Auf einen Schlagabtausch zwischen Arndt-Gegnern und Arndt-Befürwortern dürften die Besucher des Streitgesprächs zwischen der Initiative „Uni-ohne-Arndt“ und der „Pro-Arndt AG“ wohl eingestellt gewesen sein – dass dieser allerdings kaum mehr als 60 Minuten dauerte, war sicherlich ein Novum. Gerade die überschaubare Länge bei gleichzeitig hoher inhaltlicher Dichte war jedoch außerordentlich erfrischend für die Debatte, die in den vergangenen Monaten oft an ihrer epischen Breite gekrankt hatte (auch und gerade in den webMoritz-Kommentaren!).

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Logo des Debattierclubs

Interessanterweise kamen die ansprechendsten Wortbeiträge bei der Veranstaltung eindeutig aus dem Publikum. Zu Beginn hatten je zwei Vertreter der Initiative jeweils sieben Minuten über ihre Position sprechen dürfen. Diese Beiträge erfolgten in der Reihenfolge Karla Thurm (Uni ohne Arndt), Henning Krüger (Pro Arndt), Sebastian Jabbusch (Uni ohne Arndt), Thorben Vierkant (Pro Arndt). Zwischen der zweiten und der sechsten Minute der Vorträge durften die übrigen Personen auf dem Podium Zwischenfragen stellen, was allerdings nicht zuverlässig funktionierte, da die Redner die Meldungen von Fragestellern nicht immer bemerkten und dann auch nicht darauf aufmerksam gemacht wurden.

Pro Arndt: „Emotionalität, die ihm teilweise ein wenig entglitten ist“

Die Arndt-Befürworter, die man neben ihrer noch in den Kinderschuhen steckenden Website bisher noch kaum wahrgenommen hatten, schickten mit Henning Krüger einen noch vollkommen unbekannten, aber durchaus redegewandten, Arndt-Befürworter ins Rennen. Henning, der im ersten Semester an der Uni Greifswald studiert, verwies darauf, dass Arndt ein „Sprachrohr des deutschen Volkes“ habe sein wollen und sich dafür einer „Emotionalität, die ihm teilweise ein wenig entglitten“ sei, bedient habe. Arndt solle als Patron erhalten bleiben, denn er er könne uns „ein Stückchen sentimentalen Wert geben“. Thorben Vierkants späterer Redebeitrag litt erheblich darunter, dass Vierkant eine Zwischenfrage von Sebastian Jabbusch zuließ, die ihn dann ein wenig aus dem Konzept brachte.

Contra Arndt: „Arndt steht für das volle Programm der Nazis“

Uni-ohne-Arndt-Vertreterin Karla Thurm wies bereits in ihren ersten Sätzen darauf hin, dass es der Initiative „Uni ohne Arndt“ keineswegs darum gehe, Arndt aus den Geschichtsbüchern zu streichen oder sein Ansehen zu beschmutzen. Vielmehr solle vor dem Hintergrund der rassistischen und antisemitischen Vorstellungen Arndts, die die Nationalsozialisten instrumentalisiert hätten, der Namenspatron „kritisch hinterfragt“ werden. Mit der nationalsozialistischen Instrumentalisierung Arndts begann Karla auch ihre Ausführungen, indem sie anhand von Zitaten belegte, wie deutlich Arndts Schriften in die NS-Ideologie integriert waren.

Sebastian Jabbusch spitzte die Argumente der Initiative dann weiter zu. Er wies unter anderem darauf hin, dass Arndt eben nicht nur von den Nazis missbraucht, sondern vielmehr „das volle Programm der Nationalsozialisten“ vertrete. Weiterhin sagte Sebastian: „Natürlich hat Arndt keinen einzigen Juden getötet, aber das hat Hitler meines Wissens auch nicht getan.“ Dass Jabbusch mit seiner Rede in sieben Minuten nicht fertig wurde und dann gegen die mit einer Glocke klingelnde Leiterin der Debatte anredete, begeisterte das Publikum zum ersten Mal merklich – es gab donnernden Applaus für das unfreiwillige Spektakel.

Publikumsbeiträge fast ausschließlich gegen Namensablegung

Sebastians Aussagen waren es später dann auch vornehmlich, die von mehreren Rednern aus dem Publikum kritisiert wurden. So sei es zum Beispiel zweifelhaft, dass die „Uni ohne Arndt“-Initiative so „professorenhörig“ sei, fand Ivo Sieder: „Nur weil ein Professor etwas sagt oder schreibt, muss das ja noch nicht automatisch richtig sein.“ Jabbusch hatte zuvor betont, man arbeite ausschließlich auf Basis von „wissenschaftlichen Zitaten“. Mehrere Beiträge aus dem Publikum bezweifelten jedoch, dass eine politische Debatte ausschließlich mit „wissenschaftlichen Argumenten“ geführt werden könne.

