Die „Kabutze“ in der Friedrich-Löffler-Straße ist eine offene Nähwerkstatt, in welcher sich kritisch mit den Produktionsbedingungen auseinandergesetzt wird, die in der Kleidungsindustrie vorherrschen. Als Alternative zum immer neuen Konsum von Textilien, wird in der Werkstatt schon seit über einem Jahr Anfängern das Nähen vermittelt. Jeder kann vorbeikommen, um seine eigenen Kleidungsstücke zu reparieren oder neu zu gestalten, damit diese langlebiger werden.
moritz-Redakteurin Anastasia Statsenko traf sich mit einer der Gründerinnen, um mehr zu erfahren.
Im Hintergrund hört man laute Maschinengeräusche, es sind Nähmaschinen. Aus den Lautsprechern ertönt angenehme Musik, an den Wänden hängen ungewöhnliche Plakate zum Thema Mode und eine große Fahne mit der aufgenähten Aufschrift „Kabutze“. Ich sitze auf der riesigen, weichen Couch umgeben von einem Haufen bunter Kissen. Die Textilwerkstatt „Kabutze“ ist nicht nur ein Raum mit Nähmaschinen, wo man gegen eine geringe Spende seine Hose mal selbst kürzen kann, hier werden auch verschiedene Workshops angeboten. Die Themen reichen dabei von klassischen „Laptoptasche selber nähen“ bis hin zum futuristischen „Nähen aus alten Fahrradschläuchen“. Trotz meiner Erwartung trägt Juliane Seyfert, eine der Gründerinnen der Initiative, kaum etwas selbstgemachtes, sie sieht so gar nicht nach „Öko“ aus, sondern ganz normal. Auf meine Frage, ob ihre Sachen denn selbstgenäht seien, lacht sie und antwortet:
Juliane: Ich trage eher Aufgepepptes, keine komplett selbstgemachten Klamotten. Meine Sachen sind individualisiert aus dem Second-Hand. Ich bin ein Müllvermeider, ich verwende lieber Altes, bevor ich mir neue Sachen kaufe, die neu hergestellt werden müssen.“
Damit bringt sie auch die Philosophie der Recyclingwerkstatt auf den Punkt: Neu verwerten und aufwerten, anstatt neu zu produzieren.
Anastasia: Wie seid ihr denn auf die Idee dazu gekommen?
J: Die Idee zu solch einem Projekt kursierte schon etwas länger in den alternativen Kreisen in Greifswald, wir haben dann ein Jahr lang Vorarbeit für das Konzept geleistet, die Initiative gegründet, die Räume gemietet und im Oktober 2010 eröffnet.
A: Sollte es eine Art soziales Projekt werden?
J: Sozial eher weniger. Wir haben viel mehr den Anspruch ökologisch und interkulturell zu sein. Die Nachfrage nach Individualität wächst und die Individualität kann nicht gekauft werden, sondern muss eben selbst gemacht werden.
A: Und wie finanziert ihr euch?
J: Wir haben unser Konzept auf 3 Förderungsfüße gestellt. Ein Mal gibt es die Finanzierung aus verschiedenen Fördergeldern, die läuft in der Regel ein Jahr, das letzte Jahr war es die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung. Zweitens haben wir eine Kampagne gestartet, die heißt „Werde Kabutzenträger!“. Wir wollen Einzelpersonen und Unternehmen anfragen, ob sie sich vorstellen könnten einen monatlichen Beitrag zu leisten. Denn wir haben reguläre Ausgaben, wie die Miete und die kriegen wir durch die Stiftungsförderung nicht finanziert. Und Drittens sind es die Gebühren für die Werkstattnutzung und der Gewinn aus den Wochenendworkshops, wobei da der größte Teil als Honorar an die Schneider weiter geleitet wird.
A: Habt ihr selbst auch eine entsprechende Ausbildung?
J: Wir bieten alle 14 Tage ein Workshop an und haben dabei einen Pool von zehn Schneiderinnen, die wir immer wieder anfragen. Wir wollen den Besuchern auch ein gewisses Niveau bieten, eine Schneiderin kennt auch alle Kniffe und Tricks. Wir sind nur Amateure, wollen in Zukunft aber mehr Workshops selbst durchführen. Wir arbeiten dabei ehrenamtlich, viele Menschen denken, wir sind irgendwelche Künstler, die damit ihr Geld verdienen. Das ist aber nicht so.
Ich schaue mich im Raum um, alle Nähmaschinen sind unterschiedlich, am Fenster steht sogar ein antikes Exemplar.
A: Woher habt ihr denn die Nähmaschinen?
