Am 16. Juni 2012 fand der erste „Tag der Akzeptanz“ auf dem Greifswalder Marktplatz statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von dem noch relativ jungen Aktionsbündnis „Queer in Greifswald“. Denn dass Greifswald in Hinblick auf Akzeptanz noch einiges zu lernen hat, davon sind die Besucher überzeugt.

Akzeptanz – was genau versteht man eigentlich unter diesem Begriff? Für Veit Pürsing bedeutet Akzeptanz, Menschen mit einer vielleicht etwas ungewöhnlicheren Lebensweise oder Art anzunehmen und sie mit in die Gesellschaft einzubinden. Doch weil das immer noch viel zu selten geschehe, hat das Aktionsbündnis „Queer in Greifswald“ den „Tag der Akzeptanz“ organisiert. „Der Tag heißt deswegen „Tag der Akzeptanz“, weil man die Minderheit nicht einfach nur dulden, also tolerieren, sondern aktiv akzeptieren soll“, erklärt der 22-jährige, der selber Mitglied des Aktionsbündnisses ist, das aus dem Gleichstellungsreferat des AStA, der Gender-Trouble AG, Treff mal Anders, Polyform Greifswald sowie Privatpersonen besteht.

Veit Pürsing

Mehrere Stände von Organisationen und Vereinen, wie Viva Con Agua oder die Gender Trouble AG, aber auch Parteien stehen auf dem historischen Marktplatz, um Interessierte über die verschiedensten Projekte zu informieren, etwa über den Benefizlauf des Vereins „Afrikas Renaissance und Wiederaufbau e.V.

Für die musikalische Untermalung sorgt die Band „The LadyBirds“. Außerdem unterhält Lady Vegas die rund 200 Besucher mit Songs über das weibliche Geschlecht, denn „das weibliche Geschlecht hat immer Recht“.

Finanziert wird die Veranstaltung durch Spenden und das Studierendenparlament. Doch da das Bündnis erst im vergangenen Jahr gegründet wurde, lief die Planung etwas spontaner und „ziemlich kurzfristig“ ab. „Aber das ist ja auch das erste Mal, nächstes Mal ziehen wir das dann etwas größer auf“, verspricht Veit, der sich seit Februar 2011 in der Schwulen- und Lesbenszene engagiert. „Da ich selber schwul bin, merke ich, dass es schon noch Anfeindungen gibt. Aber ich will das auch nicht auf die Szene beschränken, sondern mich auch für andere Minderheiten, zum Beispiel Behinderte, einsetzen.“

Aber ist so ein Tag wirklich notwendig?

Veits Meinung ist eindeutig: Greifswald braucht diesen Tag. „Es gibt immer noch sehr viel Intoleranz gegenüber Minderheiten, egal ob es sich nun um Homosexuelle oder Behinderte handelt, insbesondere in den ländlichen Regionen, aber auch in Greifswald.“

Man hätte meinen können, dass die Deutschen das 20. Jahrhundert hinter sich gelassen haben, aber die Erfahrungen von Betroffenen sprechen leider eine andere Sprache. „In manchen Gebieten würde ich nicht mit meinem Freund händchenhaltend rumlaufen“, gibt der Altenpfleger zu.

Auch der „Förderverein Kinderhospiz Leuchtturm e.V.“ findet die Idee, eine solche Veranstaltung zu initiieren, gut. Petra Abramowski, die Vorsitzende des Vereins, tritt für die Akzeptanz von unheilbar kranken Kindern ein. An ihrem Stand werben sie für den Aufbau des ersten Kinderhospizes in Mecklenburg-Vorpommern. Denn die begrenzte Lebenszeit, die den Kindern bleibt, sollte man nutzen, um sie so angenehm und schön wie möglich zu gestalten, erklärt Petra Abramowski.

 Ein Kommentar

Intoleranz gab es schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Sobald der Mensch auf etwas Neues, Fremdes traf, etwas, das er nicht begreifen konnte, verschloss er sich aus Angst vor dem Unbekannten. Statt auf jemanden zuzugehen, um herauszufinden, warum er anders war als die anderen, zeigte man mit dem Finger auf ihn. So jemand konnte nur vom Teufel besessen sein, dachte man im Mittelalter. Und bis zum 2. Weltkrieg hat sich an der Angst vor dem Unbekannten nichts geändert. Man hielt Homosexuelle und Behinderte für kranke Missgeburten, weil es einfacher war, etwas Fremdes zu verachten, als es kennenzulernen und zu verstehen.

Mittlerweile hat sich die Mehrheit der Bevölkerung von dieser primitiven Sichtweise distanziert. Doch leider gibt es immer noch Menschen, die Minderheiten diskriminieren.

Bleibt die Frage, ob ein alter, verbitterter Mann, der in der HJ das Weltbild Adolf Hitlers indoktriniert bekommen hat, oder ein überzeugter Rechtsradikaler durch diese Veranstaltung zu einer offeneren Haltungen bewegt werden kann. Trotzdem kann der „Tag der Akzeptanz“ nicht schaden. Denn er schafft die Möglichkeit, die Menschen für sich zu gewinnen, die noch nicht so vorurteilsbelastet sind und die durch den Kontakt mit „Andersartigen“ ihre Skepsis endgültig ablegen konnten.

Fotos: Corinna Schlun