Damit es auf dem Wohnungsmarkt mit rechten Dingen zugeht, gibt es viele Vereinigungen, die den Mietern zur Seite stehen. In Greifswald übernimmt diese Aufgabe der Deutsche Mieterbund. moritz sprach mit Dirk Barfknecht, Jurist und Geschäftsführer des Mieterbundes vor Ort, über die Wohnsituation in der Stadt.

moritz: Herr Barfknecht, ein paar Worte zum Mieterbund.
Barfknecht: Der Deutsche Mieterbund ist formalrechtlich gesehen ein Interessenverband und hat schon eine längere Tradition in der Bundesrepublik. In Ostdeutschland gibt es ihn freilich erst seit 1990. Unsere wichtigste Aufgabe ist sicherlich die Rechtsberatung in Fragen des Mietrechts.

moritz: Andere Funktionen gibt es auch?
Barfknecht: Richtig, allerdings sind diese eher mittelbar und die Mieter sehen davon wenig. Zum Beispiel versuchen wir im Interesse der Mieter Einfluss auf die Wohnpolitik des Landes zu nehmen. Dasselbe versuchen wir auch bei den Vermietern. Außerdem erstellen wir regelmäßig einen Mietspiegel für Greifswald, zuletzt im Jahr 2003.

moritz: Wie sieht die Arbeit des Mieterbundes aus?
Barfknecht: Es gibt nur einen hauptamtlichen Angestellten, das heißt vieles von dem, was an Hilfe geschieht, ist ehrenamtliche Arbeit der anderen Mitglieder. Einige von Ihnen sind übrigens Studenten. Unser Einzugsgebiet ist sehr groß. Neben Greifswald kommen die Landkreise Demmin und Ostvorpommern dazu. Das bedeutet natürlich viel Arbeit.

moritz: Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen?
Barfknecht: Oft sind es einfache Dinge, wie Lärmbelästigungen durch andere Mieter. Aber auch Probleme mit den Vermietern kommen vor. Mal stimmt ein Wohnungsübergabeprotokoll nicht, mal werden vom Vermieter die  Nebenkosten nicht korrekt abgerechnet. Wegen diesen kommen die Leute übrigens immer häufiger zu uns. Der Grund dafür ist die Kostenexplosion bei Strom und Gas, was bereits jetzt besorgniserregende Folgen hat. Manch einer ist am Rande der Zahlungsfähigkeit. Gegen die Preissteigerung kommt man nur politisch an, eben auf dem Wege der Einflussnahme auf die Wohnpolitik. Das ist aber sehr schwierig.

moritz: Wächst der Andrang angesichts der Probleme?
Barfknecht: Das nicht. Aber er wird auch nicht geringer. Außerdem werden die Fälle aus den genannten Gründen immer anspruchsvoller.

moritz: Gibt es Schwierigkeiten mit den Wohnungsgesellschaften wie der WVG?
Barfknecht: Ja, wenn auch keine speziell die WVG betreffenden Probleme. Was wir als Mieterbund jedoch anprangern, ist die so genannte Eigenkapitalverzinsung bei der WVG.

moritz: Was heißt das genau?

Barfknecht: Die WVG gehört der Stadt Greifswald und muss an diese einen Teil ihrer Einnahmen abtreten. Allerdings stehen hierfür auch die Mieter gerade, da sie die Kosten in Form hoher Mieten mittragen. Das ist quasi eine Sondersteuer.

moritz: Wie schätzen Sie den Greifswalder Wohnungsmarkt im Vergleich zu anderen ein?
Barfknecht: Wirft man einen Blick in die Statistiken, stellt man fest, dass die Stadt eine Sonderstellung einnimmt. Greifswald gehört zu den teuersten Städten und zwar nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch im bundesweiten Vergleich.

moritz: Wie kommt das?
Barfknecht: Nach der Wende kam es relativ schnell zu Sanierungsmaßnahmen in der Stadt. Ein Beispiel ist die Franz-Mehring-Straße, deren Häuser schon seit Mitte der 90er Jahre überwiegend keine Kohlebeheizung mehr haben. Der technische Zustand des Greifswalder Wohnraums kann sich auch insgesamt sehen lassen. Allerdings macht sich dies natürlich auch bei den Mieten bemerkbar. Verschärfend kommt hinzu, dass der Leerstand von Wohnungen im Vergleich gering und der Bedarf entsprechend hoch ist.

moritz: Weil immer mehr Studenten nach Greifswald kommen.
Barfknecht: Genau. Aber nicht allein deshalb. Nach der Wende befürchtete man wie in anderen Städten der ehemaligen DDR einen Bevölkerungsrückgang in der Stadt und baute langsam zurück, zum Beispiel im Ostseeviertel. Aber bald trat eine gegenläufige Entwicklung ein, mit der niemand gerechnet hatte. Die Einwohnerzahl fiel nicht so stark, wie zunächst angenommen. In anderen ostdeutschen Städten lief dies teilweise völlig anders. Wie gesagt, Greifswald nimmt eine Sonderstellung ein.
 
moritz: Was denken Sie über den Rückbau von Plattenbauten in Schönwalde?
Barfknecht: Ganz im Gegensatz zu den Maßnahmen im Ostseeviertel, die durchaus sinnvoll waren, sehe ich die Aktivitäten in Schönwalde kritisch. Im Ostseeviertel hatte man in den 90er Jahren neben der Reduzierung der Wohnungszahl schließlich auch eine Aufwertung der Umgebung im Sinn. Doch in Schönwalde sieht es anders aus. Da wird ohne Konzept die Abrissbirne eingesetzt. Ich finde das schlichtweg nicht nachvollziehbar.

moritz: Gibt es einen Trend für die Zukunft?
Barfknecht: Das ist schwer zu sagen. Es gibt viele Faktoren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann beispielsweise niemand verlässliche Aussagen über die Auswirkungen des EU-Beitritts von Polen auf den Wohnungsmarkt machen.  Meine Meinung ist, dass die Situation sich vermutlich weiter zuspitzen wird.

moritz: Herr Barfknecht, vielen Dank für das Gespräch.

Geschrieben von Robert Heinze