Steven Soderbergh revolutioniert Seh- und Kaufgewohnheiten
Welch paradiesische Zustände scheinen ab dem 31. Januar dieses Jahres in den USA möglich. Der filmbegeisterte Konsument erhält drei Möglichkeiten den nagelneuen Kinofilm „Bubble“ zu sehen: Er kann sich zwischen dem Kinobesuch, dem Kauf der DVD oder der Pay–Per–View–Ausstrahlung entscheiden.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Filmfirma ihr Produkt zeitgleich in allen Verwertungsstufen an die Käufer bringen möchte. Doch hinter diesem Plan entdeckt man eine bedeutende Persönlichkeit aus der Unterhaltungsbranche: Steven Soderbergh. Der US-amerikanische Regisseur und Produzent war sowohl für Box-Office-Erfolge wie „Ocean‘s Eleven“ und deren Fortsetzung, „Out of Sight“ und „Erin Brokovich“, als auch für künstlerische Werke wie „Sex, Lügen und Video“ und „Traffic“ verantwortlich. Dass sich der Oscar-Gewinner jetzt an diesem Experiment der Filmauswertung beteiligt hat, sorgte in der Filmindustrie für Verwunderung, aber auch Anerkennung.
„Bubble“ erzählt die Geschichte der Einwohner einer Stadt im US-Bundesstaat Ohio und deren mysteriösen Erlebnisse in der örtlichen Spielzeugfabrik. Regisseur Soderbergh bediente sich ausschließlich Laienschauspieler und drehte seinen Film in nur drei Wochen mit Digitalkameras ab. Beides ermöglichte eine kostengünstige Filmproduktion.
Im Hintergrund agierten Mark Cuban und Todd Wagner. Sie sind Inhaber einer Filmproduktionsfirma, eines Filmverleihs, einer Kinotheaterkette und verfügen über Verträge mit einem Fernsehkanal und einem DVD-Vertrieb.
Bis in die 1950er Jahre sorgte allein die Kinoauswertung für die Erlöse einer Kinoproduktion. Durch technische Innovationen kamen neue Auswertungsarten hinzu. Die wirtschaftliche Verwertung des Produkts Film durch Kinotheater sorgt heute nur noch für rund 20 Prozent der Erlöse. Über die Hälfte entstehen durch die Zweitauswertung auf DVD. Die restlichen Einnahmen fließen durch den Verkauf der Fernsehrechte und Merchandising hinzu. Zwischen den Nutzungsstufen bestanden relativ feste und exklusive Zeitfenster der Auswertung. Erst der Kinostart, danach die Veröffentlichung auf Video und DVD, dann Pay–Per–View und Pay–TV und zum Schluss die Ausstrahlung im Free–TV. Dies ermöglichte jedem Teil der Auswertungskette, Einnahmen zu erzielen. In den letzen Jahren ist vor allem eine Verkürzung der einzelnen Auswertungsfenster zu beobachten.
Nur vier Monate nach dem Kinostart erschien zum Beispiel der Film „Sin City“ auf DVD. Den deutschen Kinoketten war dies zu früh – die Comic-Verfilmung wurde boykottiert und erst Nachverhandlungen führten zu einem Kinostart bei den drei großen Kinoketten.
Im Jahr 2005 hatte die Filmindustrie auch noch mit sinkenden Kinobesucherzahlen zu kämpfen. Das Markforschungsinstitut Nielsen EDI zählte für das vergangene Jahr nur 121 Millionen gelöste Kinokarten in Deutschland. Mit diesem Rückgang von 20,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr steht Deutschland nicht allein dar. Auch in der umsatzmäßig größten Kino-Nation der Welt, den USA, wurden rund 11 Prozent weniger Kinotickets verkauft. Parallel dazu ist der DVD-Markt in den letzten Jahren unaufhaltsam gewachsen. Neue Filme erzielen gegenüber dem Kinorelease nicht nur höhere Einnahmen, sondern auch das Erscheinen von unzähligen älteren Filmen und Serien ermöglicht stetigen Cash-Flow. Schon wird davon ausgegangen, dass Soderberghs Film „Bubble“ eine ebenso starke Veränderung der Filmindustrie einläuten wird, wie das Ende des Stummfilms durch den ersten Tonfilm „The Jazz Singer“ im Jahr 1927.
Durch kostengünstige Home-Entertainment-Systeme wird heutzutage aus jedem Wohnzimmer ein kleiner Filmpalast. Hinzu kommen die seit Jahren sinkenden Preise für DVDs, die den Aufbau einer persönlichen Filmbibliothek ermöglichen. Wer die heimischen vier Wände verlässt, um einen Film im Kino zu sehen, dem müssen schon gute Argumente geliefert werden. Die meisten Kinofilme sind sehr schnell illegal und wenige Monate später auch legal erhältlich. Auch die Produzenten haben an dem day-and-date-Erscheinen ein Interesse: einmalige Marketingausgaben anstatt für jede Auswertungsart einzeln, dem illegalen Verkauf kann ein Riegel vorgeschoben werden und vor allem kleinere Low-Budget und Independent-Produktionen kommen sofort an mehr Interessierte heran.
Wenn die zeitgleiche Auswertung eines Filmes von den Kinos nicht als Konkurrenz verstanden wird, sondern als Möglichkeit, die Vorteile eines Kinobesuchs herauszustellen, mag Soderbergh ein Wegbereiter sein. Bei Erfolg plant er nämlich schon weitere Kinofilme für die gleichzeitige Auswer-tung. Sein gerade abgedrehter Spielfilm „The Good German“ mit George Clooney in der Hauptrolle läuft jedenfalls erst einmal exklusiv im Kino.
Geschrieben von Björn Buß
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