Oliver Wunder (28) wohnt im fünften Stock eines Plattenbaus. Er studiert Geographie, Politikwissenschaft und BWL. Seit sechs Jahren schreibt er regelmäßig in seinem Blog. Ansonsten zeltet er schwarz und frittiert leidenschaftlich.

Lächelnd grüßen oder den Blick weg ducken und so tun, als hätte ich sie nicht gesehen? – die Entscheidung muss in Sekunden gefällt werden. Ex-Freundinalarm! Eine fast alltägliche Situation in Greifswald.

In anderen Städten kann man sich aus dem Weg gehen, in Greifswald ist das unmöglich, außer man setzt nie wieder einen Schritt vor die Haustür. Dafür ist das Leben hier zu zentriert. Alle wichtigen Einrichtungen liegen innerhalb eines 15 Minuten Radius. An den Hotspots Europakreuzung, Mensa, Hafen und Studenten-Clubs ist die Gefahr einer zufälligen Begegnung besonders groß. Da man seine Exen an Orten kennengelernt hat, an denen man sich selber häufig aufhält, ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Wiedersehens an diesen Orten hoch.

Hat man in den Jahren des Studiums nicht durchgehend nur eine feste Freundin oder verweigert sich komplett dem Zwischenmenschlichen oder wildert ausschließlich in anderen Städten, kann da schnell ein Heer an Verflossenen in Greifswald heranwachsen. Es müssen nicht mal nur Ex-Freundinnen sein. Unter den Begriff fasse ich hier auch Bekanntschaften wie Knutschaktionen, One-Night-Stands und angegrabene Frauen zusammen. Jetzt kann es kompliziert werden. Selbst wenn es pro Studienjahr nur drei Exen sind, steigt die Zahl kurz vor dem abgeschlossenen Bachelor auf 12 mögliche Exen an.

Fuck You!

Ex-Freundin zeigt die kalte Schulter.

Es ist schwierig, sich mit allen Menschen im Guten zu trennen. Aber auch wenn alles Zwischenmenschliche geklärt und in Ordnung ist, birgt ein zufälliges Zusammentreffen Sprengstoff und kann unangenehm sein. Beobachtet sie mich und guckt eifersüchtig, mit wem ich hier bin oder ist sie mit einem neuen Kerl da? Sofort vergleiche ich mich mit ihm und schneide natürlich viel besser ab als er. So arrogant muss man in solchen Situationen sein, um nicht unterzugehen. Gerade dann, wenn es erst seit Kurzem aus ist. Dennoch bleiben Selbstzweifel.

Was sind die Konsequenzen der ständigen Bedrohung des persönlichen Wohlbefindens durch Exen? Bestimmte Orte meiden, sich auf Nichts mehr einlassen oder einfach durchgehend eine Beziehung haben und somit keine Ex zu erschaffen? Ich habe noch keine Lösung dafür gefunden, sehe es aber auch nur als temporäres Problem an.

Man kann diesen Situationen nicht wirklich aus dem Weg gehen. Mit jeder Begegnung wird es aber normaler und entspannter zwischen den Exen und mir. Ich entscheide mich für das Grüßen, ignoriert hab ich sie schon oft genug. Sie startet den Versuch einer kurzen Konversation. „Hi, wie geht es dir?“ Gut. Danke. Tschüss. Belanglos und nicht schlimm. Manchmal hat man sich nicht mehr viel zu sagen. Muss ja auch nicht sein. Bis wir uns dann erneut zufällig wiedersehen.

Foto: Gabriel Kords (Porträt), „Inga S.“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc), Jakob Pallus (Grafik)

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Oleg Maximov.