Während im Finanzausschuss der Stadt die Rückübertragung von den Greifswalder Gymnasien und der Gesamtschule vom Kreis zurück auf die Stadt mehrheitlich abgelehnt wurde, stimmte der Bildungsausschuss am Mittwochabend einstimmig dafür. Außerdem sprach er sich für die Prüfung einer Wiedereinführung der Wohnsitzprämie aus und wählte Thomas Behm (SPD) zum neuen Ausschussvorsitzenden.

Wut, Entsetzen und Verwunderung herrschte unter den Ausschussmitgliedern über die Empfehlung des Finanzausschusses an die Bürgerschaft am Montagabend, den mit dem Kreis Vorpommern-Greifswald verhandelten Vertrag über die Rückübertragung der Schulträgerschaft von drei Gymnasien und einer Gesamtschule abzulehnen. Als Grund wurde genannt, dass 1 bis 1,4 Millionen Euro investiert würden, ohne faktisch mehr Mitbestimmung zu haben, weil die Schulentwicklungsplanung beim Kreis bleibe.

„Der Vertrag entspricht den Forderungen der Bürgerschaft“, machte Beigeordneter Ulf Demski (SPD) deutlich. So sei eine ordentliche Kündigung der Rückübertragung nicht möglich. Genauso überrascht zeigte sich Ulf Burmeister (Bürgerliste Greifswald): „Es hat sich nichts geändert. Die Kosten waren uns klar.“ Die Initiative ginge von der Stadt aus, nicht vom Kreis, ergänzte Burmeister, der gleichzeitig Schulleiter des Humboldts-Gymnasiums ist.

Wilfried Kremer, der im Finanzausschuss anwesend war und das städtische Immobilienamt leitet, wies darauf hin, dass künftig jede Baumaßnahme in den Schulen mit dem Landkreis abzustimmen sei. „Damit hängen wir an den Entscheidungen des Landkreises“, der auch die Investitionen zu finanzieren habe. Aktuell hat der Landkreis noch keinen verabschiedeten Haushalt und das Defizit wird auf etwa 44 Millionen Euro geschätzt. Vom Landesinnenministerium soll ein „Aufseher“ eingesetzt werden. Einstimmig votierte der Bildungsausschuss für den Vertrag mit dem Landkreis. Nun muss die Bürgerschaft darüber entscheiden.

Auch Bildungsausschuss für Prüfung einer neuen Wohnsitzprämie

„Pro Jahr bekommt die Universität pro Student 1.000 Euro vom Land“, warb Kanzler Dr. Wolfgang Flieger für die Wiedereinführung der Wohnsitzprämie, die auch Umzugsbeihilfe genannt wird. Diese bekam jeder, der sein Abitur außerhalb in Mecklenburg-Vorpommerns gemacht hat und sich mit Erstwohnsitz in Greifswald anmeldete. Jedoch müssen mindestens die Hälfte der neuen Studenten ihren Erstwohnsitz nach Greifswald verlegen, damit die Universität das Geld vom Land bekommt. Im letzten Jahr gab es die Förderung auch schon, die Studenten mussten aber für eine Registrierung einwilligen. Das Ergebnis sei dürftig gewesen, so Flieger. In diesem Jahr sei diese Einwilligung nicht mehr notwendig. Die Wohnsitzprämie sei daher ein guter Anreiz.

Thomas Behm (SPD) äußerte vorher: „Es ist zu merken, dass sich ohne Prämie das Anmeldeverhalten der Studenten ändert.“ Auch Hendrik Hauschild (CDU) sprach sich für die Prämie aus, die es noch bis 2011 gab. Die Bürgerschaft hatte zur Haushaltskonsolidierung die Prämie ausgesetzt, nun soll die Wiedereinführung geprüft werden. Ob es wieder 150 Euro werden, ist unklar.

Neuer Ausschussvorsitzender Thomas Behm will stärkeres Miteinander von studentischer und städtischer Kultur

Neuer Ausschussvorsitzender Thomas Behm bekam eine Gegenstimme aus der eigenen Partei.

