische Schriftsteller Wojech Kuczok mit seinen Erzählungsband „Im Kreis der Gespenster“.
Chopin als literarischen Anspruch allein sucht Artur Becker in seinem achten Roman „Das Herz von Chopin“ freilich nicht. Gewiss, die Stringenz des sorgfältig gearbeiteten Textes lässt sich nicht vom Tisch schieben. Becker nimmt Chopin als Integrationsfigur für seinen achten Roman, als einen symbolträchtigen Spitznamen für seine Hauptfigur.
1983 flüchtet Chopin aus Polen mit dem Zug durch die ehemalige DDR nach Bremen. Hier holt er das Abitur nach, studiert und wird nach einigen Semestern zusammen mit zwei Partnern erfolgreicher Autohändler. Natürlich aus Bankverwertung. Zum Leben fehlt nur noch die große Liebe: Maria Magdalena.
Innerhalb des Corpus von 287 Seiten entfalten sich fast beiläufig zeithistorische Einblicke in den prägnanten Zeichnungen der Figuren. Chopins Ausreise fällt in eine in Polen politisch angespannte Zeit, mit dem Fall der Mauer blüht der wilde Automarkt gen Osteuropa und anhand der Beziehung der Bekannten Karola aus Rostock hat Chopin das Zusammenwachsen der Bundesrepublik direkt vor Augen.
Die Kritik an Becker, „Das Herz von Chopin“ lebe allein in zwei Welten, Polen und der Bundesrepublik, kann nicht zugestimmt werden. Die Verquickung der Figur des im Herzen schwermütigen Autohändlers mit Beckers selbstgestellten hohen literarischen Anspruch ist ein Genuss. Christoph Hein befragt zwar mit seinem 2001 erschienen „Willenbrock“ auch das Metier des Autohändlers doch gehen beide Schriftsteller den Symptomen der Zeit ihrer Figuren aus ganz eigenen Blickwinkeln heraus. In jedem Falle ist der Gang der Welt am Verkauf von Automobilen ablesbar. Artur Becker formuliert „Das Herz von Chopin“ griffig, präzise und immer den Leser mitfühlend im Blick.
Geschrieben von Uwe Roßner