Finden sich in der Plattensammlung des geneigten Lesers Punk-, Glam-, Alternative-, Grunge- oder schlicht Rock`n`Roll-Alben? Hier die Scheibe, die dafür verantwortlich ist. Wegen des wüsten Inhalts durfte die Platte von US-Radiostationen nicht gespielt werden – was auch ein Grund dafür war, dass das Album kommerziell ein grandioser Misserfolg wurde. Der Einfluss des Albums auf alles, was danach kam, war aber gigantisch. Oder, wie es Brian Eno ausdrückte: ?Gut, als die Platte herauskam, haben sie vielleicht nur einige hundert Leute gekauft. Aber jeder von denen ist danach losgezogen und hat seine eigene Band gegründet.?
Lou Reed, Maureen Tucker, Sterling Morrison und der aus Wales stammende John Cale alias The Velvet Underground wurden von Kunst-Guru Andy Warhol entdeckt. Nicht überzeugt von den Frontmann-Fähigkeiten des Kaputtnicks Lou Reed installierte Warhol die blonde ice queen Nico als Zweitsängerin. Warhol designte auch das Cover des Debüt-Albums ?The Velvet Underground And Nico? und ist ausserdem als Produzent aufgeführt, auch wenn sich seine Tätigkeit auf das Unterschreiben von Schecks beschränkte. ?The Velvet Underground And Nico? erschien auf dem Höhepunkt des ?Summer of Love? im März 1967 und war die Antithese zur Love-and-Peace-Rhetorik jener Zeit. Die scheinbar dilletantisch eingespielte, schrille Musik und Reeds Texte über SM-Sex (?Venus In Furs?) und Drogen (?Heroin?) waren ebenso neu wie verwegen. Lange sollte die Herrlichkeit jedoch nicht währen. Der, gelinde gesagt, schwierige Charakter Reed duldete keine anderen Götter neben sich und feuerte erst Cale, dann Warhol, bevor er 1970 selbst die Band verließ. Er startete eine Solo-Karriere, bei der trotz langer Durststrecken noch mindestens zwei weitere klassische Rock-Alben abfielen (?Transformer?, 1972; ?Berlin?, 1973) und ist bis heute auf der Suche nach dem perfekten Gitarren-Akkord.
Geschrieben von Norman Gorek