Es steht nicht besonders gut um das Austauschprogramm Campus Europae (CE) an der Universität Greifswald. Über die Gründe für die prekäre Situation, sowie über das Programm selbst und den Antrag zur Vollversammlung am 8. Dezember spricht CE-Koordinatorin und Jurastudentin Julia Höltge im Interview.
webMoritz Warst du eigentlich selbst im Ausland?
Julia Höltge Ja, ich war in Trento in Italien. Das war Wahnsinn, ich würde es jederzeit wieder machen. Ich war ein Jahr dort: In den ersten drei Monaten konnte ich mich erst einmal einfinden, danach ging es richtig los.
webMoritz Bist du über Campus Europae gegangen?
Julia Ja, ich war über Campus Europae in Trento.
Ein Erasmus plus
webMoritz Was ist denn eigentlich Campus Europae?
Julia Es ist ein Erasmus plus. CE baut als Austauschprogramm also auf den vorhandenen Strukturen von Erasmus auf. Das Plus steht für die damit einhergehenden Vorteile, auf die ich später noch genauer eingehen werde. CE hat noch ein weiteres Ziel als Erasmus: Campus Europae ist für Studierende, die ein Jahr im Ausland studieren wollen, um Land und Leute richtig kennen zu lernen. 13 Länder mit etwa 20 Universitäten beteiligen sich. Wir versuchen, dass ganz Europa abgedeckt wird. Unser goldener Apfel ist derzeit St. Petersburg. Aber nur vier Prozent aller europäischen Studenten machen ein Austausch.
webMoritz Warum ist das so?
Julia Das kann finanzielle Ursachen haben, aber auch Probleme mit der Anrechnung der erbrachten Leistung.
webMoritz Wie ist denn Campus Europae hier in Greifswald aufgestellt?
Julia Wir sind hier eine kleine Gruppe, zur Zeit gibt es vier Mitglieder. Davon sind zwei die „student representatives“, die Campus Europae an der Uni Greifswald vertreten.
webMoritz Du sprichst von Erasmus plus. Was sind die Unterschiede zu dem Erasmus-Austauschprogramm?
Julia Unser Motto ist: zwei Jahre, zwei Sprachen. Man kann jeweils während des Bachelor- und Masterstudium für ein Jahr ins Ausland gehen.
Es geht reibungslos
webMoritz Das ist ja im Erasmusprogramm nicht der Fall.
Julia Außerdem haben wir unlimitierte Plätze, jeder kriegt einen Wohnplatz und außerdem haben wir das Sprachprogramm „Hoo UP!“ Das funktioniert so, dass man selbständig auf der Onlineplattform die Sprache erlernen kann und sich dazu zweimal die Woche per Skype mit seinem Sprachdozenten oder seiner Sprachdozentin trifft. Vor Ort gibt es dann noch einen drei- bis vierwöchigen Chrashkurs, so dass die Studierenden zu Anfang des Studiums an der Gastuniversität in der Lage sind, den Vorlesungen zu folgen. Vor Ort gibt es die so genannten Buddies. Die holen die Studierenden vom Bahnhof ab und erledigen gemeinsam mit ihnen alles Administrative. Es geht reibunglos.
webMoritz Welche weiteren Vorteile hat denn CE gegenüber dem Erasmusprogramm?
Julia Der wichtigste Vorteil ist, dass bis zu 97 Prozent der Leistungen im Ausland können angerechnet werden. Das entsteht dadurch, dass zuvor von den Professoren Matrizen ausgearbeitet werden.
webMoritz Was ist denn das Ziel von Campus Europae?
Julia Ein Ziel ist es, die europäische Identität zu fördern. CE fördert eine neue Dimension der internationalen Zusammenarbeit unter den Universitäten, von denen auch die Studierende profitieren. Außerdem soll den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, ein ganzes Jahr an einer Partneruniversität zu studieren. So haben die Studierenden die Möglichkeit Land und Kultur, sowie die Sprache richtig kennenzulernen.
webMoritz Siehst du dich als Europäerin?
Julia Das ist die Frage nach der Definition. Aber in dem Sinne eigentlich ja, weil ich überall in Europa hinreisen kann, ohne Visum oder Geld umzutauschen. Und ich kann mich verständigen.
webMoritz Wie viele nutzten denn das Austauschprogramm in Greifswald in diesem Jahr?
