Eine Gruppe antirechter Aktivisten hat gestern eine Vorlesung des Fachs Politikwissenschaft gestört, um einen an der Vorlesung teilnehmenden mutmaßlichen Rechtsextremen zu „enttarnen“. Die knapp 20 Aktivisten, die sich gegenüber dem webMoritz als „loser Zusammenschluss antifaschistischer Menschen“ bezeichneten, waren betont bunt verkleidet. Teilnehmer der Vorlesung berichteten dem webMoritz, die Aktivisten seien mitten in die Veranstaltung geplatzt, hätten Transparente gezeigt, Konfetti verstreut und ein Flugblatt veteilt, dessen Inhalt sie auch per Megaphon verlesen hätten.

Sie zeigten dabei auf einen bestimmten Teilnehmer der Vorlesung, den sie als mutmaßlichen Rechtsextremisten Marcus G. identifizierten. Sie warnten die Teilnehmer der Vorlesung vor dem Kommilitonen und wiesen darauf hin, dass er nach ihren Recherchen mehreren rechtsextremen Gruppen angehört habe und angehöre, in denen insbesondere Gewaltausübungen gegen Andersdenkende praktiziert worden seien. Der so Beschuldigte sei sitzengeblieben und vermummte sich zeitweise. Die Aktivisten filmten ihre Aktion, die Filmaufnahmen wurden jedoch bisher noch nicht veröffentlicht.

Insgesamt kommen die Aktivisten zu dem Schluss, dass G. ein überaus gefährlicher Neonazi-Kader sei, vor dem man sich in Acht nehmen müsse. Im Flugblatt, das dem webMoritz vorliegt, heißt es, er sei in der Berliner Kameradschaft „Tor“ aktiv gewesen, die vor einigen Jahren verboten worden sei. Diese sei immer wieder durch gewalttätige Übergriffe in Erscheinung getreten. Weiter heißt es, in Greifswald sei Marcus G. Hauptverantwortlicher für den Betrieb einer lokalen rechtsextremen Internetseite, auf der seit einiger Zeit regelmäßig rechtsextreme Texte und Aufrufe veröffentlicht werden. Der webMoritz kann die Vorwürfe nicht abschließend bewerten, da die im Internet verfügbaren Informationen zwar plausibel erscheinen, aber kaum überprüfbar sind. Zu dem Beschuldigten konnte (und wollte!) die Redaktion ebenfalls keinen Kontakt aufbauen.

Bereits im Frühjahr dieses Jahres hatten die örtliche Antifa und andere Gruppierungen dagegen protestiert und letztlich verhindert, dass Marcus G. an Vorbereitungstreffen des Bündnisses gegen den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai teilnahm. Die Teilnehmer der Vorlesung und auch der Dozent reagierten überaus verblüfft auf die Aktion, die insgesamt nur wenige Minuten dauerte. Wenngleich einige Besucher der Vorlesung gegenüber dem webMoritz anmerkten, dass die demonstrative Diffamierung des Kommilitonen eine kritische Angelegenheit sei, dürfte die Aktion ihre Wirkung vermutlich nicht verfehlt haben.

Foto: Andrea Dittmar via webMoritz-Archiv (Motivbild)

Hinweis der Redaktion: Da wir keine ausufernde Diskussion über die Person Marcus G. provozieren und moderieren wollen, ist die Kommentarfunktion unter diesem Artikel deaktiviert. Leserbriefe nehmen wir allerdings gern per E-Mail unter web@moritz-medien.de entgegen, auch (nicht-rechtsextreme) Trackbacks werden im Kommentarbereich erscheinen.

Hinweis der Redaktion: Der Artikeltext wurde am 2.11. um 14:31 Uhr korrigiert. In einer früheren Fassung waren die Angaben des Flugblatts über die Kameradschaft „Tor“ ungenau wiedergegeben worden

[Update]Marcus G. hatte sich mit einer Stellungnahme zu diesen Vorfällen an den webMoritz gewandt. Diese wurde in einem Artikel vom 9. November 2011 veröffentlicht.