Unter der Überschrift „Technik. Umwelt. Klima“ findet im Wintersemester im Alfried-Krupp-Kolleg eine Veranstaltungsreihe statt, die sich mit aktuellen Fragen und Forschungen zum Naturschutz beschäftigt. Einer der Väter dieses Projekts ist der Greifswalder Professor für Umweltethik, Konrad Ott. Seine Professur, die als Bestandteil des Studienganges „Landschaftsökologie und Naturschutz“ auch an das Philosophische Institut kooptiert ist, ist die einzige ihrer Art in Deutschland.

Als einer der Initiatoren der Vorlesungsreihe eröffnete Ott (52) die Reihe mit einem Vortrag, in dem er das „Greifswalder Konzept starker Nachhaltigkeit“ zum Naturschutz vorstellte. Die Leitlinien sind klar formuliert: Naturkapital soll erhalten und geschützt werden, Konsum muss mehr auf Nachhaltigkeit ausgelegt werden und die Gesellschaft insgesamt muss lernen, sparsamer mit ihren Ressourcen umzugehen. Vor allem die Frage „Was sollen wir den nächsten Generationen hinterlassen?“ treibt den Greifswalder Professor in der Weiterentwicklung dieses Konzepts voran. Sein Wunsch ist es, als Forscher eine „Fußnote zur Ideengeschichte“ zu liefern.

webMoritz traf Konrad Ott zum Interview.

Umweltethik: Was kann man sich darunter eigentlich genau vorstellen?

Die neue Vortragsreihe im Alfried-Krupp-Kolleg: Technik.Umwelt.Klima.

„Umweltethik ist ein Bereich der praktischen Philosophie, in dem es um Bewertungen von Natur, Begründungen von Umwelt, Tier- und Naturschutz, also grob um Werte und Normen der Mensch-Natur-Beziehung geht. Um Analyse, Kritik und Begründung.“

Wie kam es zur Entstehung dieser Professur? Warum gerade in Greifswald?

„Es war so, dass der ehemalige Institutsdirektor hier in der Botanik, Professor Michael Succow, einige Jahre nach der Wende nach Greifswald berufen wurde, um hier die Landschaftsökologie aufzubauen, die damals ein Teil der Biologie war. Er hatte den Gedanken eines interdisziplinären Studiums, „Landschaftsökologie und Naturschutz.“ Er warb drei Stiftungsprofessoren, die über den Bereich der traditionellen Landschaftsökologie hinausgingen an: Zum einen Landschaftsökonomik, das war Professor Ulrich Hampicke, den internationalen Naturschutz, Manfred Niekisch, und die Umweltethik, auf die ich 1997 berufen wurde. Der Gedanke von Michael Succow war, deutschlandweit etwas Einzigartiges, Einmaliges zu schaffen, nämlich die interdisziplinäre Studienrichtung „Landschaftsökologie und Naturschutz“, mit einem Fokus auf Naturschutzproblemen.“

Angeboten werden Umweltethik-Vorlesungen für Landschaftsökologie, Philosophie und Biologie, oder sind sie im Prinzip für jeden Studiengang offen?

„Der Kern der Aktivität bewegt sich hier im Studiengang Landschaftsökologie und Naturschutz. Es war aber Prof. Werner Stegmaier von der Philosophie, der mich gefragt hat, ob ich nicht an die Philosophische Fakultät, das Philosophische Institut kooptiert sein möchte. Das wollte ich damals sehr gerne, obwohl ich wusste, dass es viel Arbeit mit sich bringt. Ich bin also kooptiertes Mitglied der Philosophischen Fakultät und alle meine Veranstaltungen sind reguläre Veranstaltungen des Instituts für Philosophie. Das Institut hat damit eine Professur mehr oder weniger geschenkt bekommen, denn sie bekommen meine Lehrveranstaltungen und die Veranstaltungen meiner Mitarbeiter angeboten. Und ich freue mich, dass da eine gewisse Bereicherung an die Philosophie kommt.“

Wie sind sie von ihren Studienfächern Philosophie, Germanistik und Geschichte zur Umweltethik gekommen?

Die Einrichtung der Professur wurde durch die Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz gefördert.

„Ich habe Philosophie studiert, weil mich diese Disziplin wirklich sehr interessiert hat, gerade auch die Sprachphilosophie, die Geschichtsphilosophie, die allgemeine Ethik. Ich bin während meines Studiums immer ein bisschen zweigleisig gefahren als Mitglied einer sich herausbildenden grünen Partei in Hessen, wo wir versucht haben, eine neue Partei auf die Wege zu bringen, das war eher die politische Identität. Und dann das Bestreben, ordentlich Philosophie zu studieren und dann, das muss Ende der 80er Jahre während meiner Doktorarbeit gewesen sein, da habe ich dieses Feld Umweltethik eigentlich entdeckt und gesehen, dass ich diese beiden Stränge, also den stärker umweltpolitisch ausgerichteten und den stärker philosophisch ausgerichteten, in dieser Disziplin eigentlich ganz gut zusammenführen kann. Deswegen habe ich mich dann ab 1990 verstärkt auf dieses Gebiet geworfen und hatte als einer der Ersten damals in Deutschland auch diesen ganzen US-amerikanischen Diskurs aufgearbeitet, den es schon seit den 70er Jahren gab. Dann ergab es sich, wie es das Schicksal will, dass ausgerechnet ganz weit im Osten  solch eine Professur geschaffen wurde. Das hätte man sich so ja nicht träumen lassen. 1987, da gab es die DDR noch, die Mauer stand noch, und Umweltethik war etwas ganz ganz Neues in Deutschland.“

Woran forschen sie zurzeit?