Julia Wir hatten zwei Jahre einen „Ausfuhrstopp“. Trotzdem sind zwei Greifswalder gegangen. Vor 2008 waren es sechs, sieben Studenten, die gegangen sind. In diesem Jahr kamen aber sieben Austauschstudenten nach Greifswald: aus Finnland, Serbien, Frankreich und Litauen. Im kommenden Jahr werden wahrscheinlich vier Greifswalder ins Ausland gehen.
webMoritz Wie funktioniert die Bewerbung denn?
Julia Zuerst kommt man zu mir, füllt ein Formular aus und dann mache ich die Absprachen mit dem Akademischen Auslandsamt. Wir kümmern uns dann um den Rest, beispielsweise wenn man einen Praktikumsplatz braucht oder einen Wohnplatz. Außerdem nehmen wir dann Kontakt mit den Koordinatoren der Partneruniversitäten auf, besprechen den Stundenplan, damit die Anrechnung möglichst gewährleistet werden kann.
Das Programm existiert und es existiert nicht
webMoritz Das klingt also weniger bürokratisch als die Bewerbung beim Erasmusprogramm. Aber wenn es so viele Vorteile von Campus Europae gibt, warum wird das Programm dann nicht so wahrgenommen beziehungsweise ist nicht allen Studierenden bekannt?
Julia Die Position von Campus Europae in Greifswald ist unsicher, weil das Rektorat sich nicht klar positioniert. Aufgrund der unsicheren Situation von CE an unserer Universität durften wir auch keine richtigen Werbeveranstaltungen machen, da nicht sicher war, ob wir die Studierenden rausschicken durften.
webMoritz Wie positionieren sich die Fakultäten denn gegenüber Campus Europae?
Julia Greifswald insgesamt verhält sich eher passiv. Nur die Medizinische Fakultät ist halb-aktiv, die Philosophische Fakultät und die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultäten sind eher passiv. Alle drei Fakultäten haben aber Campus Europae initiiert. Das Programm existiert und existiert nicht.
webMoritz Warum ist das so?
Julia Es war schon immer ein Finanzierungsgrund. Es gibt einen CE-Koordinator vor Ort, der ursprünglich sein Geld über den Auslandsamt-Topf bekommen hat. Jetzt ist der Koordinator als studentische Hilfskraft bei der Philosophischen Fakultät. Die Koordinatorenstelle wird bis zum 30. Juni 2011 von der Philosophischen Fakultät finanziert. Darüber hinaus spielen aber auch Gründe innerhalb der Universität eine Rolle.
webMoritz Wie kann die Lage gebessert werden?
Julia Die Idee ist, dass sich die Fakultäten möglicherweise das Geld für den Koordinatoren teilen. Schön wäre es, wenn die Stelle wieder in das Auslandsamt kommt. Wir wollen als gleichwertiges Programm behandelt werden, das keine Konkurrenz, sondern ein zusätzliches Angebot zum Erasmusprogramm darstellt.
Antrag zur Vollversammlung soll Klarheit bringen
webMoritz Du bringst ja auch einen Antrag zur Vollversammlung am 8. Dezember. Was wird der Inhalt sein?
Julia Dass Campus Europae an dieser Uni erhalten bleibt und weiterhin gefördert und unterstützt wird durch die studentischen und akademischen Gremien.
webMoritz Was machst du nach einem klaren Bekenntnis der Studierendenschaft für CE auf der Vollversammlung?
Julia Dann mache ich ganz viel Werbung, spreche mit dem Auslandsamt und der AStA-Referentin für Studierendenaustausch Valeria Kupreeva und den Dekanen. Ich werde also versuchen, mit allen Gremien zu sprechen, um das Programm hier zu etablieren.
webMoritz Möchtest du eigentlich noch mal ins Ausland gehen?
Julia Ich würde definitiv noch mal gehen. Vielleicht nach St. Petersburg?
webMoritz Julia, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christine Fratzke
Fotos: Campus Europae, Christine Fratzke
"Julia Der wichtigste Vorteil ist, dass bis zu 97 Prozent der Leistungen im Ausland können angerechnet werden. Das entsteht dadurch, dass zuvor von den Professoren Matrizen ausgearbeitet werden"
Interessant, war dies nicht die Grundintention der europäischen Bachelor/Master-Abschlüsse??? Im Übrigen werden auch die Studienleistungen aus Erasmus anerkannt, wenn auch mit bürokratischem Aufwand.