Der scheidende Landtagsabgeordnete Dr. Gerhard Bartels über das Ende der Hochschulautonomie, faule Zielvereinbarungen und die Föderalismusreform
moritz: Bei der Debatte um die Änderung des Landeshochschulgesetzes (LHG) wurde von der Regierung vorgebracht, dass das Gesetz die Anforderungen des Landes nicht mehr erfülle. Sehen Sie dies – als einer der „Macher“ dieses LHG – genauso?
Dr. Gerhard Bartels: Nein, überhaupt nicht! Die Regierung hat die Aufgaben, die ihr vom Gesetz gestellt wurden, nicht erfüllt. Sie hat nie versucht, auf Grundlage der Hochschulentwicklungspläne die Eckwerte der Hochschulentwicklung zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen. Das ist das einzige Problem. Stattdessen hat sie inzwischen die Geschäftsgrundlage geändert. Diese Änderung, nämlich die Streichung von über 600 Stellen, hat die Hochschulentwicklungspläne zu wertlosen Papier gemacht. Damit ist alles das, was im Gesetz vorgesehen war, nicht mehr machbar.
Unterstützen Sie die Pläne einiger Parteien, diese Änderung wieder zurückzunehmen?
Ich würde es mir wünschen. Ob es dann wirklich auch geschieht, wird man sehen. Ich glaube nicht so recht daran. Wenn man aber wirklich Hochschulautonomie machen will, muss man diese Änderung und das Personalkonzept 2004 zurücknehmen.
Das Land hat seine neuen Kompetenzen gegenüber der Universität Rostock durch Erlass einer Zielvorgabe bereits genutzt. In diesem Zusammenhang wurde mehrfach von Rostocker Universitätsmitgliedern geäußert, dass dieses Vorgehen zur Abwahl der Landesregierung führen werde. Teilen Sie diese Auffassung?
Das weiß ich nicht. Man muss natürlich sehen, dass Rostock bislang immer eine Hochburg der SPD gewesen ist. Von daher ist diese Einschätzung nicht ohne eine gewisse Basis.
Die Studenten hatten gehofft, dass die Fraktion der Linkspartei.PDS die Kürzungen an den Hochschulen nicht mitträgt. Am Ende hat sie es doch getan.
Das hat mich sehr enttäuscht. Aus vielen Äußerungen konnte ich entnehmen, dass große Teile der Fraktion der Linkspartei.PDS diese Politik für richtig halten. Das ist umso bedauerlicher, als dass in den vier Jahren Kampf um das LHG die Fraktion der Linkspartei.PDS geschlossen hinter dem Gesetz gestanden hat. Damals haben mich einige Protagonisten bedingungslos unterstützt, die jetzt das Gegenteil behaupten. Das ist mehr als seltsam und sehr bedauerlich.
Glauben Sie, dass das Land die Zielvereinbarungen einhalten wird oder sind neue Kürzungsrunden zu erwarten?
Die Zielvereinbarungen haben keine vernünftige Basis in jeweiligen Hochschulentwicklungsplänen. Sie haben keine Basis in einem landesweiten hochschulpolitischen Konzept der Regierung. Insofern ist die Gefahr, dass es in der nächsten Legislatur wieder zu neuen Diskussionen kommt, real. Dazu kommt, dass in den Zielvereinbarungen de facto wieder der Haushaltsvorbehalt steht. Wir haben damals, als wir das Gesetz gemacht haben, heftig darum gekämpft, den Haushaltsvorbehalt aus dem Entwurf der Landesregierung zu streichen. Das haben wir auch geschafft. Durch den neuen Paragraph 15 Absatz 6, der in allen Zielvereinbarungen enthalten ist, hat die Landesregierung den Haushaltsvorbehalt doch wieder hinein geschrieben. Dadurch hat sich die Landesregierung eine Hintertür für neue Kürzungsdiskussion offen gelassen.
Wird die Studiengebührenfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern in der nächsten Legislatur erhalten bleiben?
Klar ist, dass die CDU für Studiengebühren eintritt. Alles andere wird man abwarten müssen. Ich befürchte schon, dass die Diskussion nach dem Motto „Wir können ja nicht als einzige keine Studiengebühren erheben“ laufen wird. Von daher glaube ich, dass nach der Wahl, egal in welcher Konstellation, über die Einführung von Studiengebühren in Mecklenburg-Vorpommern gesprochen wird. Die Finanzsituation der Hochschulen wird das nicht verbessern. Die Einnahmen werden den Hochschulen früher oder später von den staatlichen Zuschüssen abgezogen werden. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum ich gegen Studiengebühren bin.
Nach den Plänen der Föderalismusreform soll in Zukunft der Hochschulbau nicht mehr gemeinsam von Bund und Ländern, sondern nur noch von den Ländern finanziert werden. Welche Auswirkungen wird dies auf den Hochschulbau in Mecklenburg-Vorpommern haben?
