Wie ein Sturm die amerikanische Medienlandschaft veränderte
Dass der Hurrikan Katrina zerstörerisch sein würde, war von Anfang an klar. Meteorologen hatten seit Tagen vor ihm gewarnt. Dass er aber auch in den amerikanischen Medien einen Sturm auslösen würde, damit hätten wohl die wenigsten gerechnet.
Vor und während des Sturmes schien noch alles beim Alten: Reporter mit Windjacken und Sturmmikrophonen stemmten sich gegen die Unbilden der Natur, um ihren Zuschauern Bilder aus erster Hand zu liefern und lobten die Evakuierungsarbeiten der Regierung. Doch als Katrina ging und Chaos und Hilflosigkeit zurückließ, änderte sich das.
Das Zusammenbrechen zivilisatorischer Schranken und die ungenügende Reaktion der Politiker darauf – als Beispiel sei hier nur der Befehl der Gouverneurin von Louisiana genannt, Plünderer einfach zu erschießen – veränderten die Medien. Wo sonst eher Bush-freundlich berichtet wird, wurden auf einmal Inkompetenzen und Schlampereien der Regierung gnadenlos offen gelegt: „The United States of Shame“ titelte eine Kolumne der New York Times. Eine Reporterin im Morgenfernsehen führte den Direktor der Katastrophenschutzbehörde FEMA vor Millionen von Zuschauern vor, als er versuchte, ihr zu erklären, er wüsste nichts von den tausenden in New Orleans gestrandeten Menschen. Ob er denn kein Fernsehen habe, fragte sie, ihr Sender berichte seit zwei Tagen darüber. Erfahrene Kriegsreporter berichteten, so etwas wie dort hätten sie noch nie gesehen. Ein CNN-Reporter fiel der in Belobigungen für Kollegen schwelgenden Senatorin von Louisiana ins Wort, ob es nicht etwas unpassend sei, sich für die ach so gut laufenden Rettungsarbeiten zu belobigen, wenn er seit Tagen in der Stadt sei und immer noch Leichen herumliegen sähe. Ob sie gar nichts von der Wut der Menschen spüre?
Auch das war neu: Die Bevölkerung stand nicht wie bei der letzten großen Krise des 11. September geschlossen hinter dem Präsidenten, sondern selbst Bush-Anhänger fragten sich, was hier schief gelaufen ist. Die Medien hatten sie aufgerüttelt. Dass eine solche humanitäre Katastrophe in ihrem Land passieren konnte, das war für die meisten bis zu Katrina unvorstellbar. Wenn es sogar die Nachrichtenteams schafften, in die überschwemmten Städte vorzudringen, warum können es dann die Helfer nicht?
So tragisch es sein mag: Es scheint, als wäre eine Katastrophe wie diese notwendig gewesen, um Amerika aus seiner Terrorstarre zu erwecken. Medien gelten als vierte Macht im Staat, sollen kontrollieren und aufdecken – und zum ersten Mal seit dem 11. September kamen sie dieser Aufgabe wieder gewissenhafter nach. Ob dies so bleibt, kann allerdings nur die Zeit zeigen.
Geschrieben von Katja Staack