Ein Kommentar zum Bericht „Konsumtempel am Bahnhof geplant“ von Eckhard Oberdörfer vom 14./ 15. Januar

Wo einstmals Kraftfahrzeuge der Deutschen Reichsbahn repariert wurden, soll – wenn der Plan eines Lüneburger Investors Wirklichkeit würde – künftig eifrig konsumiert werden können. Das berichtete die Ostsee-Zeitung am Wochenende. Demnach sollen in den Hallen am Bahnhof, in denen in der Vergangenheit unter anderem das GrIStuF (Greifswalds International Students-Festival) veranstaltet und die Vollversammlung der Studierendenschaft abgehalten wurde, eine „namhafte Drogeriekette“, eine Apotheke und mehrere Fachmärkte Einzug erhalten. Darüber hinaus habe ein Fitness-Center Interesse bekundet, einen Teil der Hallen zu nutzen. Das Center möchte vor allem, wie aus dem Bericht Eckhard Oberdörfers hervor geht, Studierende ansprechen. Ebenfalls untergebracht werden sollen ein „Vollsortimenter“, also ein Lebensmittelmarkt der das ganze Spektrum verfügbarer Lebensmittel abdecken soll und ein Tierfachgroßmarkt.

Zur Konkurrenz zur Innenstadt könne das neue Einkaufszentrum nicht werden, da es sich sich bei den potentiellen Ansiedelnden um Anbieter niedrigpreisiger Waren handele. Dass aber gerade diese eine große Gefahr für den Einzelhandel in der Innenstadt darstellen können, hat der in der Ostsee-Zeitung zitierte Jürgen Sallier der Ortsteilvertretung Innenstadt offensichtlich nicht bedacht. Es ist inzwischen zur Gewohnheit geworden, dass die Kunden in der Regel zu dem Anbieter gehen, der den niedrigsten Preis für die gleiche oder fast gleiche Ware bietet. Sollte sich in den Hallen beispielsweise ein niedrigpreisiger „Vollsortimenter“ ansiedeln, wie Lidl, ALDI oder Netto, könnte dieser womöglich dem „Nah und Frisch“ das Kundenpotential entziehen, oder aber diesen zum Drücken der Preise und einer damit verbundenen Kürzung der Löhne oder Entlassung von Mitarbeitenden zwingen. Gleiches gilt auch für das Tierfachgeschäft in der Rotgerberstraße. Wenn der Tierfachgroßmarkt seine Produkte zu niedrigeren Preisen anbietet, als der wenige Hundert Meter entfernte Tierfachhandel in der Rotgerberstraße, besteht die Gefahr, dass letztgenannter sein Geschäft schließen muss.

Eine zukunftsfähige Entwicklung der Hallen am Bahnhof ist begrüßenswert. Dass dieses jedoch darin besteht, ein neues Konsumparadies zu errichten, in dem die Einwohner der Stadt dank der „niedrigpreisigen“ Warenanbieter von einem Sonderangebot zum nächsten jagen können und gleichzeitig mit stolz geschwellter Brust sich hervor heben können, dass sie ja nur noch in den Hallen am Bahnhof einkaufen gehen, weil es in der Innenstadt so teuer ist, dürfte eindeutig der falsche Weg sein. Warum nicht den Ansatz nutzen, der bereits besteht? Polly Faber und GrIStuF haben bereits jetzt gezeigt, dass es auch Alternativen zur Nutzung der Hallen als Konsum- und Schnäppchenjagdtempel gibt: Die Nutzung der Hallen als Freiraum für Kunst, Kultur und Literatur.

Foto: Marco Wagner