Ein Bericht von Susanne Große

Ein junger Mann in Leipzig. Er ist hier wegen seines Studiums. Doch scheinbar kommt er da nicht zum lernen: Seine Mutter kündigt sich an. Doch warum nur? Muss sie ihn dazu ermahnen, fleißiger zu studieren? Oder muss sie ihn aus finanziellen Engpässen befreien, weil er sein zukünftiges Erbe für die Gesellschaft der schönsten und vornehmsten Jungfrauen verwendete? Bei dem jungen Mann handelt es sich um den Wolgaster Erbprinzen Philipp Julius und er hält sich in jener Zeit, vom März bis Mai 1602 in Kursachsen auf.

Man weiß es nicht, weshalb die Herzogin Sophia Hedwig nach Leipzig eilte. Man weiß aber sehr wohl vom 19. April 1602: Bei der Tafel bei Kurfürstin Sophia von Brandenburg sah der Aristokrat sich nach übermäßigem Alkoholkonsum dazu genötigt, seine Aufmerksamkeit den Frauenzimmern zu zuwenden. So muss der Reisebericht an einigen Stellen geändert werden, damit er nicht zu abenteuerlich klingt.

Über die Schreibwerkstatt des Friedrich Gerschow

Friedrich Gerschow (li., Thomas Z.) und sein Schreiber Meister Eilhart (Steffen Treiß) schmunzeln über das Interesse des Erbprinzen an „nackten Figuren“

Vergangenen Dienstag Abend gab ein überwiegend aus Studierenden bestehendes Ensemble in der Aula der Ernst-Moritz-Arndt Universität Einblicke in die Schreibwerkstatt des Friedrich Gerschow. Dieser fertigte den Bericht über die Bildungsreise von Philipp Julius an. In einer szenischen Lesung wurde von den Reiseerlebnissen des Wolgaster Erbprinzen auf seiner Europatour 1602 bis 1603 berichtet.

Unter der Leitung von Dr. Monika Schneikart vom Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie wurde das Stück zuvor bereits schon einmal aufgeführt. Aufgrund der positiven Resonanz entschied sich das Ensemble dazu, die Lesung zu wiederholen. Das Drehbuch stammt ebenfalls aus der Feder Dr. Schneikarts.

Das Musik-Ensemble „Amaltea“ sorgte für die musikalische Untermalung der Lesung.

Der Wolgaster Erbprinz Philipp Julius bricht zu einer Reise durch Europa auf. Seine Mutter Herzoginwitwe Sophia Hedwig von Pommern-Wolgast (gespielt von Birgit Adamski, Lehrerin am Humboldt-Gymnasium) trägt aus Sorge um ihren Sprößling dem Diaristen Friedrich Gerschow (Thomas, Lehramtsstudent) auf, ein Reisetagebuch anzufertigen. Ohne den Prinzen direkt auftreten zu lassen, gewährt das Stück dem Publikum einen Blick über die Schulter Gerschows und seinem Schreiber Meister Eilhart. Dieser wurde gespielt von dem Medizinstudenten Steffen Treiß. Besonders die Frauengeschichten und die alkoholischen Exzesse des Thronfolgers erheitern die beiden bei ihrer Arbeit sehr – genauso wie das Publikum während der Lesung. Als Zeugin tritt dabei Markgräfin Agnes von Brandenburg, gespielt von Andrea Tietzke auf. Auch sie weiß einiges darüber zu berichten, dass der Prinz sich auf seiner Kulturreise bevorzugt mit der Körperkultur beschäftigt.

Powerpoint und Historie

Unter großem Applaus bedankten sich die Akteure beim Publikum. (Hintere Reihe vlnr: Andrea Tietze, Birgit Adamski, Steffen Treiß und Thomas Z.)

Die historische Handlung wurde mit modernen Mitteln verbunden. So lief im Hintergrund eine Powerpoint-Präsentation die dem Publikum Portraits der erwähnten Personen und Orte zeigte. Gestaltet wurde diese von den Lehramtsstudierenden Christiane Kiesow und Nino Janko. Ein weiterer Bruch mit der historischen Thematik wurde zudem durch die Zwischenrufe einer Kommentatorin herbeigeführt. Lehramtsstudentin Eva Treiß leitete als moderne Historikerin den Vortrag ein und ließ es sich auch während der laufenden Lesung nicht nehmen, eifrig auf zu springen um dem Auditorium Hintergrundinformationen zu geben. Dennoch wurde der historische Kontext bewahrt: Das musikalische Ensemble Amaltea begleitete die Lesung mit Klängen der alten Musik der Renaissance und des Barocks. Auch die Originalsprache Philipp Julius und seiner Zeitgenossen wurde verwendet.

Das Stück war sehr erfrischend und angenehm zu verfolgen. Überrascht wurde das andächtig wartende Publikum schließlich von Dozentin Monika Schneikart am Ende der Lesung überrascht, als sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht mitteilte: „Das war‘ s. Sie können nun nach Hause gehen“.

Fotos: Susanne Große