Nach dem Weggang vom bisherigen Ausschussvorsitzenden Christian Pegel (SPD), der vor ein paar Wochen zum Leiter der Staatskanzlei in Schwerin berufen wurde, musste ein neuer Ausschussvorsitzender gewählt werden. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion, die das Zugriffsrecht für die Position hat, schlug Thomas Behm (SPD) vor. Behm, 1982 geboren, studierte Politik-, Volks-, und Erziehungswissenschaften. Nach Ende seiner Studiums im Januar 2010 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der  Universität tätig, zuletzt am Lehrstuhl für vergleichende Regierungslehre. „Ich will mich für einen parteiübergreifenden Weg einsetzen und aus dem Nebeneinander von studentischer und städtischer Kultur ein stärkeres Miteinander machen“, begründete Behm seine Kandidatur.

Kritik an Behms Kandidatur äußerte Peter Multhauf (Die Linke): „Ich halte den Ausschuss für zu wichtig, als das wir ihn in einem Experiment einem jungen Mann überlassen.“ Behm habe noch nicht genügend kommunalpolitische Erfahrung. Trotzdem wurde er bei einer Enthaltung und zwei Gegenstimmen gewählt. Neben Multhauf stimmte auch der Sachkundige Bürger Joachim Trettin (SPD) gegen Behm.

Trettin begründete seine Ablehnung nach der Sitzung gegenüber dem webMoritz mit „politischen und SPD-Gründen“. Damit scheint es innerhalb der Greifswalder SPD Streit über diese Personalie zu geben. „In einer Demokratie ist das Recht eines jeden Ausschussmitgliedes für oder gegen einen Kandidaten zu votieren. Wir sollten aber innerhalb der SPD für die Zukunft Einbindungsprozesse finden, die eine gemeinsame Vorgehensweise gewährleisten. Ich bin mir sicher das der Ortsverein, als Basisorgan, hierfür das geeignete Diskussionsforum ist“, fügte SPD- und Juso-Mitglied Erik von Malottki hinzu. Innerhalb der SPD ist auch teilweise von „Entsetzen“ die Rede.

Stadt und Universität wollen Kooperation fortsetzen

Auch die Kooperation von Stadt und Universität stand auf der Tagesordnung. In der Diskussion sprachen sich Vertreter von Universität und Ausschussmitgliedern für eine Fortsetzung aus, wobei aber der Kooperationsvertrag überarbeitet werden soll. Uni-Pressesprecher Jan Messerschmidt nannte die Kinder- und Jugenduni oder die Familienuniversität als konkrete Projekte der letzten Jahre. Hinzu komme ein Juniorstudium, bei dem hochbegabte Schüler des Humboldt-Gymnasiums Erfahrungen im Studium sammeln können. „Das hat ihnen Spaß gemacht“, kommentierte Messerschmidt ihre Erfahrungen. Ab diesem Semester nehmen am Juniorstudium auch drei Schüler des Jahngymnasiums teil.

Kanzler Dr. Wolfgang Flieger

Verbesserungsbedarf sieht Multhauf. So wünsche er sich, dass auch Vertreter der studentischen Selbstverwaltung an der Kooperation beteiligt würden. Kanzler Dr. Wolfgang Flieger erinnerte daran, dass auch Angehörige der Universität kommunalpolitisch aktiv sind. Dazu zählte er wahrscheinlich Vizepräsidenten der Bürgerschaft, Prof. Wolfgang Joecks (SPD). Beigeordneter Ulf Demski (SPD) ergänzte als Berührungspunkte zwischen Stadt und Universität die studentische Kultur und die Wohnsituation von Studenten. Da die aktuelle Kooperationsvereinbarung schon elf Jahre alt ist, soll sie konkretisiert und aktualisiert werden. Flieger machte aber deutlich, dass damit nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate zu rechnen sei, weil die Universität einen neue(n) Rektor(in) bekomme.

Flieger äußerte sich auch zur Verkehrssituation am Campus Loefflerstraße. So werde es sicherlich Verkehr zwischen dem Campus Loefflerstraße (Geisteswissenschaftler) und dem Campus Beitz-Platz (Naturwissenschaftler) geben, aber es gebe eine starke Trennung. Er forderte auch eine Verringerung des Verkehrs in der Rubenowstraße, um mögliche Unfälle vor dem Audimax zu vermeiden, auch wenn dort es laut Polizei keinen Unfallschwerpunkt gebe.

Fotos: David Vössing, Andrea Dittmar (Artikelbild, Archiv),