„Also für einen Philosophen habe ich eine erstaunlich gute Drittmittelbilanz. Ich habe momentan eine Nachwuchsgruppe, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert, die beschäftigt sich mit Wasserressourcen und mit unternehmerischem Handeln im Wasserbereich. Ein weiteres Forschungsprojekt mache ich mit dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Da geht es um große Landaufkäufe in den Ländern des Südens. Ich habe gemeinsam mit den Kollegen hier aus dem Institut und der Universität Bozen ein Forschungsprojekt, wo wir die Konzeption starker Nachhaltigkeit tatsächlich einmal runterbrechen wollen auf einen Flusslauf. Das ist in China, an der Grenze zur inneren Mongolei. Das ist das Projekt, das mich zurzeit am meisten fasziniert und je öfter ich dort in dieser Gegend bin. Und es gibt noch ein paar andere, bodenständige Projekte zu Climate Engineering, etwa die Paludikultur und Moorschutz in Vorpommern.“

Warum so lange Greifswald? Einfach nur, weil Umweltethik hier so lange besteht und es das noch nicht irgendwo anders gibt?

„Als Privatperson lebe ich sehr gerne im Nordosten und ich könnte mir schwer vorstellen, wieder in diese dicht besiedelten Gegenden von West- oder Süddeutschland zurück zu gehen. Gerade wenn man ein Faible für Natur hat, das muss man als Umweltethiker ja irgendwo, dann lebt es sich hier eigentlich ganz gut. An diesem  Institut herrscht auch wirklich eine sehr kollegiale Atmosphäre, die ich auch sehr schätze und so über die Jahre hinweg haben sich mit vielen Kollegen dann auch Freundschaften ausgebildet, die ich ungern missen möchte. Ich bin auch sehr gerne unter Naturwissenschaftlern und nicht nur unter Philosophen.“

Der Hinterhof von dem Institut für Botanik Landschaftsökologie

Institut für Botanik und Landschaftsökologie

 

Sie sagen, sie forschen auch in Greifswald beziehungsweise in Vorpommern. Wie entwickelt sich unsere Region in Sachen Nachhaltigkeit?

„Die Region, würde ich sagen, entwickelt sich gar nicht so schlecht. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern drei Nationalparks, zwei Biosphärenreservate, zwei Vogelschutzgebiete und ungefähr 10% der Landesfläche sind FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, Anm. d. Redakteurin). Wenn ich mir andere Bundesländer angucke, kann man eigentlich mit der Ausstattung an Schutzgebieten gar nicht meckern. Wir haben, da habe ich auch ein bisschen für bzw. dagegen gekämpft, das Kohlekraftwerk in Lubmin verhindert. Greifswald könnte natürlich noch ein bisschen mehr Energiepolitik machen, aber wenn man den Zusammenhang Ökonomie – Ökologie und auch das Soziale sieht, ist, denke ich, Vorpommern auf  keinem so schlechten Wege. Und ich glaube auch, dass ökonomisch die schlimmsten Jahre hinter uns liegen. Es wird zwar nicht von heute auf morgen alles Gold, aber so ganz allmählich geht es hier durchaus auch ökonomisch aufwärts.“

Sie waren Mitglied im Umweltrat der Bundesregierung. Hat das auch einen Einfluss auf die Lehre hier in Greifswald gehabt?

„Es gibt nichts schöneres, als wenn man mal für acht Jahre wirklich hautnah an der richtigen Umweltpolitik sein kann und erlebt, wie sich Klimapolitik entwickelt, wie sich europäische Wasserpolitik entwickelt, über die Wasserrahmenrichtlinien, wie sich eine Biodiversitätsstrategie, eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Man kann selber dann immer sehen: Wo gibt es philosophisch-ethisch interessante Fragestellungen? Gerade diese wechselseitige Befruchtung von philosophischen Fragestellungen und eben politischen Entwicklungen. Ich glaube, das hat mich auch sehr geprägt und ich glaube, auch die Studenten konnten davon profitieren.“

Das Gespräch führte Andrea Dittmar.

Der nächste Vortrag der Reihe „Technik. Umwelt. Klima.“ findet am 15. November im Alfried-Krupp-Kolleg statt. Gastdozent ist der finnische Professor Janne Hukkinen. Er wird zum Thema „Mental models and sustainability: Computational and embodied cognition perspectives on socio-ecological systems“ sprechen.

Weiterführende Links:

Bilder: Artikelbild(Porträt) und Programm „Umwelt.Technik.Klima.“ – Alfried-Krupp-Kolleg (keine CC-Lizenz); Logo-Michael-Otto-Stiftung – Michael-Otto-Stiftung (keine CC-Lizenz), Botanik – Simon Voigt