Anfang Juli soll der Schweriner Landtag über das neue Kreisstrukturgesetz abstimmen. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass nur noch Rostock und Schwerin kreisfreie Städte bleiben. Greifswald soll nach den Plänen von Innenminister Lorenz Caffier (CDU) künftig zum neuen Kreis Südvorpommern gehören. Obwohl die Debatte um die Reform schon seit Langem tobt, sind zahlreiche Fragen noch nicht geklärt. Greifswald hat sich zu einem besonders brisanten Zankapfel in dem Reformpaket entwickelt.
Greifswald oder Anklam?
Innerhalb dieses Verbundes war bisher meistens Anklam als künftige Kreisstadt genannt worden. Sowohl über die Eingliederung Greifswalds in den Kreis Südvorpommern als auch über die Kreisstadt-Frage hatte es in den vergangenen Monaten hitzige Diskussionen gegeben. Vor allem die Greifswalder CDU will sich ihrem Parteifreund Caffier nicht beugen und fordert die Kreisfreiheit für Greifswald. Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow, der gleichzeitig auch Mitglied des Landtages ist, startete vor wenigen Wochen eine Unterschriftenkampagne gegen die Einbindung der Hansestadt in den Kreis Südvorpommern. Im Rathaus, aber auch in vielen Geschäften und an Infoständen der Christdemokraten können Bürger sich in die Listen eintragen.
Die Argumente der Reformgegner sind nicht von der Hand zu weisen: Der neue Kreis Südvorpommern wäre flächenmäßig deutlich größer als es die Prämissen der Reform vorsehen. Geplant waren ursprünglich maximal 4.000 km² Gesamtfläche, Südvorpommern käme jedoch auch auf 4400 km². Allerdings gilt dies auch für zwei weitere der neuen Kreise. Bevölkerungsmäßig läge man mit 272.000 Einwohnern mehr als 50% über dem Richtwert der Reform und wäre die größte der neuen Verwaltungseinheiten.
Zweigleisige Strategie bei den Gegnern
Bei den Gegnern fährt man jedoch eine zweigleisige Strategie: Wird Greifswald der Proteste zum Trotz eingemeindet, wogegen die Stadt nach Angaben von Bürgermeister Arthur König zunächst noch klagen würde, so soll es zumindest neue Kreisstadt werden. Die Universitätsstadt wäre die mit Abstand größte Kommune in Südvorpommern, gleichzeitig auch wissenschaftlich wie wirtschaftlich das Zugpferd der Region. Im Innenministerium aber pocht man auf die geographisch zentralere Lage Anklams und hofft, das vielerorts als Provinznest verschriene Anklam mit dem Kreissitz zu beleben.
Gestern hatte sich erstmals auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) in die Debatte eingeschaltet. Trotz seines Umzugs nach Schwerin hat er sein Wahlkreisbüro immer noch in Greifswald und plant bei der Landtagswahl im kommenden Jahr auch wieder dort anzutreten. Laut Hamburger Abendblatt sprach Sellering sich dafür aus, den Kreissitz nicht nach Anklam sondern an die Dänische Wieck zu legen. Dieser Meinung schloss sich heute auch die örtliche SPD an.
