Zwei Parteien hatten am Wahlsonntag Grund zum Feiern: SPD und Grüne. Während die Sozialdemokraten ihr Ergebnis im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl noch mal erheblich steigern konnten, zogen die Grünen erstmals in den Schweriner Landtag ein. Ulf Dembski, Landratskandidat der SPD, bewertet das Landtagswahlergebnis als „hervorragend.“ Mit 35,7 Prozent konnten die SPD 5,5 Prozentpunkte mehr holen, als bei der vergangenen Wahl. Besonders erfreut war der Greifswalder darüber, dass Sellering seinen Wahlkreis Greifswald „mit großem Abstand zum anderen Kandidaten“, gemeint ist Egbert Liskow, gewann. Sellering erreichte nach letztem Informationsstand (4. September 21 Uhr) rund 41 Prozent der Stimmen, Egbert Liskow kam auf lediglich rund 23 Prozent. Der Wiedereinzug der NPD in den Landtag, sowie der erstmalige Einzug der rechtsextremen Partei in den neuen Kreistag ist aus Dembskis Sicht jedoch ein Wehmutstropfen an diesem Abend. Mit sechs Prozent zog die Partei erneut in den Landtag ein. Sie musste somit geringfügige Stimmenverluste in Höhe von fast einem Prozent hinnehmen. Die NPD ist somit zum zweiten Mal in Folge im Schweriner Landtag vertreten. Im neuen südvorpommerschen Kreistag sieht das Ergebnis noch düsterer aus: 9 Prozent der Wähler im künftigen Landkreis stimmten Hochrechnungen und ersten Auszählungen zufolge für die NPD. Alleine im Wahlkreis Ostvorpommern konnten die Rechtsextremisten 11 Prozent der Stimmen erringen und im Wahlkreis Uecker-Randow 12 Prozent der Stimmen erlangen. Stellenweise konnten die Nationalisten ihr Stimmenergebnis steigern. In Greifswald blieb sie relativ konstant bei 4,6 Prozent.
CDU stärkste Kraft im neuen Kreistag
Im neuen Kreistag werden künftig voraussichtlich zehn Parteien und Gruppen vertreten sein. „Es wird da natürlich schwierig sein, Mehreheiten zu finden“, so Ulf Dembski weiter. Deshalb werde es vermutlich Absprachen geben. Die drei stärksten Parteien sind hier ersten Hochrechnungen und Auszählungen zufolge die CDU (28,3%), SPD (19,7%) und die Linke (18,7%). Ebenfalls mit einem Sitz vertreten sein werden die Piraten. Werden sämtliche Wahlergebnisse der Kreistagswahlen zusammen gefasst, ergibt sich für die CDU (29%) und Die Linke. (19,2%) und FDP (4,3%) ein deutlich besseres Wahlergebnis, für SPD (29%) und NPD (5,4%) ein deutlich schlechteres Wahlergebnis, als sie bei den Landtagswahlen erreichten. Insbesondere die CDU und FDP mussten bei den Landtagswahlen eine herbe Niederlage einstecken.
Der große Sturz der Greifswalder CDU
Konsterniert starren aus diesem Grund die Greifswalder CDU-Politiker am Abend im Alten Fritz auf die Leinwände: Franz Küntzel, Egbert Liskow, sein Sohn, Franz-Robert Liskow und Christian Weller. Das Entsetzen steht den Konservativen ins Gesicht geschrieben: 23,2 Prozent für die CDU. Sechs Prozent weniger, als noch vor fünf Jahren. Wer an diesem Abend zur Wahlparty der CDU ging, kam bei einer Trauerfeier an. Im Gespräch mit dem webMoritz sagte Liskow, dass die CDU in Greifswald dem Landestrend folge. „Die Wähler haben sich am Ende für den sympathischeren Landidaten entschieden“, merkt der Konservative an, während er in rasender Geschwindigkeit sich seinen Trauer und die Enttäuschung von der Seele zu reden scheint. Gerade bei der umstrittenen Kreisgebietsreform sei die SPD „der Spiritus Rektor“ gewesen. Diese Tatsache hätten die Wähler bei der Stimmenabgabe nicht bedacht, so Liskow sinngemäß weiter. Liskow stellte sich im Streit um die Kreisgebietsreform uneingeschränkt und kompromisslos hinter die Kreisfreiheit der Universitäts- und Hansestadt und machte sich aufgrund des häufig polemisch geführten Kampfes auch innerhalb seiner Partei damit nicht viele Freunde.
Ein weiterer Grund für die Wahlniederlage der CDU und für sein schlechtes Wahlergebnis dürfte zudem die Involviertheit Liskows im Skandal um das Technische Rathaus gewesen sein. In einem Gespräch mit dem webMoritz räumte der Konservative ein, dass die Verstrickung seiner Person in diesen Fall sicherlich einige Prozentpunkte gekostet habe. Ungeachtet dessen sieht er in diesem Fall vor allem die Medien in der Verschuldung, die ihm einen Großteil der Verantwortung im Bauskandal ums Technische Rathaus zuschreiben, was Liskow selbst anders sieht. Der Sieg der 12 Direktmandate für die CDU führte zudem dazu, dass die Galionsfigur der Greifswalder Konservativen voraussichtlich nicht mehr im Landtag sitzen wird.
