In Schwerin wird das neue Lehrerbildungsgesetz diskutiert

Seit einigen Wochen wird im Schweriner Bildungsministerium und im Landtag ein Gesetzesentwurf diskutiert, der für künftige Generationen von Lehramtsstudierenden richtungsweisend sein wird. Die Rede ist von dem Entwurf des neuen Lehrerbildungsgesetzes. Demzufolge wird der Abschluss des ersten Staatsexamens auch für künftige Lehramtsstudierenden gelten. Für Greifswald wird sich in den kommenden Jahren jedoch einiges ändern. Bisher war es den beiden Universitäten in Rostock und Greifswald freigestellt, wie sie ihr Lehramtsstudium organisieren.

Rostock führte modularisierte Studiengänge ein, Greifswald behielt das alte Modell ohne Modularisierung bei. Anstatt einer Prüfung und Hausarbeit pro Semester mussten Greifswalder Lehramtsstudierende bislang am Ende ihres Grundstudiums eine Zwischenprüfung in ihren jeweiligen Fächern ablegen. Das könnte sich in Folge der Umstellung auf modularisierte Studiengänge ändern. Demnach ist es den Universitäten freigestellt, ob mehrere Modulprüfungen zum Ende des vierten Semesters zu einer Zwischenprüfung zusammengefasst werden, oder das Studium ganz nach dem Vorbild der Bachelor- und Masterstudiengänge umgestaltet wird.

Höhere Regelstudienzeit – kürzeres Referendariat

Insgesamt wird die Regelstudienzeit für das Lehramt an Regionalen Schulen sowie für das Lehramt für Gymnasien von neun auf zehn Semester erhöht. Bei dem zehnten Semester soll es sich angeblich um ein Praxissemester handeln. So teilt es zumindest Mathias Brodkorb, bildungspolitischer Sprecher der SPD, in einer Pressemitteilung mit. Im Gesetzesentwurf ist hingegen nicht verankert, dass es sich bei dem zehnten Semester um ein Praxissemester handele. Eine weitere wesentliche Veränderung ist die Verkürzung der Zeit des Vorbereitungsdienstes von vier auf drei Semester.

Professor Dr. Franz Prüß findet mehr Kritik als Lob am neuen Lehrerbildungsgesetz.

Darüber hinaus geht aus dem Gesetzesentwurf hervor, dass die fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Anteile im Studium für das Lehramt an Regionalen Schulen 30 Prozent des gesamten Lehrpensums ausmachen soll. Nach Informationen des webMoritz betrug der bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Lehranteil bislang 25 Prozent des Gesamtlehrpensums. Für das Lehramt an Gymnasien ist eine Kürzung der fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Anteile im Studium um rund drei Prozent vorgesehen. Künftig sollen 20 Prozent des Gesamtlehrpensums für Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften vorgesehen sein.

Dem webMoritz liegt eine Stellungnahme vor, die der Greifswalder Pädagogik-Professor Franz Prüß für die Sitzung des Landesschulbeirates verfasste. In dieser kritisiert er weite Teile des Gesetzes. So unter anderem die Reduzierung der fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Anteile für Studierende des Gymnasiallehramtes. Prüß hebt hervor, dass künftig 30 bis 40 Prozent der Schüler Mecklenburg-Vorpommerns zum Abitur geführt werden sollen. Deshalb müsse „der Ausbildung der Ausbilder dieser Schülergruppe mindestens die gleiche Aufmerksamkeit wie allen anderen gewidmet werden“, regt Prüß als Verbesserung des Gesetzesentwurfs an.

Weniger pädagogische Praktika

Bislang waren im Lehramtsstudium insgesamt drei pädagogische Praktika vorgesehen: Ein allgemeinpädagogisches, ein Orientierungspraktikum einer Schulart, die der Studierende nicht studiert, sowie ein Hauptpraktikum an einer Bildungseinrichtung der Schulart, die der Studierende studiert. Das Orientierungspraktikum ist dabei ein reines Hospitationspraktikum, während die Studierenden im Hauptpraktikum drei von vier Wochen in der Schule unterrichten mussten.

Künftig sind nur zwei Praktika im pädagogischen Bereich angedacht: ein allgemeinpädagogisches Praktikum und ein Fachpraktikum. Ob das zweite pädagogische Praktikum ein reines Hospitationspraktikum oder eine Mischung aus Hospitations- und Unterrichtspraktikum sein soll, geht aus dem Gesetzesentwurf nicht hervor. Darüber hinaus erzeugt die Kürzung der Anzahl der Praktika einen Widerspruch innerhalb des Gesetzes, legt doch Paragraph 4 des Entwurfes fest, dass „die Erhöhung schulpraktischer Anteile der Stärkung des Berufsfeldbezugs und der Verzahnung des Aufbaus von Lehrinhaltswissen mit dem Aufbau schulpraktischen Könnens“ diene.

