Gestern stellte die Journalistin und Autorin Andrea Röpke im Soziokulturellen Zentrum St. Spiritus in Greifswald ihr Buch „Ferien im Führerbunker“ vor.

Aus Angst vor politischen Übergriffen der rechten Szene wurde die Veranstaltung öffentlich nicht beworben. Stattdessen wurde via E-Mail Verteiler dazu eingeladen. Auch sonst zeigten sich die Veranstalter besorgt. Auf der Straße hielt man Ausschau nach potentiellen Störern und die Polizei schaute „routinemäßig“ vorbei.

Auch die Zuhörer waren nervös. Ein OZ-Fotograf wurde von mehreren Gästen im Publikum gebeten sie nicht zu fotografieren. Man sei besorgt von Nazis später in der Zeitung erkannt zu werden.

Der Vortrag bestätigt die Sorgen. Die Neonaziorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) (Wiki-Eintrag) gilt als gefährlich und militaristisch. Sie sei vermutlich auch bewaffnet. Besonderes Augenmerk des Vortrags lag auf den Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern und auch Greifswald, wo die HDJ sehr aktiv sei. Genannt wird beispielsweise Frank Klawitter, in der Szene liebevoll „Führer von Greifswald“ genannt. Er wohnt im Stadtteil Ladebow.

Ein anderer Journalist zitiert aus einem Forum: „Die Revolution beginnt nicht in den Köpfen, sondern in Greifswald“. Er schließt Zusammenhänge mit den seit Monaten zunehmenden „Propagandadelikten“ (wir berichteten) in Greifswald nicht aus. In Greifswald sei eine neue Gruppe mit dem Namen „Autonome Nationalisten Greifswald“ aktiv.

Die HDJ könnte durchaus solche Gruppen hervorbringen. Sie gilt, wie einst die Wiking Jugend, als „Kade-Schmiede“ für Kinder und Jugendliche aus der Rechten Szene.

Inzwischen versuche die Organisation vereinzelt auch Jugendliche außerhalb der Neonazi-Szene anzusprechen. Das rechtsextreme Flugblatt „Greifswalder Bote“ warb beispielsweise für diese Ferienlager. Auch auf der Homepage der NPD und auf Youtube finden sich ein entsprechender Videotrailer (Hier bewusst keine Verlinkung).

Köpke versuchte einen Überblick zu geben. Die HDJ ist über Famiilensippen organisiert und operiert im Geheimen. „Die Orte werden nur am Telefon an Vertraute weitergegeben, wir kommen kaum an sie ran – das erinnert stark an eine Sekte“, so die Journalistin. Mehrfach wurde sie schon von Mitgliedern der HDJ bedroht oder nach Dreharbeiten verfolgt und angegriffen. Die Organisation setzt die Tradition der 1994 in Deutschland verbotenen „Wiking Jugend“ fort (Lehnt sich an die Hitler-Jugend (HJ) an).

Die Zahl der Mitglieder zu schätzen, sei aus diesen Gründen nahezu unmöglich. In M-V könnten mehrere Hundert Kinder betroffen sein, schätzt die Journalistin. Bundesweit, so habe ihr ein Beamter anvertraut, könnten es mehrere tausend Kinder sein, die Jahr für Jahr die Camps durchlaufen.

Die Journalistin drückte erneut ihren Unmut aus, dass die Polizei und der Verfassungsschutz oft noch schlechter als sie selbst über diese Organisation informiert seien. Ein Verbot der Organisation würde sie begrüßen. Sie bezweifelt jedoch die effektive Umsetzung, solange die Polizei so uninformiert sei.

In den anschließenden Gesprächen gab es auch Stimmen, die zur Mäßigung der Bewertung aufrufen. Die Situation in Greifswald ist nicht klar. Eine Überbewertung sollte vermieden werden.

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  • Auf dem Bild hält sie neueres Buch „Neonazis in Nadelstreifen“ in der Hand. Dies gibt es hier.