FDP gefasst auf Wahlniederlage
Doch nicht nur die CDU sind Verlierer dieses Sonntags. Die FDP hat ebenfalls hohe Stimmenverluste einbüßen müssen. Sie verfehlte mit 2,8 Prozent der Stimmen weit den Wiedereinzug in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag. Dennoch wirken die Liberalen deutlich gefasster und wirken nicht ansatzweise so geknickt, wie die Konservativen. Für die Stimmenverluste bei der FDP wollte Andre Bleckmann, Spitzenkandidat der FDP für den Greifswalder Kreistag, keine „kausalen Erklärungen abgeben.“ Vor allem hätten der FDP der allgemeine Vertrauensverlust der Bürger durch die Bundespolitik der FDP auch bei den Landtagswahlen Schaden zugefügt. Zudem wirkte der Landesverband zunächst nach außen hin nicht geschlossen. Als ich ihn fragte, wieso man trotzdem in vergleichsweise ausgelassener Runde sitzen könne, schließlich kam ich gerade von der Trauerfeier der CDU, meinte Bleckmann nur: „Wir sind keine Partei für Nervenschwache.“ Es gehe mit der FDP immer wieder rauf und runter. Da lerne man mit der Zeit, mit solchen Situationen umzugehen. Alexander Schmidt, Greifswalder Studierendenparlaments-Abgeordneter der Liberalen Hochschulgruppe sieht das Hauptproblem für die „große Niederlage“ der FDP darin, dass der Wahlkampf „nicht zuspitzend geführt“ wurde. „Man hätte stärker bundespolitische Themen einbringen können, beispielsweise die Eurobonds“, erklärt der Liberale weiter. Zudem sei die Landtagsfraktion mit ihren Zielen gegenüber der Regierung „zu wenig durchgekommen.“
Mignon Schwenke durch Zweitstimmenergebnis im Landtag
Die in den vergangenen Wochen ebenfalls aufgrund zum Teil sehr kontroverser parteiinterner Streitigkeiten arg gebeutelte Linke, zeigte sich zufrieden mit ihrem Wahlergebnis. „Es ist so, wie ich es erwartet hatte“, kommentierte Mignon Schwenke, Spitzenkandidatin für den Greifswalder Wahlkreis gegenüber dem webMoritz. Die Partei konnte im Vergleich zur vergangenen Wahl noch um 1,6 Prozentpunkte zulegen. Zwar konnte Schwenke, genau so wenig wie Liskow, in ihrem Wahlkreis gewinnen, dennoch zog sie in den Landtag ein, was im Poro entsprechend gewürdigt wurde. Dennoch merkte Schwenke gegenüber dem webMoritz an, dass „die Ausgangslage“ im Wahlkampf für den Landesverband „nicht sehr gut“ gewesen sei. „Es gab in der Vergangenheit einige Turbulenzen“, spielte Schwenke auf den jüngsten parteiinternen Streit bezüglich der Be- und/oder Verurteilung des Mauerbaus sowie auf die umstrittenen Geburtstagsgrüße der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an den ehemaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro an. Einer möglichen Koalition mit der SPD zeigte sich die Linkspolitikerin aufgeschlossen. „Es wäre eine neue Herausforderung, allerdings auch kein Weltuntergang, wenn es keine Rot-Rote Koalition geben würde“, so Schwenke abschließend gegenüber dem webMoritz. Schwerpunkte ihrer Arbeit im Landtag liegen bei der Bildungspolitik und der Förderung der erneuerbaren Energien setzen.
Grünen sind die größten Sieger am Abend
Stefan Fassbinder ist ebenfalls sehr zufrieden mit dem Landtagswahlergebnis, „abgesehen vom Wiedereinzug der NPD.“ Mit insgesamt 8,4% der Stimmen ist die Partei erstmals in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag eingezogen. „Auch Ulrike Berger hat ein tolles Ergebnis als Direktkandidatin erhalten“, so Fassbinder weiter. Sie holte aus dem Stand 12 Prozent der Stimmen. In Anbetracht der Wahlergebnisse geht der Grüne davon aus, dass seine Partei in künftig die Rolle der Opposition einnehmen werde. Im neuen Landesparlament werde die Partei ihre Schwerpunkte auf Bildungs- und Energiepolitik sowie die Massentierhaltung setzen. Erwartungsgemäß ausgelassen war angesichts des Wahlergebnisses die Stimmung in der Brasserie Hermann, wo die Grünen ihre Wahlparty feierten. Auf einer Leinwand im gut gefüllten roten Salon wurden die neuesten Hochrechnungen und Wahlanalysen angezeigt, vor der Brasserie wurde sich überwiegend mit anderen politisch Interessierten in guter Laune über die bevorstehenden fünf Politik-Jahre unterhalten.