J: Ein Paar haben wir gekauft und ein Paar gespendet bekommen, am Anfang hatten wir sogar noch Trettnähmaschinen, aber den meisten ist es schwer gefallen Hände und Füße miteinander zu koordinieren. Alte Maschinen sind natürlich stabiler, aber wir merken, dass mehr Interesse an den neuen Geräten vorhanden ist.
A: Woh nehmt ihr denn die Sachen zum Umnähen her?
J: Wir arbeiten sehr eng mit dem „Umsonst-Laden“ zusammen und bekommen oft alte Sachen einfach gespendet, die Leute bringen einfach so alte Kleider vorbei.
A: Wie viele Benutzer habt ihr pro Woche?
J: Die Werkstatt hat sich mittlerweile etabliert, es ist auch mehr Interesse entstanden, als am Anfang, wir haben hier zehn bis 15 Leute pro Woche zu den ganz normalen Werkstattzeiten, ich würde mir noch wünschen, dass mehr Leute in unsere Billardbutze kommen, die ist immer montags und soll auch ein Publikum ansprechen, das mit dem Nähen sonst nichts am Hut hat. Wir wollen uns in das Greifswalder Kulturleben integrieren, mehr Zusammenarbeit mit den anderen Initiativen wäre dabei von Vorteil.
A: Was würdest du dir sonst noch für die Zukunft wünschen?
J: Ich würde mich auf neue Leute freuen, die neue Ideen und frischen Wind mitbringen, denn wir wollen uns viele Möglichkeiten offen lassen.
A: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Werkstatt hat dienstags von 10 bis 13 Uhr, donnerstags von 16 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Jeden Montagabend wird ab 20 Uhr die Kabutze zur Billard-Butze und das Nähen tritt etwas in den Hintergrund. Das Workshopprogramm für den Frühling gibt es hier, außerdem wird es im neuen moritz-Magazin, welches in der nächste Woche wieder an den bekannten Orten ausliegen wird, mehr zur offenen Nähwerkstatt Kabutze geben.
Kabutze – offene Nähwerkstatt
Workshopprogramm für das Quartal II im Frühling 2012
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Freitag, 13.4. und Freitag, 20.4. jeweils 17 bis 20 Uhr
„Es werde Licht” LampenschirmWorkshop
15 Euro pro Tag
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Samstag, 28.4. von 10 bis 18 Uhr
“Entwerfe dein eigenes Stofftier!”
Puppen- und Stofftierworkshop
für Kinder ab 5 Jahre mit nähfreudiger erwachsener Begleitung
20 Euro pro Tag incl. Mittagessen
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Samstag, 5.5. und Sonntag, 6.5. jeweils von 10 bis 18 Uhr
“Das Stoffpuzzle”
Patchwork – Mehr als ein Flickwerk
25 Euro pro Tag incl. Mittagessen
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Samstag, 26.5. von 10 bis 18 Uhr
“Stoffdruckerei”
Baumwollstoff mit moderner und traditioneller Technik bedrucken
Bei der Anmeldung Stoffmuster mitbestimmen!
Online sind Entwürfe einsehbar.
30 Euro pro Tag incl. Mittagessen
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Samstag, 2.6. und Sonntag, 3.6. jeweils 10 bis 18 Uhr
„Ich steh auf’m Schlauch“
Workshop Spaß mit Fahrradmüll
20€ pro Tag incl. Mittagessen
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Samstag, 9.6. und Sonntag, 10.6. von 10 bis 18 Uhr
“Das sitzt sich gut an”
kompaktes Sitzkissen aus Tetrapak
upcyclingWorkshop
20 Euro pro Tag incl. Mittagessen
Mehr Infos gibt’s auf: www.kabutze-greifswald.de
Fotos: kabutze-greifswald.de
Liebe Anastasia,
erst einmal danke, dass sich jemand mal der Kabutze gewidmet hat! Ist ja auch ne super Sache und hab mich gefreut, etwas darüber zu lesen!
ich glaube, die Öffnungszeiten haben sich geändert. Dienstag und Donnerstag bleiben gleich, aber Montag ist neu mit 16-20 Uhr und danach ist dann die Billard-Butze. Und Sonntag fällt, glaube ich weg.
Zudem – schön informativ der Artikel äh..das Interview. Ja, genau, was ist es denn eigentlich?! Ist eiglt auch egal, aber dir fehlt ein Schluss. Du hast nen schönen langen Einleitungstext, aber dann kein schönen Schluss, was sehr schade ist. Das Interview purzelt so etwas aus dem nicht vorhandenen Rahmen.