Stattdessen wird die Dauer der Fachpraktika deutlich erhöht. Mussten bislang insgesamt acht Wochen Fachpraktika in den studierten Fächern absolviert werden, werden künftig zwölf Wochen zu absolvieren sein, wodurch es im praktischen Bereich zur Erhöhung des fachwissenschaftlichen Studienanteils zuungunsten der Verringerung des pädagogischen Anteils kommen wird. Dieser Missstand könnte nur dann beseitigt werden, wenn „Pädagogik“ als eigenes studiertes Fach bewertet wird. Ob Pädagogik als selbstständiges Fach, oder lediglich als studienbegleiteter Fachbereich bewertet wird, geht aus dem Gesetzesentwurf des Bildungsministeriums bislang nicht hervor.

Erhöhung des Praxisanteils im Studium fraglich

Durch eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes für Lehrämter von bislang zwei Jahren auf anderthalb Jahre kommt es insgesamt ebenfalls zu einer Verkürzung schulpraktischer Anteile im Studium. Prüß kritisiert, dass eine Verkürzung der schulpädagogischen Anteile im Gesamtstudium „Verarmung“ bedeute und „keinen formulierten Grundprinzipien und Zielstellungen folgen“ würden. Dass Studierende im Lehramt künftig „von Anfang an mehr an der schulischen Praxis orientiert ausgebildet“ werden, wie es Brodkorb es der Presse gegenüber mitteilte, darf in Anbetracht des vorliegenden Gesetzesentwurfs in Frage gestellt werden.

Zudem sieht der Entwurf eine deutlichere Ausdifferenzierung der Studiengänge für die Ausbildung von Lehrenden an Regionalen Schulen und an Gymnasien vor. Während Studierende für das Lehramt an Regionalen Schulen in einem sogenannten „stufenbezogenen Profilbereich“ der Berufswahl und Berufsorientierung geschult werden sollen, werden künftige Studierende des Lehramtes an Gymnasien auf „Hochbegabtenförderung und Lernstandserhebungen“ vorbereitet.

Gesetzesentwurf als „höchst unsicheres Fundament“

Mathias Brodkorb (SPD) lobt das neue Gesetz.

Von Seiten des Greifswalder Pädagogen wird der Gesetzesentwurf als „höchst unsicheres Fundament“ bewertet, das „weit entfernt von einer zukunftsorientierten und konzeptionellen Gesamtstruktur der Lehrerausbildung“ sei. Das Gesetz werde dem Anspruch „alle notwendigen Regelungsinhalte für eine umfassende Reform der Lehrerausbildung in Mecklenburg-Vorpommern“ nicht gerecht und sei auch nicht, wie vorgesehen, „geeignet, dem perspektivischen Lehrermangel entgegenzutreten.“ Stattdessen führe das Gesetz zu einer „Entprofessionalisierung“ der Lehrerausbildung, indem Studierende innerhalb von sechs Monaten die Befähigung für ein weiteres Lehramt erwerben können.

Völlig unberücksichtigt bleibe in dem Entwurf die Ausbildung für Lehrer an Gesamtschulen, die in den kommenden Jahren verstärkt in Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet werden. Ebenfalls kritisiert wird, dass der Berich der Schulsozialarbeit bislang unerwähnt bleibt. Auch inwieweit Studierende sozialpädagogische Kompetenzen erwerben müssen, dazu äußert sich das Gesetz, so Prüß, ebenfalls nicht. Ebenfalls als problematisch angesehen wird die Modularisierung der Lehramtsstudiengänge. Nach dem jetzigen Entwurf wäre das Staatsexamen nichts weiter als ein „starrer Master“, der nichts mit einem „Staatsexamen“ mehr gemein habe. Bleiben würde lediglich der Name des Abschlusses.

Mathias Brodkorb, bildungspolitischer Sprecher der SPD, lobt in einer Pressemitteilung den Gesetzesentwurf als „runde Sache“, die „entscheidend zur Modernisierung der Lehrerausbildung“ beitrage. Darüber hinaus werde durch ein zusätzliches Praxissemester für angehende Lehrer die „pädagogische Ausbildung quantitativ gestärkt und die Studierenden auf die Arbeit mit Kindern mit Lernbeeinträchtigungen vorbereitet.“

Fotos: Saturnus via wikimedia commons (Landtag Schwerin)/ Archiv, Kolossos via wikimedia commons (Schweriner Schloss-Aufmacher)/ Archiv, Daniel Focke (Franz Prüß)/ Archiv, Christine Fratzke (Mathias Brodkorb)/ Archiv