Fotos: Büttner/ wikipedia.de (Landtag MV), Simon Voigt (Ulf Dembski, Udo Pastörs), Gabriel Kords (Egbert Liskow).
Ergänzung der Redaktion: Die Wahlergebnisse spiegeln lediglich das vorläufige Endergebnis wieder. Da Rügen I erst am 18. September wählt, kann es noch zu Verschiebungen bei der Sitzverteilung kommen. Der webMoritz wird darüber berichten.
2. Ergänzung: Über Nacht gab es teilweise bei den hier erwähnten Wahlkreisen noch geringfügige Veränderungen, die sich jedoch nicht auf das Landesergebnis auswirken. Mit der Wahlbeteiligung, die mit rund 50 Prozent einen historischen Tiefstand erreichte, wird sich in einem gesonderten Artikel zeitnah auseinander gesetzt.
Großer Kritikpunkt für mich am Artikel: die desaströse Wahlbeteiligung wird mit keinem Wort erwähnt. 51% Wahlbeteiligung ist eine Blamage für alle Parteien durch die Bank weg(außer vielleicht für die Grünen, da diese tatsächlich mehr Wähler überzeugen konnten). Wenn man diese Wahlbeteiligung zugrundelegt, ergeben sich auch andere Ergebnisse, beispielsweise dass die SPD bislang im Vergleich zu 2006 ca. 5000Stimmen verloren hat(ich gehe davon aus, daß sich das mit dem letzten Wahlkreis ausgleichen wird). Daran gemessen hat auch Die Linke fast 20000Stimmen verloren. Wahlberechtigte halte ich ehrlich gesagt für wichtiger als abstrakte Prozentpunkte. Für die Politik des Landes werden letztere natürlich einzig und allein von Bedeutung sein, weswegen den Nichtwählern gesagt sei: Gar nicht wählen ist auch keine Lösung!
Das wir in diesem Artikel noch nicht auf die Wahlbeteiligung eingegangen sind, liegt daran, dass zeitnah (also morgen) noch ein separater Artikel dazu kommen wird, in dem wir uns mit der Wählerbewegung befassen werden und ggf. durch einen Kommentar ergänzen werden.
Das wollen wir mal hoffen, das Liskow nicht mehr in Schwerin weiter machen darf. Ich hatte hier ja bereits voraus gesagt, dass sich die CDU mit ihm keinen Gefallen tut. Liskow wurde als Schwindler enttarnt, davon gibt es leider viel zu viele in der Politik. Einer weniger ist immer gut.
Die Greifswalder CDU scheint sich übrigens noch in Schockstarre zu befinden. Kein Wort über die vergeigten Wahlen auf ihrer Homepage.
Interessant auch ,dass auf Wikipedia nach der Wahl die Biographie von FDP Mann Leonhard geschönt wurde. Über seine Ablösung durch den Gemeinderat wegen halbwegs krimineller Geschäfte steht da mit einem mal nichts mehr.So kann man auch Wähler manipulieren.
Zwei inhaltliche Ergänzungen:
* Der neue Kreis heißt "Vorpommern-Greifswald". Während dies von 93,7% der Greifswalder Wählern gewünscht wird, sieht die Entscheidung im gesamten Kreis nicht ganz so eindeutig aus: Insgesamt sind 63,3 Prozent für diesen Namen, 36,7 hätten "Ostsee-Haffkreis Vorpommern" vorgezogen.
* Barbara Syrbe (Linke) und Uta Maria Kuder (CDU) gehen am 18. September in die Stichwahl ums Landratsamt. Syrbe erhielt insgesamt 37,1 Prozent und Kuder 34,6. In Greifswald hat hingegen Frau Kuder mehr Stimmen als Frau Syrbe bekommen.
"Mit insgesamt 8,4% der Stimmen ist die Partei erstmals in den Mecklenburg-Vorpommerschen Kreistag eingezogen." <– Findet den Fehler! 😉
Danke für den Hinweis. Ich habe es korrigiert.
Immer wieder gerne! 😉
Zwei Anmerkungen:
1. Die NPD ist nicht zum dritten Mal, sondern zum zweiten Mal in Folge im Landtag M-V vertreten. Macht es nicht besser, sollte aber der Richtigkeit halber erwähnt und korrigiert werden.
2. Was bitteschön ist eine Galleonsfigur? Ich nehme an, es ist die Galionsfigur gemeint, oder?
Ja, auch das wurde korrigiert. Danke für den Hinweis, wäre ja noch schlimmer, wäre dies schon die dritte Legislatur.
Wenn die "demokratischen" Parteien so weiter machen, wird das zum Dauerphänomen.
Nichtwählerquote und NPD-Stimmenanteile mal in zwei Karten für Greifswald visualisiert: http://blog.17vier.de/2011/09/08/der-wahlmarathon…