Im Foyer der Universitätsbibliothek wurde gestern die Ausstellung „Wissen sammeln. Die Digitalisierten Schätze der Universität Greifswald“ eröffnet, in welcher ausgewählte Stücke aus den umfangreichen wissenschaftlichen Sammlungen der Universität präsentiert werden. Seit zwei Jahren läuft ein Projekt mit dem Ziel, jedes dieser Objekte zu digitalisieren, damit sie im Internet einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Seit gestern ist die Seite online und die ersten Sammlungsstücke können nun virtuell betrachtet werden.
Bis Ende März wird für den typischen Studierenden der Weg zu den Büchern durch viele Schautafeln und Vitrinen umgeben sein, welche womöglich eine willkommene Ablenkung von der eigentlichen Arbeit bieten könnten. Mehrere Gorillaschädel stehen an der Service-Theke und das Skelett eines Giraffenkalbes schaut bei seinen zweieinhalb Metern Körpergröße auf die Lernenden herab. Es gibt getrocknete Pflanzen in riesigen Herbarien, Kunst aus der Schwedenzeit und einige Schätze aus dem Rektorat zu erkunden.
Fünf Millionen Objekte in 17 Sammlungen
Das alles sind Leihgaben aus der Akademischen Kunstsammlung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, der Gustaf-Dalman-Sammlung der Theologischen Fakultät und der Vergleichend-Anatomischen Sammlung der Universitätsmedizin. Sie stehen stellvertretend für die 17 wissenschaftlichen Sammlungen, welche an verschiedenen Instituten dieser Universität untergebracht sind. Weit über fünf Millionen Einzelobjekte beherbergen die Universitätsmedizin, die Mathematisch-Naturwissenschaftliche, Philosophische und Theologische Fakultät sowie die Universitätskustodie in ihren Räumen.
Seit dem Frühjahr 2010 läuft ein von der Uni-Leitung unterstütztes Projekt zur Digitalisierung aller Universitätssammlungen. Langfristig soll dabei auf jedes Objekt frei zugegriffen werden können, der bisherige Einsatz von analogen Karteikästen wäre dann überflüssig. In Zusammenarbeit mit dem digiCULT-Verbund aus Kiel, welcher langjährige Erfahrung im Bereich der Digitalisierung und Archivierung von Kulturgütern vorweisen kann, ist ein Online-Portal entstanden, in welchem die ersten digitalisierten Sammlungsschätze der Universität erkundet werden können. Die Seite ist seit gestern online.
Digitale Sammlungen zur weltweiten Recherche
Im Portal können zum Start ungefähr 5.000 Objekte aus sieben Sammlungen betrachtet werden. Darunter befinden sich alte Wahrzeichen des Rektors wie eine goldene Amtskette, ein Zepter oder der zugehörige Ring aus dem 17. Jahrhundert. Aus der Anatomischen Sammlung gibt es näheres zu der eingangs erwähnten Giraffe aber auch viele andere Skelette, zum Beispiel das eines Australischen Ameisenigels, kann betrachtet werden. Die Gustaf-Dalman-Sammlung umfasst vielfältige Objekte, welche vom gleichnamigen Theologen vor einhundert Jahren auf einer Reise nach Palästina mitgebracht wurden. Um den damaligen Studenten das Heilige Land als Schauplatz der biblischen Geschichte näher zu bringen, brachte Dalman viele Pflanzen aber auch Kleidung und Alltagsgegenstände nach Greifswald. Die Archivierung ist sehr aufwändig, bis wirklich alle Objekte digital erfasst sind, könnte es noch Jahrzehnte dauern.
