Ist die Greifswalder Medizin so gut wie ihr Ruf?
Die Greifswalder Uni ist spitze. Was nach Heimatliebe klingt, ist die Aussage so genannter „Hochschulrankings“ über das Fach Medizin. Jedes Jahr beeinflusst dieses Urteil die Entscheidung hunderter Medizinanwärter, nach Greifswald zu kommen. Doch wie aussagekräftig ist dieses Urteil und wie sehen das die Medizinstudenten selber?
Nahezu zwei Drittel der von moritz befragten Medizinstudenten zwischen dem dritten und zehnten Fachsemester finden das Urteil dieser Rankings gerechtfertigt. Das Studium sei in der Regelstudienzeit zu schaffen, die Profs seien kompetent und das Betreuungsverhältnis ideal. Doch ein Teil der Befragten sieht das positive Urteil über die medizinische Ausbildung in Greifswald skeptisch. Es werde teilweise unnötiger Stoff vermittelt und die Forschung käme auch zu kurz, sagen die Unzufriedenen. Laut Hochschulranking zählt die Uni in Sachen Forschungsgelder zur Schlussgruppe. Die Spekulationen über die Ursachen sind vielfältig. Einerseits sei die Finanzlage im Osten Schuld, andererseits liege es am geringen Bekanntheitsgrad der Uni.
Welchen Einfluss solche Rankings auf die Studienwahl haben, beweist die Tatsache, dass über die Hälfte der befragten Medizinstudenten sich aufgrund eines solchen Rankings entschieden haben. Das ist enorm, bedenkt man, dass 2003 schon 4,1 Bewerber auf einen Studienplatz kamen.
Sehr kritisch sehen Medizinstudenten allerdings die viel gepriesene „Community Medicine“. Bei Rankings gilt der Praxisbezug als Aushängeschild der Universität.
Community Medicine ist ein interdisziplinäres Fach mit dem Ziel, Medizinstudenten schon in der Vorklinik einen Einblick in die Praxis der Gesundheitsversorgung und Prävention mit lokalem Schwerpunkt zu gewähren und den frühen Patientenkontakt zu ermöglichen. Dieser besteht aber bisher oft nur aus der kurzen Teilnahme an Visiten während eines einmaligen achtstündigen Aufenthaltes im Krankenhaus. Mehr klinische Erfahrung – vom inzwischen dreimonatigen Pflegepraktikum abgesehen, das an allen Unis Pflicht ist – wird den wenigsten Medizinstudenten vor dem Physikum zuteil. Auch wird von vielen als wenig sinnvoll angesehen, den Studenten bereits im ersten Semester fiktive Krankheitsfälle vorzulegen und lösen zu lassen. Community Medicine entspricht deshalb nicht den Erwartungen vieler Studenten, wie die Antworten einiger Studenten zeigen. Zu Unrecht wird sie immer wieder hoch gelobt.
Das umfangreiche Ranking wurde vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) entwickelt und basiert auf der Auswertung von Fragebögen von zufällig ausgewählten Studenten und Professoren in ganz Deutschland. Der Fragebogen enthält 40 Fragen zu Studienfächern, Lehrangebot, Studiumsorganisation, Praxisbezogenheit, Betreuung, Forschung und persönlichen Aspekten.
Doch wie objektiv fallen die Bewertungen aus? Neigt man als Professor nicht zu Überbewertung und Lokalpatriotismus gegenüber der eigenen Uni? Ist es überhaupt möglich, solche Bewertungen völlig neutral zu machen? Und auch bei den Studenten müssen die Bewertungen je nach Erfahrung doch völlig unterschiedlich ausfallen. Denn schließlich beruhen die Urteile der Studenten selten auf Vergleichen mit anderen Unis, sondern auf subjektiven Eindrücken. Liegt da nicht die Vermutung nahe, dass Rankings nicht so objektiv sein können, wie sie es immer vorgeben?
Trotzdem bleibt unbestritten, dass Rankings weiterhin einen großen Einfluss auf die Studierenden haben werden und auch die Zahl der Immatrikulationen beeinflussen.
Greifswalds Uni ist spitze. Und diese Feststellung tut Greifswald gut.
Geschrieben von Katarina Sass