Der Senat pokert mit Rektor Westermann um die Lehrerbildung

Schon im September informierte Rektor Rainer Westermann, dass die Landesregierung die Lehrerbildung in Greifswald abschaffen wolle. Dem Rektorat falle es zunehmend schwer, dagegen zu halten. Prorektor Claus-Dieter Classen ergänzte, dass das Master of Education-Programm der Philosophischen Fakultät nach dem schlechten Urteil der Akkreditierungskommission nicht zu halten sei.

Wenige Tage später verhandelten Westermann und Classen im Schweriner Bildungsministerium erneut hinter verschlossenen Türen. Noch im Mai hatte der Senat als Schmerzgrenze 150 Stellenstreichungen bis 2017 festgeschrieben und dazu gleich ein Strukturkonzept verabschiedet. Aus den 150 Stellen wurden während diverser informeller Treffen zwischen Rektorat und Bildungsministerium im Verlaufe des Sommers 176 und an jenem 29. September schließlich 190 Stellen.
Noch während des Gesprächs legte Westermann gegen das Ende des Master of Education in Greifswald ein Veto ein, während Classen sich dafür aussprach, ihn abzuschaffen, falls es in Rostock zukünftig einen gebe. Schwerins Forderungen gingen weiter: Nicht nur die Lehrerbildung, sondern auch die Anglistik/Amerikanistik sowie die Altertumswissenschaften sollten gestrichen und die Theologie nur bis auf weiteres fortgeführt werden.
Daraufhin rumorte es kräftig in Greifswald – an der Philosophischen Fakultät wurde gar eine Sondersitzung des Fakultätsrates einberufen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder befürchtete, Dekan Manfred Bornewasser werde Classens Forderung nach Abschaffung des Master of Education unterstützen und damit der Lehrerbildung in Greifswald ein Ende setzen.
Als dann einen Tag später am 19. Oktober die Senatssitzung begann, hatte Rektor Rainer Westermann das Ergebnis der Sitzung schon in Bornewassers Sinne verkündet. „Die Greifswalder Universität will die Lehrerausbildung drastisch reduzieren. So soll für Lehrer künftig nur noch der Teilabschluss Bachelor möglich sein“, ließ er morgendlich in der OZ verlauten. Leider – so muss man im Nachhinein konstatieren – könnte er mit seiner als Tatsache verkauften Prognose Recht behalten.
Auch weil Westermann dem Senatsvorsitzenden Wolfgang Joecks die entscheidende Beschlußvorlage unterschob, wie Beobachter vermuten. Sie kritisieren insbesondere, dass Joecks noch zu Anfang des Jahres auf einen unabhängigen Senat gesetzt hatte und sich mit den Studenten auf der Vollversammlung im April gegen jegliche Kürzungen aussprach, während er jetzt eine Kehrtwende vollziehe.
So warnte Joecks denn auch gleich zu Beginn der Sitzung, vom Land schon zugesicherte Stellen könnten der Uni wieder verloren gehen, wenn sie weiterhin die Anglistik/Amerikanistik, Altertumswissenschaften und den Master of Education erhalten wolle. Eventuell stünden dann wieder die BWL, die Politikwissenschaft und die Landschaftsökologie zur Debatte, die im Laufe des Sommers „gesichert“ worden waren.
Theologie-Dekan Michael Herbst betonte, dass das Ende des Master of Education gleichzeitig das Ende seiner Fakultät bedeute, weil ihr dann die Mehrheit der Studenten ausbliebe. Für ihn sei es ebenfalls das Ende des Instituts, bemerkte Hartmut Lutz, geschäftsführender Direktor des Instituts für Anglistik/Amerikanistik, und wies auf allerlei Ungereimtheiten der vom Land vorgeschlagenen Kürzungen hin: „Warum beschneiden wir die Fakultät, die am wenigsten Geld kostet und warum soll hier ein Institut geschlossen werden, dass gerade in der Lehrerbildung in neuesten Rankings hervorragend abgeschnitten hat?“ fragte er.
Rektor Westermann versuchte schließlich die Debatte abzuwürgen, indem er darauf verwies, dass die Erhaltungswünsche politisch in Schwerin nicht durchsetzbar seien.
Nach viereinhalbstündiger Diskussion war dann ein Beschluss gefasst, der keineswegs einmütig ausfiel, was den Beteiligten zu denken geben sollte. Der Erweiterte Senat sprach sich mit einer Stimme Mehrheit gegen den Beschluss aus, der Engere Senat nahm ihn mit 15 Ja- zu sieben Nein-Stimmen an. Sein Votum ist allerdings in Fragen der Hochschulentwicklung bindend.
Mit vielen „wenn“ und „aber“-Formulierungen wird dem Rektorat für die nun notwendigen Nachverhandlungen freies Spiel gelassen. Für die Institute für Anglistik/Amerikanistik und für Altertumswissenschaften lässt sich nur dann eine Bestandsgarantie ableiten, wenn der Master of Education in Greifswald erhalten bleibt. Der wiederum bleibt aber nur dann hier, wenn das Rektorat weder Stellen für ihn aufwenden muss noch die Universitätsstruktur in Frage steht. Beides bietet breite Interprationsspielräume.
Für Verwirrung sorgte nach der Sitzung eine ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit der beteiligten studentischen Senatoren. Nach der Sitzung verkündete Torsten Heil, Senator und AStA-Referent für Hochschulpolitik, dass die Lehrerbildung in Gänze gerettet sei – auch, wie Torsten heute erklärt – weil sich der Senat zeitweilig selber nicht sicher war, wie die verschiedenen Voten des Erweiterten und Engeren Senats zu deuten seien. Senatspräsident Wolfgang Joecks polterte sogleich, die „Abteilung Desinformation und Propaganda des AStA“ habe wieder zugeschlagen. „Das war ein ungewollter Schnellschuss“, bedauert Torsten im Nachhinein, „und ich kann Studierende verstehen, die nach so einer Äußerung den Ernst der Lage anzweifelten.“

Geschrieben von Ulrich Kötter