Wissenschaftler können die Datenbank als Ausgangspunkt zur Recherche für die Forschung benutzen. Aber die Seite soll auch dem Laien zur Erkundung offen stehen. Das digitale Bild samt der Metadaten zum Objekt wird als Hilfsmittel verstanden, zu jedem Eintrag ist der Hinweis zum Originalstandort gegeben. Der Mehrwert der digitalen Erfassung liegt laut Lütger Landwehr, Vorstandsvorsitzender der digiCULT-Gesellschaft, darin, dass die Objekte für ein großes Publikum weltweit frei zugänglich werden und mitunter die zeitaufwändige Arbeit am Original vermieden werden kann. Es sei Möglich, die vorhandenen Bestände intensiver auszuschöpfen.
Langfristig ist es seine Vision, vernetzte Datenbanksysteme zu schaffen, in denen der Zugriff auf Kulturgüter aus der ganzen Welt möglich ist. Das Europeana-Portal ist ein europäischer Ansatz von diesem Konzept, wo heute auf über 20 Millionen Objekte zugegriffen werden kann. Dorthin könnten beispielsweise auch die Greifswalder Daten weitergegeben werden.
Birgit Dahlenburg: „Sammlungen sind Aushängeschild unserer Universität“
„Wir haben den Grundstein für ein Digitales Schauhaus unserer Sammlungen geschaffen“, so Dr. Birgit Dahlenburg, die Kustodin der Universität Greifswald. Das Portal sei nun gestartet, in den kommenden Jahren sollen weitere Objekte hinzukommen. „Die Sammlungen sind ein Teil unserer Greifswalder Wissenschaftsgeschichte, wir wissen heute noch nicht, was es zukünftig noch für Möglichkeiten geben wird, mit ihnen zu arbeiten.“, erläuterte Dahlenburg die Bedeutung der Sammlungen. „Sie sind ein Aushängeschild unserer Universität“, fügte Sie hinzu.
„Das Sammeln steht am Anfang aller Weisheit“, sagte Prorektor Michael Herbst bei der Ausstellungseröffnung. Um Wissenschaft zu betreiben sei es unabdingbar, auf geordnete Sammlungen zurückgreifen zu können. „Wissen kann nur locken, wenn es aufbereitet und zugänglich gemacht wird.“, interpretierte er frei das Motto der Uni Greifswald. „Wissen sammeln gehört also mit dazu.“, ergänzte er.
Digitalisierung nur mit Hilfe anderer Hochschulen möglich
Die Umsetzung des Digitalisierungsprojektes war und ist nur durch eine enge Kooperation mit anderen Hochschulen möglich, da es in Greifswald keinen Studiengang der Museologie gibt, welcher die nötigen Fachkenntnisse mit sich bringt. Es wurden zwei Praktikumsstellen ausgeschrieben, auf die sich Ruth Wehning von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Steven Rogalski von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur aus Leipzig bewarben. Die beiden Studierenden der Museologie haben in den letzten sechs Monaten die digitale Erfassung der drei Sammlungen begonnen. Dabei wurden 724 Einzelobjekte fotografiert, vermessen und in das digitale Inventar eingepflegt. Auch die Ausstellung samt zugehörigem Katalog wurde von den beiden Studierenden konzipiert.
Ruth Wehning beschäftigte sich mit der Herbariensammlung von Gustaf Dalman. 22 dicke Mappen mit getrockneten Pflanzen gibt es, fünf Mappen hat sie geschafft zu digitalisieren. Besonders schwierig sei es gewesen, die verschiedenen Handschriften zu entziffern. Daran lässt sich gut der riesige Zeitaufwand erkennen, welcher für das Digitalisierungsprojekt nötig ist. Ruth ist mit ihrem Praktikum zufrieden. Der Masterstudentin gefiel, dass sie sehr frei in ihrer Arbeit waren.
Das Praktikum ist nun beendet, die nächsten Plätze werden im September angeboten. Die Ausstellung ist noch bis zum 28. März im Foyer der Universitätsbibliothek zu besichtigen und hat, wie die Bibliothek, in der Woche von 8 bis 0 Uhr und am Wochenende von 9 bis 0 Uhr geöffnet.
Fotos: „Studentin Ruth Wehning“ – Steven Rogalski (keine CC-Lizenz), alle anderen – Simon Voigt