Man muss nur einen Blick in die mittelfristige Finanzplanung werfen. Dort sind ab 2007 keine neuen Bauprojekte vorgesehen. Auch in den Zielvereinbarungen sind nur Bauvorhaben festgeschrieben, die bereits von Bund und Land begonnen wurden. In allen Zielvereinbarungen gibt es einen Absatz über von den Hochschulen für wichtig gehaltene Bauprojekte, wo allerlei Bauprojekte, zum Beispiel ein Hörsaalgebäude für Greifswald, aufgelistet sind. Dazu gibt es keine Meinungsäußerung der Regierung. Das spricht dafür, dass viele Baumaßnahmen, über die man in der Vergangenheit gesprochen hat, entweder gar nicht oder nur verspätet kommen. Das betrifft vor allem die beiden Universitäten.
Im Rahmen der Föderalismusreform soll der Bund seine Hochschulkompetenzen fast vollständig auf die Länder übertragen. Ist das sinnvoll?
Man muss sehen, wie das am Ende ausgestaltet wird. Solange es die Kultusministerkonferenz mit ihren Beschlussmöglichkeiten und Vorgaben gibt, ist die Reform doch ein bisschen fragwürdig. Ich bin schon dafür, dass in den Ländern und möglichst an den Hochschulen sehr viel allein entschieden wird. Das setzt natürlich voraus, dass die jeweiligen Abschlüsse anerkannt werden. Das muss auch zukünftig gesichert sein. Dann halte ich dezentrale Zuständigkeiten für durchaus wünschenswert. Wenn außerdem noch der Wissenschaftsrat nicht mehr so eine gewichtige Rolle spielen würde, hätte ich nichts dagegen. Dass sich der Bund gleichzeitig auch aus der Finanzierung zurückzieht, halte ich jedoch nicht für richtig.
Im Moment werden die so genannten „Eliteuniversitäten“ ermittelt, die besonders gefördert werden sollen. Ist das ein richtiges Mittel zur Forschungsförderung – beispielsweise auch in M-V?
Ich glaube nicht, dass man „Eliteuniversitäten“ verordnen kann. Dass wer auch immer den Beschluss fasst, dass zehn Universitäten die „Eliteuniversitäten“ Deutschlands sind, halte ich für absurd. Hochschulen müssen sich aus sich selbst heraus entwickeln und dafür entsprechend ausgestattet werden. Es wird immer so sein, dass an jeder Hochschule einzelne gute Leute sitzen, die Studenten anlocken und für einen bestimmten Fachbereich Spitzenleistungen erbringen. Das haben wir hier in Greifswald ebenfalls, als Beispiel sei nur die Arbeit von Professor Hecker genannt. Das so etwas nur an Eliteuniversitäten möglich sein soll, halte ich für ein Märchen.
Welches Universitätsbild verbirgt sich hinter der aktuellen Wirtschaftspolitik? Sollen die Universitäten zu Wirtschaftsbetrieben umgestaltet werden?
Die Gefahr besteht. Es gibt leider viele Leute, die Hochschulen mit Wirtschaftsbetrieben vergleichen, was völlig inakzeptabel ist. Durch die Schwerpunktsetzung auf die Berufsausbildung, die leider auch im Gesetz zu finden ist, und die Umstellung auf Bachelor- und Master-Ausbildung geht eine eindeutige Verschulung einher. Und zwar eine Verschulung, die in manchen Punkten ausgeprägter ist als zu DDR-Zeiten. Das kann nicht gut sein. Studierende müssen lernen, sich selbst zu Recht zu finden.
Was ist das Resümee ihrer Landtagsarbeit?
Die erste Quintessenz ist, dass in Sonntagsreden alle die große Bedeutung der Hochschulen für das Land betonen. In der praktischen Umsetzung werden daraus aber keine Konsequenzen gezogen. Dazu kommt, dass es im Landtag keine starke Lobby für die Hochschulen gibt. Zweites Fazit ist, dass ich immer wieder darauf hingewirkt habe, dass die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern enger zusammenarbeiten. Ich muss heute konstatieren, dass das keine Wirkung hatte. Nach wie vor lassen sich die Hochschulen aufeinander hetzen. Das wird zum Teil bewusst gemäß dem Landesprinzip „Teile und Herrsche“ organisiert. Auch bedaure ich, dass die Möglichkeiten zu mehr Demokratie in den Hochschulen, die wir im Gesetz geschaffen haben, bislang kaum genutzt wurden. Zudem ist der Anteil der Studierenden, die sich um die Belange ihrer Hochschule kümmern, leider viel zu gering.
Geschrieben von Simon Sieweke, hochschulpolitischer Referent des AStA, Ulrich Kötter