Gauckbesuch-Artikelbild3-David VössingIn einem offenen Brief bittet die Studierendenschaft der Universität Greifswald den Bundespräsidenten Joachim Gauck sich auf Bundesebene für eine Abschaffung des Kooperationsverbotes einzusetzen. Das Schreiben wurde ihm am Dienstag bei seinem Besuch in der Hansestadt persönlich überreicht. 

Zum Abschluss des Antrittsbesuchs in Mecklenburg-Vorpommern von Bundespräsident Joachim Gauck fand am Abend des 28. Mai im Pommerschen Landesmuseum ein Empfang statt, bei dem auch ehrenamtlich engagierte Bürger aus der Region geladen waren. Mit dabei auch der StuPa-Präsident Milos Rodatos und die AStA-Vorsitzende Johanna Ehlers. Stellvertretend für die Studierendenschaft der Universität Greifswald überreichten sie dem Staatsoberhaupt einen offenen Brief.

In diesem heben sie die besondere Bedeutung der Ernst-Moritz-Arndt Universität als „Standbein“ einer „strukturschwachen Region wie Vorpommern“ hervor und erklären, warum dieses durch sich anbahnende finanzielle Schwierigkeiten gefährdet sei. Sie sprechen von „verheerenden Folgen“ für „Mitarbeiter, Studierende und vor allem für die gesamte Region“, die aus zwangsmäßigen Einsparungen resultieren würden. Sie rufen den Bundespräsidenten dazu auf, sich auf Bundesebene für eine Abschaffung des Kooperationsverbotes einzusetzen, damit sich auch der Bund an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligen kann. Durch das im Grundgesetz verankerte Verbot ist dies dem Bund (momentan) verwehrt. Abschließend appellieren sie an das Heimatgefühl des gebürtigen Rostockers, der inzwischen Staatsoberhaupt aller Deutschen ist.

Rektorin Weber bewertet die Lage kritischer

Auf der letzten Sitzung des akademischen Senats vom 15. Mai signalisierte auch die Uni-Rektorin Hannelore Weber, dass sie die Forderung aus der Studierendenschaft unterstützt und ebenfalls für eine Abschaffung des Kooperationsverbotes ist. In einem moritzTV-Interview vom März beschrieb sie die derzeitige finanzielle Situation als weit weniger drastisch, wie es die Studierendenvertreter in dem Brief tun. Weber schloss damals durch den aktuellen Mehrbedarf verursachte Institutsschließungen grundsätzlich aus. Zwei Monate später bewertete sie die Lage bereits anders. „Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen“ sagte sie im Mai gegenüber dem moritz-Magazin.

Dies ist der offene Brief in voller Länge:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Joachim Gauck,

Die Ernst- Moritz- Arndt Universität ist Motor der Region.

Durch das Wirken und das Engagement ihrer Mitglieder trägt sie entscheidend zur Weiterwicklung der Region bei. Gerade das Leben der Bürger und Bürgerinnen der Universitäts- und Hansestadt wird maßgeblich durch die Universität geprägt. Sie schafft Arbeitsplätze, bereichert das kulturelle Programm und bietet mit innovativen Forschungsideen Zukunftsperspektiven für das Land Mecklenburg- Vorpommern und die Bundesrepublik Deutschland.

Das Standbein der Region befindet sich jedoch in akuter finanzieller Not. Nach aktueller Planung fehlen für das Jahr 2014 mindestens 6,2 Millionen Euro und für das Folgejahr 2015 7,8 Millionen Euro im Haushalt der Universität. Dabei handelt es sich um Gelder, die in den Bereichen Personal, Bewirtschaftung und Investitionen fehlen und durch die jährliche Erhöhung der Landesmittel für die Hochschulen nicht ausgeglichen werden können. Der Mehrbedarf beläuft sich auf 10% des Gesamtbudgets der Universität. Landesweit fehlen an den Hochschulen Wismar, Stralsund und Neubrandenburg, sowie der Universität Rostock in den nächsten zwei Jahren jeweils mindestens 32 Millionen Euro.

Durch die massive Unterfinanzierung unserer Universität drohen verheerende Folgen für Mitarbeiter, für Studierende und vor allem für die gesamte Region. Falls das Land die Universität nicht zeitnah bei der Bewältigung der aktuellen Finanznot unterstützt, ist sie gezwungen drastische Einsparungen vorzunehmen. Dies wird zu einer Schwächung der Lehre und Forschung in Greifswald führen und die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Greifswald gefährden.

Wir als Studierendenschaft der Ernst- Moritz- Arndt Universität Greifswald befürchten ein Sterben auf Raten. Durch die drohende Haushaltslage steht die Zukunft vieler Institute auf dem Spiel. Der Sparzwang wird ganze Fakultäten und damit den Status der Volluniversität Greifswald gefährden.

Wir hoffen, dass sich das Land für seine Hochschulen entscheidet. Das Land braucht zwei Volluniversitäten, da Bildung eine Investition in die Zukunft ist und die Hochschulen junge Menschen anziehen. Die Universität ist gerade in einer strukturschwachen Region wie Vorpommern von enormer Bedeutung.

Die Hochschulen in Mecklenburg- Vorpommern sind nicht alleine mit der drohenden Unterfinanzierung. Bundesweit und vor allem in Ostdeutschland kämpfen Hochschulen mit einer unzureichenden Grundfinanzierung. Wir als Studierendenschaft fordern deshalb, dass Bildung als Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern begriffen wird und über eine Abschaffung des Kooperationsverbotes der Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen umgesetzt wird.

Gerade Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Gauck, können der Bundesregierung und dem Bundestag deutlich machen, dass eine Abschaffung des Kooperationsverbotes grundlegend für die Weiterentwicklung der Bildungsrepublik Deutschland ist. Das Kooperationsverbot verschlimmert die Lage der Hochschulen und muss deswegen endlich zurückgenommen werden. Denn nur so kann es langfristig eine Lösung geben, die die Hochschulen aus ihrer strukturellen Unterfinanzierung befreit. Wir bitten Sie eindringlich, unsere Forderungen für eine breitere finanzielle Unterstützung der Hochschulen, auch durch den Bund, Gehör zu verschaffen und sich für unser Anliegen auf Bundesebene einzusetzen.

Die Zukunft des Bundeslandes Mecklenburg- Vorpommern ist eng mit seinen Hochschulen verbunden. Wir bitten sie daher die Chancen ihrer Heimat nicht an fehlenden finanziellen Mittel scheitern zu lassen und sich gemeinsam mit uns für einen starken Wissenschaftsstandort Mecklenburg- Vorpommern einzusetzen.

Johanna Ehlers, Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Greifswald

Erik von Malottki, Sprecher der Landeskonferenz der Studierendenschaften M-V

Milos Rodatos, Präsident des Studierendenparlamentes der Universität Greifswald

Foto: David Vössing