CDU über Anklam: „Greifswalder, gebt den Braunen keine Chance!“
In einer Postwurfsendung an (fast) alle Greifswalder Haushalte hatte die Greifswalder CDU vergangene Woche auf die Vorzüge Greifswalds hingewiesen. Der Brief, unterschrieben von Liskow und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden der Greifswalder Bürgerschaft, Axel Hochschild, nennt aber auch die Schwierigkeiten des Konkurenten Anklam – in recht rauhem Ton, wie einige finden. Unter anderem heißt es in dem Schreiben:
„Greifswalder, gebt Braunen keine Chance! Greifswald ist weltoffen und tolerant.Durch seine Vielzahl an internationalen Studenten und das hohe Bildungsniveau ist kaum Nährboden für rechtsradikales Gedankengut vorhanden. Dies spiegelt sich in den Gremien der Bürgerschaft wider. Wie sieht es in Anklams Gremien aus?“
Für diese Bemerkungen hatte Liskow auch in der eigenen Partei Kritik bezogen. Der Generalsekretär der Landes-CDU, Vincent Kokert, sagte gegenüber der Ostsee-Zeitung: „Regionen gegeneinander auszuspielen oder Anklam zu verunglimpfen, das ist kein guter Stil“. Auch bei der Greifswalder SPD hagelte es Vorwürfe gegen die Unterzeichner. Der Kreisvorsitzende Christian Pegel verwendete in einer Pressemitteilung ein Zitat von Johannes Rau: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“ Weiter schreibt Pegel:
„Unser Werben für die besondere Rolle Greifswalds darf nicht zu einer Politik der verbrannten Erde bei unseren Nachbarn führen!“
Auch an einem Plakat der CDU, das an verschiedenen Stellen in Greifswald hängt, gab es in den vergangenen Tagen Spott. Das historisierende Bild zeigt Egbert Liskow und Axel Hochschild vor dem Rathaus mit wehender Greifswalder Fahne – unter ihren Füßen: Die Kreisgebietsreform in Buchform.
Sebastian Ratjen will altes schwedisches Recht bemühen
Vor einigen Wochen bereits hatte Sebatsian Ratjen (FDP), ebenfalls Mitglied des Landtages auf Dokumente aus dem Jahr 1815 hingewiesen, die Greifswalds Kreisfreiheit stützen sollen. Im Zuge der Abtreteung Schwedisch-Pommerns an Preußen hatte Friedrich Wilhelm III der Stadt ihre Priviliegein für immer zugesichert. Ratjen erklärte gegenüber dem webMoritz, er habe die entsprechenden Dokumente der schwedischen Botschafterin übergeben, die diese „wohlwollend“ prüfen werde.
Das Schreiben der CDU wollte er nicht näher kommentieren, erklärte aber: „Wieviele Rechtsextreme in Anklam rumlaufen, spielt für die Frage des Kreissitzes gar keine Rolle. Anklam ist als Kreisstadt nicht geeignet. Wer das anders sieht, sollte mal dort hinfahren und sich umschauen.“
Bilder: Carsten Schönebeck (Plakat der CDU Greifswald, abfotografiert), Daniel Focke (Grafik), Gabriel Kords/webMoritz-Archiv (Ratjen)
Lächerlich!
Lustig, was erhofft sich Herr Ratjen denn? Dass Schweden Greifswald besetzt um die Kreisfreiheit zu verteidigen? 😀 Oder will er einfach mal wieder im Gespräch sein? Das scheint realistischer…
Tja, Herr Ratjen sollte mal wirklich nach Anklam fahren, dann wird er feststellen das diese Stadt schon Kreisstadt ist. Das schon seit vielen Jahren, von daher kann sie so ungeeignet nicht sein.
Und wie der Lokalpatriotismus der CDU wirklich aussieht, sieht man zur Zeit vor dem Rathaus. Anders als auf dem Plakat weht da zur Zeit die Flagge der CDU vor dem Rathaus. Der Name des Bürgermeisters ist anscheinend wirklich Programm geworden: Willkommen im Königtum CDU zu Greifswald.
Die Christen in Deutschland beziehen sich ja alle auf Verträge von 1803, um vom Staat jedes Jahr hunderte von Millionen Euro zu bekommen. Von daher ist Ratjens Idee gar nicht so abwegig. Wäre doch schön wenn die Schweden wieder MV regieren würden, die machen da wenigstens ne ordentliche Regionalpolitik. Im Film "Die Grenze" haben wir doch neulich gesehen, wie leicht man als Bundesland unabhängig werden kann, dass mit der Angliederung an Schweden ist doch dann nur noch eine Formsache.
(Meint die CDU das eigentlich ernst mit diesem Plakat? Haben sich diese Pappnasen in der Vergangenheit nicht schon lächerlich genug gemacht?)