Der Greifswalder Kommunikationswissenschaftler Professor Klaus Beck
über mächtige Demoskopen, Medien und Rankings
moritz: Warum lagen die Demoskopen bei der Bundestagswahl so daneben?
Professor Klaus Beck: Man muss zwei Dinge unterschieden. Zum einen hat möglicherweise kurz vor der Wahl noch ein Meinungsumschwung stattgefunden. Ob über Zweitstimmenkampagnen oder aus anderen Gründen, das ist Spekulation. Das Zweite, was man davon trennen muss, ist die Frage, wie man diese Prognosen bewertet. Da scheint mir das Problem zu sein, dass alle Prognosen immer eine Fehlermarge haben, die auch angegeben wird von den Instituten. Das kann bei knappen Wahlausgängen schon bedeutend sein. Das Problem ist vielleicht eher eins der Vermittlung, dass Journalisten entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind, klar zu machen, was diese Prognosen eigentlich bedeuten, oder was sie eben nicht bedeuten.
Lassen sich die Menschen von Umfragen in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen?
Wenn ein Einfluss stattfindet, dann nur auf diejenigen, die noch unentschlossen sind, zur Wahl zu gehen und die dann möglicherweise glauben: Wenn ich nicht hingehe, trage ich dazu bei, dass etwas ganz Fürchterliches passiert. Bei relativ wenigen Wählern, denjenigen, die schwanken und stark außengeleitet sind, kann es Umschwünge geben, was bei knappen Wahlergebnissen durchaus einen Einfluss haben kann. Ich habe aber bei dieser Wahl nicht den Eindruck, dass das so gewesen ist. Aus früheren Debatten kenne ich zudem den Vorwurf der Parteien zu sagen: Dass ihr uns schon als Sieger beziehungsweise Verlierer darstellt, deaktiviert unsere Leute. Dieses wechselseitige Instrumentalisieren führt zu nichts.
War die Medienschelte des Bundeskanzlers in der Elefantenrunde gerechtfertigt?
Ich fand die Vorwürfe zum einen sehr arrogant, zum anderen ziemlich dümmlich. Es war sehr interessant zu beobachten, wie dieser Machtmensch dort auftritt und wie relativ gut das auch funktioniert. Aber mit politischer Kultur, mit demokratischen Gepflogenheiten hat das relativ wenig zu tun, und ich glaube auch, dass objektiv gesehen weder die SPD noch Herr Schröder einen Grund haben, sich zu beklagen, denn sie sind ja diejenigen, die über die Personalityshows und das Kanzlerduell sehr stark von der Personalisierung der Politik profitieren.
Ließ sich aus der Körpersprache der Kandidaten in der Elefantenrunde etwas ableiten?
Eine bestimmte Euphorisierung bei Schröder war schon vorhanden, auch wenn ja einige mehr auf Trunkenheit getippt haben. Ein solch breites Grinsen aufzusetzen, sich so in den Sessel zu fläzen, das muss man erstmal bringen. Da sind schon Elemente von einstudiertem Verhalten dabei, und auch immer wieder Momente, wo das durchbrochen wird, wo die Züge entgleisen. Das kann man bei Herrn Stoiber immer gut beobachten, wenn der Zeigefinger ins Spiel kommt. Oder bei Frau Merkel, die wie ein Karnickel da saß, mit aufgerissenen, verängstigten Augen. Ich fand es interessant, dass die Körpersprache dieses Machos tatsächlich die Kandidatin ernsthaft beeindruckt hat. Mich würde es wundern, wenn jemand wie Schröder, der sonst so gut auf der Klaviatur der Medien spielt, da einfach die Sau raus lässt und völlig unbeherrscht auftritt. Das ist ihm nicht einfach so unterlaufen.
Wie viel Einfluss auf die öffentliche Meinung haben die Medien, die viel beschworene vierte Gewalt im Staat?
In dem Moment, wo die Menschen durchschauen, dass die Medien sie manipulieren wollen, haben diese keine manipulative Kraft mehr. Ich glaube, die Verhältnisse sind ein bisschen komplizierter geworden in den letzten 10 Jahren. Wir haben ja mittlerweile schon die dritte reflexive Schleife, das heißt, wir haben nicht mehr nur das Phänomen, dass die Medien darüber berichten, wie die Politiker in den Medien auftreten, wir können mittlerweile in normalen Tageszeitungen lesen, wie die anderen Medien das kommentieren, was im Medium Fernsehen läuft. Das ist schon eine hochreflexive Sache, die in den Publikumsmedien betrieben und auch rezipiert wird.
Auch im Bereich der Bildung wird immer mehr erhoben. Was für einen Einfluss haben Unirankings, die für Greifswald in den letzten Monaten sehr positiv ausfielen, auf zukünftige Studenten?
Am Beispiel der Kommunikationswissenschaft kann man sagen, dass als größte Wirkung die Bekanntheit gestiegen ist. Da hat man als kleine Einrichtung durch die Rankings einen Werbeeffekt, den wir vermutlich aber auch gehabt hätten, wenn wir im Ranking ganz schlecht abgeschnitten hätten, einfach weil viele mitbekommen hätten, dass es hier auch Kommunikationswissenschaft gibt. Die Orientierung, die Studenten in solchen Rankings suchen, ist nicht immer sachlich begründet. Der Fragebogen der Bertelsmann Stiftung, die die Kommunikationswissenschaft erstmalig gerankt hat, war beispielsweise sehr dilettantisch, weil sie noch nicht einmal genau wussten, was es für ein Fach ist. Zudem wurden Grundregeln der empirischen Sozialforschung nicht eingehalten.
Kann man die guten Rankings zur Stärkung der eigenen Position gegenüber der Landesregierung in der aktuellen Kürzungsdebatte nutzen?
Das würde voraussetzen, dass die Landesregierung sachlichen Argumenten aufgeschlossen ist. Ich habe aber bei der Kürzungsdebatte den Eindruck, dass sachliche Argumente nur sehr selektiv eine Rolle spielen, nämlich da, wo man sie brauchen kann, um das zu stützen, was man sowieso immer schon geglaubt hat. Wieso soll das in der Hochschulpolitik anders sein als in anderen Politikfeldern?
Was würden Sie zukünftigen Studenten raten? Wie sehr sollten sie sich auf Rankings verlassen?
Ich würde statt Rankings eher Studienführer, online oder in gedruckter Form, empfehlen, oder auch die eigene Recherche und das persönliche Gespräch. Studienführer sind fundierter, von Fachkollegen verfasst. Es wird auch über Inhalte statt nur über äußerliche Merkmale gesprochen, die fachlichen Profile werden einfach deutlicher. Mehrere Informationsquellen, das wissen wir aus allen Lebenszusammenhängen, können nie schaden.
Geschrieben von Katja, Staack, Sarah Rieser