Der neunte November steht, je mehr überlebende Opfer des Nationalsozialismus das Zeitliche segnen, zunehmend im Zeichen des Wiedervereinigungs-Taumels der Jahre 1989 und 1990. Man freut sich, dass die Mauer gefallen ist und „wir“ wieder „ein Volk“ sind. Doch eben dieses „Volk“ ist es gewesen, dass sich nicht einmal ein ganzes Menschenleben zuvor ein unsägliches Verbrechen initiierte, bei ihm zusah, nichts tat, oder sich daran beteiligte: Die Reichspogromnacht. Am 9. November 1938 steckten Angehörige der NSDAP, SS und SA landesweit Synagogen in Brand und zerstörten zahlreiche jüdische Geschäfte. Über die „Goebbelsschnauzen“ war einer Rede des gleichnamigen Reichsministers für „Volksaufklärung und Propaganda“ zu entnehmen, dass die NSDAP die Pogrome zwar nicht organisiere, allerdings auch nicht unterbinden werde.

Die Mehrheit der 1938 schon längst als „Volksgemeinschaft“ bezeichneten deutschen Bevölkerung unternahm nichts, um das Verbrechen zu unterbinden; genau so, wie sie zuvor nichts von der Errichtung der ersten Konzentrationslager in Dachau und Oranienburg (1933) zu wissen meinten. Einige jubelten, andere schlossen sich dem rassistischen Mob an und zündelten mit. Wiederum andere, vermutlich nicht wenige von ihnen, waren in Anbetracht der staatlich gestützten Hetzjagd aus Angst davor, selbst das nächste Opfer zu sein, tatenlos.

Auch in Greifswald wurden 1938 am 9. November jüdische Geschäfte zerschlagen. Anlässlich des 74. Jahrestages lädt der Arbeitskreis Kirche und Judentum des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises zum öffentlichen Gedenken der Novemberpogrome ein. Ab 13 Uhr werden am 9. November Zeitzeugenberichte sowie traditionelle jüdische Texte gelesen. Veranstaltungsort ist der Standort der ehemaligen Synagoge, schräg gegenüber des Pommerschen Landesmuseums.

Bereits heute Abend, am 8. November,  wird eine Einstimmung auf das morgige Gedenken stattfinden. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für verfemte Musik und der Hochschule für Musik und Theater in Rostock wird in der Aula der Ernst-Moritz-Arndt Universität das Konzert „Jeunesses musicales“ stattfinden. Ab 19.30 Uhr werden Werke von Komponisten vorgeführt, die in der NS-Zeit als „entartet“ galten und verboten worden sind. Der Eintritt für diese Veranstaltung beträgt 5 Euro. Das öffentliche Gedenken auf dem Platz schräg gegenüber des Pommerschen Landesmuseums ist kostenlos.

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