Ein Gast-Erlebnisbericht von Stephan Schumann

Am 13. Februar kommen jedes Jahr unzählige Nazis nach Dresden. Sie benutzen die Vergangenheit um für ihre Parolen zu werben. Seit 1998 jedes Jahr dasselbe. Soweit, so bekannt. Doch dieses Mal war alles anders.

Die Stadt Dresden selber und die örtliche CDU und FDP beteiligten sich am Protest. Ok, nur durch eine Menschenkette, aber um die friedlichen „GehDenken“ Demonstrationen der letzten Jahre haben selbige immer einen größeren Bogen gemacht.

Eine hohe Polizeipräsenz sollte Ausschreitungen verhindern.

Währenddessen versuchte ein breites linkes Bündnis den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern. An deren Sammelpunkt, dem Bahnhof Neustadt, wurden Punkt 9 Uhr wichtige Knotenpunkte besetzt. Der Versuch selbiges durch das Anmelden von Spontankundgebungen wenigsten etwas legaler zu machen fiel unterschiedlich erfolgreich aus. Auf dem Albertplatz wurde eine Kundgebung „Gegen das Demonstrationsverbot für Linke in der Neustadt“ genehmigt. 

Ein Stück weiter versuchte die Polizei eine Blockade zu räumen, welche als öffentliche Sitzung von PolitikerInnen der Partei „Die Linke“ begonnen hatte. Als die Anzahl der Sitzenden dort auf etwa Zweitausend angewachsen war, wurde der Räumungsversuch allerdings abgebrochen. Die Meldung sorgte für Jubel.

An einem dritten Punkt wurde eine Blockade aufgelöst. Die Bilder auf SpiegelOnline, mit den brennenden Mülltonnen sind alle von dort. Auch Wasserwerfer kamen zum Einsatz, was bei Temperaturen unter Null eine unerfreuliche Angelegenheit ist.

Einer Gruppe der Rechtsextremen gelang schließlich der Durchbruch durch Polizei und Gegendemonstranten. Sie zog offensichtlich frustriert vom Warten durch die Neustadt. Auf dem Albertplatz brodelte die Gerüchteküche, das alternative Jugendzentrum AZConny sei angegriffen worden. Es habe Verletzte gegeben. Nach einer halben Stunde die Entwarnung. Nicht so schlimm. Nichts passiert. „Aber geht nur in Gruppen durch die Stadt.“, lautet der Rat der Organisatoren. Schließlich kommen noch Leute von der Menschenkette dazu. Wer auf der Neustädter Elbseite wohnt oder einen Abgeordnetenausweis vorzeigen kann, wird über die Elbe gelassen.

Sitzblockade in der Dresdner Innenstadt

Zwischenzeitlich wächst die Menge auf Fünftausend Leute an. Alles ist ruhig. Ein linker Rapper wettert auf der Bühne gegen die Polizei – er wird ausgebuht. Dann die erlösende Nachricht: Es wird keinen Marsch der Nazis geben. Die Polizei „kann die Sicherheit nicht garantieren.“ Noch einmal Jubel. Es ist kurz vor 15 Uhr. Zwei Stunden später verlasse ich den Albertplatz mit einem guten Gefühl. Zum ersten Mal seit 98 hat Dresden seinen Ruf als weltoffene Stadt bestätigt. Die Gespräche ranken sich um die Zukunft. Jetzt sollen sich Stadt und Antifa an einen Tisch setzten. Nächstes Jahr ziehe ich noch ein paar Socken mehr an. Kommt gut nach Hause. Wir sehen uns nächstes Jahr – in Dresden.

(Der Autor ist Kreisvorsitzender der Jusos Greifswald-Ostvorpommern)

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