All das sind nur Hinweise auf den Schreibstil und hat nichts damit zu tun, dass es generell supi ist, wenn jemand mal über die Kabutze berichtet. Danke dafür!
adieu
"Zudem – schön informativ der Artikel äh..das Interview. Ja, genau, was ist es denn eigentlich?!"
Dem Anfang und den Zwischeneinschüben zu urteilen wohl eher ein Portrait der Kabutze, das jedoch nicht den klassischen Regeln des Journalismus, sondern denen des "New Journalism" folgt. Anhand der Technik des New Journalism hat Jakob Augstein vor drei Jahren mal einen prominenten Vertreter interviewt/ portraitiert: http://www.freitag.de/alltag/0915-gay-talese-new-…
Ich finde, dass wir (web-) moritze uns auf diesem Feld auch mal ruhig ein bisschen mehr ausprobieren sollten, ohne dabei zu vergessen oder zu verlernen, wie Journalismus nach den Regeln des Pressekodexes auszusehen hat (denn mit denen brechen ja New- und Gonzo-Journalism). Insgesamt sehr schöner Text, wenngleich auch ich vermute, dass die Einleitung nachträglich angeklebt wurde. Da wäre es besser gewesen, oben einfach zu schreiben: "Ein Beitrag von Anastasia Statsenko" und die Einleitung wegzulassen. Letztlich geht der Rest, der in der Einleitung steht, sowieso aus dem Text hervor.
Liebster Herr Wagner,
durchaus is mir der Begriff des New Jorunalism bekannt und ich gehe doch auch vollkommen konform, dass man sich in journalistischer Hinsicht mehr ausprobieren sollte. Keine Scheu!
Es ist zum größten Teil ein Interview, was schöne Informationen über die Kabutze liefert. Dennoch widerspreche ich- und das ist nur meine Meinung- deiner Aussage "insgesamt sehr schöner Text".
Über die Informationen freue ich mich, empfinde den Text dadurch aber nicht als schön.
Allerdings bin ich dann umso mehr auf den Artikel im moritz-magazin gespannt, schön, dass dieser Hinweis noch mit aufgenommen wurde!
Laut eigener Homepage sind die Öffnungszeiten aber genau so, wie sie im Artikel stehen: http://www.kabutze-greifswald.de/index.php?option…
Aber es ist ja durchaus möglich, dass du über bessere Kontakte verfügst. 😉
Außerdem: Es gibt einen weiteren Grund zur Freude, denn im neuen Moritz-Magazin wird es einen umfangreicheren Beitrag über die Kabutze zu lesen geben. Genau diese Information habe ich auch soeben ergänzt.
Richtig. Laut Homepage. Aber die sind wirklich veraltet. Montag ist neu. Da hat die gute Anastasia einfach mal vergessen nochmal nachzufragen oder was auch immer. Kann jedem mal passieren. Wollte es ja auch nur anmerken! 🙂
ach und…der satz am anfang
"moritz-Redakteurin Anastasia Statsenko traf sich mit einer der Gründerinnen um mehr zu erfahren."
ist eher…ähm…semi-geil, wa.
der wurde bestimmt noch eingefügt oder redest du manchmal inner dritten person von dir? 😉
also, kontextmäßig passt der nicht ganz so gut, wie ich finde.
Schön, dass die Kabutze auf der Agenda des webMoritz auftaucht. Auf dem Fleischervorstadt-Blog erschien im Herbst 2010 ein Gespräch mit der Gruppe, das vor der Eröffnung geführt wurde. durch diese zeitliche Distanz kriegt man noch mal eine Vorstellung davon, mit welchen Zielen die Kabutzianerinnen damals angetreten sind: http://blog.17vier.de/2010/10/21/im-gesprach-mit-…
Um die Verwirrung mal aufzuklären.
Unsere Öffnungszeiten sind Dienstag 10-13Uhr und Donnerstag 16-20Uhr.
Vorher hatten wir auch Sonntag geöffnet, was jedoch in den Semesterferien wegfiel.
Wir hatten diskutiert den Sonntagstermin auf Montags zu verlegen, daher hat auch lebenscode die etwas voreilige Info. Aus Kapazitätsgründen bleibt es jedoch erstmal bei Dienstag und Donnerstag. Dafür gibt es dann aber einen regelmäßigen Strickabend, spontane Öffnungszeiten(via facebook) und themenbezogene Einzelnähactions!
Wer sich vorstellen könnte eine Öffnungszeit zu betreuen oder anderweitig mitzumachen ist übrigens gerne gesehen! –> info@kabutze-greifswald.de