Ex-Pressesprecher (li.) Stephan Goericke und der ehemalige Minister Jörg Schönbohm.

Jörg Schönbohm galt als einer der letzten konservativen Hoffnungsträger in der Union. Ob als General, Berliner Innensenator oder CDU-Landeschef – überall provozierte der erklärte Konservative heftige Reaktionen.

Gemeinsam mit seinem ehemaligen Pressesprecher, Stephan Goericke, stellte der ehemalige brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (geboren 1937) am 4. November sein neues Buch „Wilde Schwermut – Erinnerungen eines Unpolitischen“ im St. Spiritus vor. Der Einladung der Turnerschaft Cimbria folgten etwa 60 Leute.

Zu Beginn der Lesung macht Schönbohm erst mal sein konservativen Leitsatz klar: „Dinge erhalten, die sich bewährt haben und die abschaffen, die sich nicht bewährt haben.“

Schönbohm kein unpolitischer Mensch

Anschließend erinnert sich der Ex-General: Bereits als Kind erlebte er Krieg und Vertreibung. In Brandenburg geboren, floh seine Familie nach dem Zweiten Weltkrieg vor den sowjetischen Besatzern. Immer an seiner Seite: Die Nachbarstochter und heutige Ehefrau Eveline. Eine weitere prägende Figur stellte sein Klassenlehrer Hans Blasczyk dar. Bei ihm kam Schönbohm in Kontakt mit Literatur, deren Worte auch in seinem Buch Raum finden und sogar den Titel schmücken. Die Formulierung „Wilde Schwermut“ habe er aus Ernst Jüngers „Auf den Marmorklippen“ entnommen.

Ex-General und Minister a. D. Jörg Schönbohm in Greifswald.

Der Untertitel seines Buches stellt einen gewollten Widerspruch da: Der Ex-Minister ist als einer der letzten Konservativen in der CDU alles andere als ein unpolitischer Mensch. Aber aus dem späten Politikeinsteiger ist nie ein Parteisoldat und schon gar kein politischer Stratege geworden. Als Schönbohm 1996 seinem früheren Chef Verteidigungsminister Manfred Wörner mitteilte, Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen habe ihm den Posten des Innensenators angeboten, fragte Wörner seinen einstigen Adjutanten, ob er nicht ganz bei Verstand sei. Sinngemäß hieß es wohl: „Damit das klar ist, ich finde, Sie taugen nicht für die Politik. Sie sind viel zu offen und vertrauensselig. Sie können das nicht.“ Er tat es trotzdem.

In seinem Buch, das eine Reise durch sein und das Leben seiner Frau Eveline ist, erinnert sich Schönbohm auch an seine Jahre in Berlin. Zeiten mit rigider Ausländerpolitik und strengem Durchgreifen gegen die Hausbesetzerszene.

Jörg Schönbohm spricht über Konservatismus und Meinungsfreiheit.

Minister a. D. sinniert über Political Correctness und Meinungsfreiheit

Die Erkenntnis aus den Jahren in der Politik: „Der Politikbetrieb ist anders und anstrengend aber man kann gestalten. Man muss eben nur mit seiner ständigen Kündigung rechnen.“ Schönbohms Standpunkt: „Politik schafft den Rahmen für die Freiheit und Entwicklung des Einzelnen. Und wenn einer Penner sein will, dann kann er auch Penner sein.“ Er habe nur etwas gegen Leute, die denken sie haben die Wahrheit für sich gepachtet und keine andere Meinung zu lassen. „Man kann anderer Ansicht sein aber man muss doch darüber diskutieren dürfen“, so Schönbohm und verweist auf die Integrationsdebatte um Thilo Sarrazin. In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum bezieht Schönbohm Stellung zu den aktuellen Debatten um Integration, Meinungsfreiheit, Föderalismus, politische Korrektheit und Konservativismus. Und stellt dabei fest, dass es augenblicklich in der CDU ein Problem mit dem konservativen Standbein gibt.

Fotos: Torsten Heil