Der Kampf um den Erhalt der Greifswalder Lehramtsstudiengänge war hart: Es wurde demonstriert, gemahnt und hinter verschlossenen Türen fanden lange und zähe Verhandlungen zwischen der Landesregierung, den Studierenden und der Universitätsleitung statt. Zuletzt wurde in der Zielvereinbarung verankert, dass die Studierendenzahlen für das Lehramt von bislang 2.500 Studierenden bis zum Jahre 2015 schrittweise auf 1.500 Studierende reduziert werden sollen. Doch nun übt die Landesregierung erneut stärker als bisher in dieser Frage Druck auf die Universität Greifswald aus. Die Beschränkung soll nun nicht mehr bis 2015 erfolgen, sondern mit sofortiger Wirkung zum kommenden Wintersemester, wie es das Bildungsministerium der Universität mitteilte. Das  bedeutet, dass in Greifswald ab kommendem Semester lediglich 150 Studierende jährlich in Lehramtsstudiengänge immatrikuliert werden dürfen. Das sind etwa 100 Studienplätze weniger, als in der Zielvereinbarung zwischen Universität und Land vereinbart wurde.

Uni fühlt sich übergangen

Rektor Professor Rainer Westermann

Uni-Rektor Professor Rainer Westermann.

Die Universität Greifswald fühlt sich in dieser Frage von der Landesregierung vor den Kopf gestoßen, schließlich habe die Landesregierung diese Entscheidung getroffen, ohne vorher die Universität in dieser Frage anzuhören. „Eine derartige Praxis zerstört die Grundlage vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und den Hochschulen“, erklärte Professor Jürgen Kohler dazu in der Senatssitzung am Mittwochnachmittag. Universitätsrektor Professor Rainer Westermann warf zudem die Frage auf, ob rechtliche Schritte gegen die Landesregierung erwogen werden können, schließlich sehe er in einer derartigen Praxis das Grundrecht der Hochschulautonomie verletzt.

Als problematisch sehe man vor allem an, dass es in den vergangenen Jahren weniger Bewerber für ein Studium des Lehramtes an Regionalen Schulen, als für das Lehramt an Gymnasien gegeben habe. Die Kapazitäten, die im Lehramt an Gymnasien gestrichen wurden, seien zum überwiegenden Teil auf das Lehramt an Regionalen Schulen übertragen worden. Westermann befürchtet, dass sich weiterhin mehr Studierende für das Lehramt an Gymnasien bewerben werden, als für das Lehramt an Regionalen Schulen. Das hätte zur Folge, dass für das Lehramt an Regionalen Schulen Kapazitäten nicht voll ausgeschöpft würden. Somit würde Bewerbern, die sich in Greifswald für das Lehramt an Gymnasien bewerben, allerdings anschließend keinen Studienplatz erhalten, das Tor zur Klage gegen die Universität geöffnet werden.

Rosenstock fordert Sammelklage der Studierenden gegen Land

Professor Roland Rosenstock, Direktor des Instituts für Bildungswissenschaften, schlägt eine Sammelklage der Studierenden gegen die Landesregierung vor. Ferner erklärte er der Ostsee-Zeitung, dass eine Reduzierung in den sehr stark nachgefragten Fächern Deutsch, Englisch und Geschichte auch Folgen für die Nischenfächer Geographie, Kunst oder Schwedisch habe, schließlich würde dadurch die Kombinationsmöglichkeit eingeschränkt.

Darüber hinaus kritisierte der Senat die Entscheidung der Landesregierung hinsichtlich der Freiheit der Berufswahl, die durch diesen Beschluss eingeschränkt würde. Die Senatsvorsitzende Professorin Maria Theresia Schafmeister reichte aus diesem Grund einen Antrag ein, wonach der Senat die „strikte Reduzierung der Zulassungszahlen für Lehramtsstudiengänge“ entschieden „missbilligt“. Ferner werde darin ein „Bruch der im Januar unterzeichneten und vom Landtag beschlossenen Zielvereinbarungen“ gesehen. Eine derartige Praxis zerstöre die Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Hochschulen des Landes. Verknüpft wird der Antrag mit der Forderung, die Rechtsverordnung zurück zu nehmen und die Kapazitäten im Sinne der Zielvereinbarung zu berechnen. Darüber hinaus soll das Rektorat prüfen, inwiefern rechtliche Schritte eingeleitet werden können. Der Antrag wurde vom Senat einstimmig angenommen.

Bildungsministerium verteidigt Kürzung

Das Bildungsministerium verteidigt seine Entscheidung. Wie Johanna Hermann, Sprecherin des Bildungsministeriums, dem webMoritz mitteilt, sei dieser Schritt notwendig, um die Zielvereinbarungen bis 2015 einhalten zu können.  „Das Land sieht sich in seiner bildungsplanerischen Gesamtverantwortung entsprechend der Lehrerbedarfsprognose und des neuen Lehrerbildungsgesetzes zu dieser Maßnahme veranlasst“, heißt es im Folgenden in der Stellungnahme. Dass für Greifswald hinsichtlich der Kapazitäten eine Obergrenze gesetzt wurde, für Rostock jedoch nur eine Untergrenze, bedeute nicht, dass das Lehramtsstudium in Greifswald ab 2015 erneut in Frage gestellt würde. „Es geht hier nicht um abwickeln, sondern darum, die Ausbildung an den Bedarf des Landes zu orientieren“, erklärte Hermann dem webMoritz.

Landtagsabgeordneter Mathias Brodkorb (SPD) verteidigt die Entscheidung des Landes.

Da das Land nicht mehr so viele Gymnasiallehrer ausbilden muss, sieht es diesen Schritt für erforderlich an. „Dass das für eine Uni schmerzhaft ist, ist nachvollziehbar. An erster Stelle steht jedoch die Sicherung des Bildungsauftrages“, erläuterte Hermann weiter. Ferner werde mit der Reduzierung die Erwartung verbunden, dass sich im Lehramt an Haupt- und Realschulen, künftig Regionalen Schulen, eine verstärkte Studiennachfrage ergibt.“ Ferner sei geplant, dass das Bildungsministerium zusammen mit den Universitäten Greifswald und Rostock Anstrengungen im Bereich Hochschulmarketing unternehme, um „zielgruppenspezifisch mehr Studierende des mittleren Lehramtes zu gewinnen.“

Mathias Brodkorb, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, stellt sich hinter die Entscheidung seiner Regierung. Gegenüber der Ostsee-Zeitung teilte er mit, dass es unverantwortlich sei, weiter so viele Studierende für Deutsch, Englisch und Geschichte zuzulassen. „Diese haben in unserem Land kaum Chancen auf ein Referendariat oder einen Arbeitsplatz“, erklärte Brodkorb. Angesichts der Tatsache, dass nach abgeschlossenem Lehramtsstudium zahlreiche Absolventen auch das Land verlassen und in anderen Ländern ihr Referendariat aufnehmen, erläuterte Hermann, dass man nie genau vorher sagen könne, wie sich das Bewerbungsverhalten heraus stelle. Dennoch gebe es Faustregeln, die man auch für die erfolgte Lehrerbedarfsplanung zugrunde gelegt haben dürfte.

Fotos: megafutzi/ jugendfotos.de (Schulklasse), Carsten Schönebeck (Rainer Westermann)/ webMoritz-Archiv, Christine Fratzke (Mathias Brodkorb)/ webMoritz-Archiv