Ein Kommentar von Carsten Schönebeck

„Es riecht nach Wurstgulasch und Nudeln in der Greifswalder Mensa.“ So beginnt der Bericht von Spiegel Online über die Urabstimmung in der vergangenen Woche. Und tatsächlich: Wer am Montag den studentischsten aller Greifswalder Futtertröge betrat, der bemerkte, dass der penetrante Geruch von Druckerschwärze, aufsteigend von den hochglanzpolitischen Flyern, verschwunden war. Der Schweißgeruch penetranter Wahlkämpfer: Verweht! Niemand, der sich einem in den Weg stellte, um Flyer oder Zeitungen loszuwerden, Unterschriften zu sammeln oder „einfach mal so ins Gespräch zu kommen.“ Es kehrt wieder Ruhe ein in der Greifswalder Studierendenschaft.

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Fleißige Wahlhelfer zählten die über 2500 Stimmzettel aus.

Die Auszählung der Urabstimmung am Freitag hatte noch einmal für Spannung gesorgt. Überall sah man überraschte Gesichter. Der Schock saß nicht nur bei „Uni ohne Arndt“ tief, sondern auch bei allen Sympathisanten, wiegte man sich doch lange in Sicherheit.

Arndt strikes back!

Das wohl brisanteste Ergebnis war das der Urabstimmung. Nachdem ein halbes Jahr lang ein Sturm drohte, die Studierendenschaft zu zerreißen, haben wir das Resultat nun schwarz auf weiß per Wahl manifestiert. Ergebnisse sind interpretierbar und vor allem die Verliererseite ist sich für keine noch so abstruse Erklärung zu schade. Die falsche Fragestellung sei schuld, ist eine der häufigsten Erklärungen. Dass man sich damit ein argumentatives Eigentor baut, ist nach der Vehemenz der Namensdebatte nur konsequent. Haben tatsächlich Studenten pro Arndt gestimmt, weil ihnen das schlichte aber neutrale  „Uni Greifswald“ noch weniger gefällt, so muss man klar konstatieren: Sie empfinden den umstrittenen Arndt offenbar nicht als „untragbar“ – im Gegenteil.

Auch für die knappe Mehrheit könnte man orakeln, die Fragestellung sei schuld. Viele Studenten haben vielleicht kein Problem mit der Person Arndts, lehnen Namenspatrone aber grundsätzlich ab oder finden „Universität Greifswald“ einfach schöner. Vielleicht wollten sie mit ihrem Votum auch nur einer Weiterführung der Debatte aus dem Weg gehen, die im menschlichen Umgang mittlerweile grotesk-ekelerregende Züge angenommen hatte.

Dass sich eine knappe Mehrheit für den Namenspatron ausspricht, wird nun von politischen Gruppierungen missbraucht, um daran zu zeigen wie zwingend eine Namensablegung notwendig sei. Die Studierendenschaft sei tief gespalten – sie ist es aber vor allem, weil mit der Debatte ein Keil getrieben wurde. Versöhnen, das war nie Ziel der Kampagne gegen Arndt. Kompromisse wurden nicht gesucht. Auch jetzt nicht. Unversöhnlich erklärt sich ein Teil der Arndt-Gegner zu den moralischen Siegern. Wie es allerdings passieren konnte, dass aus einer vielzitierten Mehrheit von 95% auf der Vollversammlung im Juni 2009 nun magere 43 % wurden, dafür scheint sich niemand zu interessieren.

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Arndt soll bleiben - Die Zeit der Parodien ist vorbei.

Wer in demokratischen Prozessen gewinnen will, der muss auf Sieg spielen, kann er sich nicht durchsetzen, ist immer noch Zeit, in die Defensive zu gehen.

Unabhängig vom Ergebnis: Gewinnen muss die Demokratie

Dem demokratischen Prozess, der die sonst so träge Greifswalder Studierendenschaft ergriffen hat, wird vielerorts Respekt gezollt; nun geht es darum, sich dessen würdig zu erweisen. Das Ergebnis bedarf keiner Interpretation, es bedarf einer Suche nach Lösungen.

Arndt soll bleiben, das hat die Urabstimmung zweifelsfrei ergeben. Mag es auch wehtun: Das muss auch für die Studierendenschaft gelten. Dass auch das von Arndt-Kritikern angezweifelt wird, ist Ausdruck von pubertärer Sturheit. Dieses Verhalten beschämt und vergrault weitere Sympathisanten, ein Effekt, der seit Freitag schon als Erklärungsversuch für die Schlappe herangezogen wird.

Können AStA, StuPa und auch die Medien wieder straffrei „EMAU“ schreiben, geht es darum, einen Kompromiss zu finden. Der kann weder die völlige Ablehnung Arndts enthalten, noch – auch das hat die Urabstimmung gezeigt – ein naiv-unkritisches „Weiter so!“. „Uni ohne Arndt“ und auch ihre behäbigere Stiefschwester, die Arndt-AG, haben noch nicht ausgedient. Ihr monatelanges Ringen hat die Studierendenschaft gespalten, nun müssen sie die alte Wunde heilen, die aufgerissen wurde.

Bilder:

Foto Startseite – adesigna via flickr (Pflaster), Gemeingut (Arndt)

Foto Sebastian Jabbusch – Luisa Wetzel

Foto Auszählung  – Sandro Teuber