Gedanken zu einem Jubiläum

Schon vor der offiziellen Eröffnung zum 200. Todestag am 9. Mai, gelang Anfang März mit einer 24-stündigen Schiller-Lesung in Berlin ein beeindruckender Auftakt. Deutschlandweit sind unzählige Projekte geplant.

Zwei große Ausstellungen entstehen in Weimar (?Die Wahrheit hält Gericht – Schillers Helden heute?, 9.5.-10.10.) und Marbach (?Götterpläne und Mäusegeschäfte: Schiller 1759 – 1805?, ab 23.4. im Schiller-Nationalmuseum).
Auch Bühnen wagen sich wieder an Schillers Werke. Das Stuttgarter Staatstheater plant eine mobile Inszenierung an Orten von Schillers Jugend. Am Mannheimer Nationaltheater inszeniert Thomas Langhoff den Wilhelm Tell. Die Räuber laufen in Köln, Münster, Dessau, Neustrelitz und Heilbronn. Kabale und Liebe in Heidelberg und Weimar. Don Karlos in Leipzig, Meiningen, Hamburg und Aachen. Die Jungfrau von Orleans in Landshut, Bauerbach und Bonn. Highlight: Das Wiener Burgtheater hat für 2006 den als unaufführbar geltenden Wallenstein im Programm.
Eine Tagung in Weimar widmet sich dem ?unterschätzten Theoretiker Schiller? (23.6.-26.6.). Das Kongressthema in Jena: ?Der ganze Schiller? (21.9.-29.9.). Dem Philosophen Schiller nähert sich die Vortragsreihe ?Philosophische Spaziergänge: Schiller und seine Folgen für den Diskurs der Moderne? in Marbach (September). ZDF, 3sat und Arte begleiten mit Programmschwerpunkten. Hinzu kommen etwa 100 Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt.

Empfehlungen:
Sigrid Damm
Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung

Als gemütlicher Einstieg sei ?Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung.? von Sigrid Damm empfohlen. Der Mensch Schiller, seine Familie, Schulden, Krankheiten, Beziehungen, natürlich die Freundschaft zu Goethe sind Mittelpunkt der Biographie. Keine Interpretation der Werke, sondern die Umstände ihrer Entstehung. Dabei setzt sich die Hälfte des Buches aus Zitaten zusammen, Briefen in originaler Orthographie, die, gebunden durch den originellen Stil der Autorin, eine nahezu lückenlose, persönliche und authentische Perspektive gewähren. Eine Entdeckungsreise. Der Weg über gängige Vorbehalte gegen und Kritik an Schiller hinweg, über langsame Annäherung, bis zur Verehrung. Damm lädt ein, führt, vermittelt, entstaubt. Das gelingt, man begleitet gerne. Von Seite zu Seite wächst die Neugier auf mehr.

Rüdiger Safranski
Schiller und die Erfindung des Deutschen Idealismus

Das Theater, das neben Staat und Religion zur dritten Gewalt im gesellschaftlichen Leben erklärt wird, bestimmt Schillers Handeln. Safranski beschreibt dies in seinem Buch „Schiller und die Erfindung des Deustschen Idealismus“ bildhaft. Während sich diese Biografie zu Beginn noch schleppend liest, wird es von Seite zu Seite spannender, ausführlicher, tiefgründiger. Der Autor legt großen Wert auf die Interpretation und Analyse der schillerschen Dramen und Tragödien. Diese Tiefgründigkeit setzt sich auch in Schillers philosophischen Ansichten fort, die nicht nur angerissen sondern sehr ausführlich, wenn nicht sogar etwas in langatmig. Exkurse in Schillers und Gedankenwelt liefern Hintergründe für seine Persönlichkeit und seine Dramenfiguren. Der Leser spürt, was in Schiller vorgegangen sein müsste, als diese entstanden. Dazu gibt es dann natürlich noch die äußeren politischen, sozialen und familiären Umstände. Ausführliche Personenanalysen gibt es beispielsweise zu „Die Räuber“ und „Fiesco“. In Don Carlos aus dem gleichnamigen Theaterstück verkörpert sich die idealistische Haltung Schillers, die langsam von „Sturm und Drang“ ablässt. Der Roman liest sich wie das Who´s Who der literarischen „Szene“; zu Schillers „Clique“ lässt Safranski bedeutende Figuren wie Johann Gottfried Herder, Christian Gottfried Körner, Novalis, Friedrich Hölderlin, Wilhelm von Humboldt und Immanuel Kant (wenn auch nur im Geiste, so doch sehr präsent) hinzutreten. Es dauert ein paar Seiten bis man sich in die Zeit und Lage Schillers hinein findet, denn am Anfang fehlen politische Zusammenhänge ebenso wie zeitliche Umstände. Die gedankliche Grundlage besonders für die reiferen Werke Schillers bildete die Kantsche Philosophie (der Mensch soll nicht von der Sinnlichkeit, sondern von Sittengesetz regiert sein). So sind seine hauptagierenden Personen meist mit einem Hang zur Gerechtigkeit ausgestattet (Karl Moor in „Die Räuber“, Maria in „Maria Stuart“, Wilhelm Tell im gleichnamigen Stück) Das letzte Drittel des Buches ist dann der Freundschaft zwischen Schiller und Goethe gewidmet. Beide feuern sich gegenseitig an, Schiller ist begeistert von „Wilhelm Meister“ und Goethe gibt Impulse für „Wallenstein“. Goethe berät, gibt Ratschläge, kritisiert, ermuntert, fordert auf und steht dem Freund bei. Das alles ist zumeist durch Briefstellen belegt. Viel erfährt man über die Männerfreundschaft der beiden, doch wenig über das private Familienglück oder aus dem Leben mit den Kindern und seiner Frau Charlotte von Lengefeld. Aufgrund der ausführlichen Darstellung von Schillers Werken und deren Entstehungsgeschichte eignet sich diese Biografie auch als Nachschlagewerk, hierbei helfen die Überschriften mit ihrer knappen Inhaltszuordnung sowie eine Zeittafel und ein Register seiner Werke im Anhang. Schiller gilt als führender Dramatiker des Sturm und Drang („Die Räuber“), bedeutender Geschichtsschreiber („Der Dreißigjährige Krieg“) und maßgeblicher Kunstphilosoph (Aufsatz „Über Anmut und Würde) in Deutschland. Fazit: Während und nach dem Lesen möchte man sich regelrecht selbst ein Stück von Schiller ansehen.

Geschrieben von Judith Küther und Manuel Nüsser