Am vergangenen Freitag gab es eine Wiederaufführung von Peer Gynt im Rahmen des Nordischen Klangs. Henrik Ibsen schrieb sein dramatisches Gedicht 1867 und basierte es auf norwegischen Feenmärchen. Auf diesen Einfluss wird der Zuschauer erst langsam hingewiesen, denn Peer wird als Aufschneider und Schlägertyp eingeführt und erst im zweiten Akt wird es mehr und mehr überirdisch und unwirklich.
Die deutlichste Sagenanleihe sind die Trolle, in deren Gesellschaft Peer gerät und die ihn dazu zwingen wollen, die Tochter des Trollkönigs (der Dovre-Alte) zu heiraten. Die Trolle – eine Mischung aus Hell’s Angels und Uruk-hai – nehmen die Kulisse auseinander, bearbeiten Fässer wie die Blue Men Group, versprühen Kunstnebel und wollen dem eingefangenen Menschen die Augen ausstechen. Doch dieser flieht auch hier wie er schon aus der Dorfgemeinschaft geflohen ist (nicht ohne die Braut zu entführen) und vor drei wolllüstigen Sennerinnen.
In diesen eher hektischen Szenen ist es eine wahre Freude, praktisch dem gesamten Ensemble beim koordinierten Spiel zuzusehen. Intensiver, aber nicht minder gut sind die ruhigeren Momente, wenn Christian Holm das Publikum über den Fortgang informiert oder mit dem Krummen kommuniziert. Mit den manchmal seltsam anmutenden Reimformen wird kokettiert und so potentielle Lächerlichkeiten umschifft. Diese Möglichkeit ist schon durch die Vorlage gegeben, die sich mit „Man stirbt nicht mitten im fünften Akt“ selbst nicht allzu ernst nimmt. Die Inszenierung von Nils Düwell geht noch einen Schritt weiter und nutzt wo möglich, die Gelegenheit auf aktuelle Ereignisse Bezug zu nehmen, z.B. den „Aufstand in Griechenland“.
Die ganze Zeit ist der titelgebende Peer Gynt eigentlich jedoch auf der Suche nach sich selbst und das viele Davonrennen über die Jahre endet in der Erkenntnis, dass wie bei einer Zwiebel auch im innersten Innern nichts zu finden ist. Das Poster deutet es mit der Aufschrift „Kann mir jemand sagen, wer ich bin?“ schon an und man ist versucht, zu sagen „Und wenn ja wie viele?“ in Anlehnung an das Buch von R.D. Precht. Ähnlich philosophisch, doch weniger befriedigend, wird die Frage für Peer beantwortet. Selbst der zwischenzeitliche Reichtum, den er der durch moralisch fragwürdige Geschäfte erworben hat, bietet keine Hilfe.
Unterstützt wird die Wirkung durch die Musik, die mal modern, mal traditionell, mal folkrockig, mal jazzig ist, und die verschiedenen Schauplätze untermalt. Ebenso die Kulissen, die die nordische Kälte in der ersten Hälfte durch Blau- und Grüntöne darstellt und nach der Pause durch die Orange- und Sandtöne Nordafrikas abgelöst wird. Den Umbau durfte sich OB Arthur König aus nächster Nähe ansehen, als er von Intendant Anton Nekovar eine persönliche Führung durch die Kulissen bekam.
Wer sich ebenfalls dem surrealen Selbstfindungstrip beiwohnen möchte, hat dazu nochmal am 3. Juni um 19:30 Uhr Gelegenheit. Wer lieber oder zusätzlich die literarische Vorlage lesen möchte, kann dies beim Projekt Gutenberg tun.
Bilder: Theater Vorpommern