Ein weiterer Wortbeitrag richtete sich gegen die Behauptung der Initiative „Uni ohne Arndt“, in der Wissenschaft gäbe es faktisch keine Verfechter Arndts. Ein Kommilitone wies anhand mehrerer aktueller Publikationen nach, dass diese sehr wohl existieren. Er forderte die Initiative dazu auf, auf diese Tatsachen auf ihrer Homepage ebenfalls hinzuweisen. Initiativen-Sprecher Sebastian Jabbusch sah sich wohl auch aufgrund dieser Aufforderung dazu veranlasst, dem webMoritz per E-Mail mitzuteilen, man werde alle Hinweise auf Publikationen kommentiert veröffentlichen.

Sebastian litt während der Debatte sehr darunter, dass den vier Rednern auf dem Podium nicht erlaubt war, auf die Wortmeldungen einzugehen – lediglich zwei Vertreter des Debattierclubs fassten am Ende die Positionen der Befürworter und Gegner zusammen. Sebastianversuchte zwar merklich und größtenteils erfolgreich, sich zu beherrschen, rief dann aber doch mehrfach Kommentare in den Raum, von denen einige grob unsachlich waren.

Beiträge des Publikums ansprechender als die der Kontrahenten

Auffällig war, dass die Redebeiträge aus dem Publikum rhetorisch fast ausnahmslos ansprechender waren als die Beiträge der vier Kontrahenten. Die meisten Publikums-Redner wirkten sogar besser vorbereitet als die vier Vertreter der Initiativen, allerdings konnten sie sich auch auf einzelne Punkte konzentrieren, während die vier auf dem Podium einen „Rundumschlag“ auszuführen hatten.

Rhetorisch ebenfalls sehr eindrucksvoll, aber inhaltlich durchaus hinterfragbar, waren die Schluss-Statements der Debattierclub-Mitglieder. Beide konnten sich ganz anders präsentieren als die Vorredner, hatten sich auf ihre Statements aber maßgeblich erst im Verlauf der Debatte vorbereiten können. Das fiel auch auf: Ingo Witt (Präsident des Debattierclubs) als Redner contra Arndt warf den Arndt-Befürwortern vor, ihre mangelnde Überzeugung könne man schon daran erkennen, dass sie weniger PR machten als die Arndt-Gegner. Rafael Heinisch (stellv. Präsident des Debattierclubs) und Redner pro Arndt verblüffte mit dem Statement, Arndts Rassismus und Antisemitismus seien „bedauerlich“, aber Arndt habe sich eben einfach nicht beherrschen können (was er allerdings mit einem Zitat belegte).

Stimmung im Saal eher für Arndt

Neben den Verantwortlichen der Initiative „Uni ohne Arndt“ waren auch zahlreiche Besucher darüber überrascht, dass offensichtlich mehr Arndt-Befürworter als -Gegner im Raum waren. Dabei waren die Befürworter zwar waren nur in der knappen Mehrheit, demonstrierten ihre Zustimmung allerdings regelmäßig durch lauten und anhaltenden Applaus – was die mutmaßlichen Arndt-Gegner nicht zustande brachten. Ob die Aufteilung der Positionen allerdings als repräsentativer Spiegel der Meinungen der Studierendenschaft gewertet werden kann, muss bezweifelt werden. Auch wiesen mehrere Redner aus dem Publikum ausdrücklich darauf hin, dass sie in der Arndt-Frage neutral seien.

Für die Verantwortlichen der Initiative „Uni ohne Arndt“ war die Situation mit einer Mehrheit von Arndt-Befürwortern jedenfalls erkennbar neu. Bis zum Schluss beriefen sie sich überdies regelmäßig auf die „große Mehrheit der Studenten“, die hinter ihrem Anliegen stehe.

Zum Nachhören: Die vier Redebeiträge vom Veranstaltungsbeginn

Redebeitrag von Karla Thurm

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Redebeitrag von Henning Krüger

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Redebeitrag von Sebastian Jabbusch

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Redebeitrag von Thorben Vierkant

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Update: Arndt-Gegner kritisieren „unsachliche“ Debattenbeiträge aus dem Publikum

vom 27.11., 13 Uhr

Die Initiative „Uni ohne Arndt“ hat sich inzwischen in einer Pressemitteilung zu der Veranstaltung geäußert. Die Gruppe äußert sich lobend über die „sachliche“ Argumentation der Arndt-Befürworter auf dem Podium, die die Schattenseiten Arndts nicht angezweifelt hätten. Den guten Besuch der Veranstaltung hätten Gegner und Befürworter im Anschluss an die Veranstaltung bei einem Glas Bier gefeiert. Die Beiträge aus dem Publikum kamen bei der Initiative allerdings nicht so gut an. Sie schreibt:

„Enttäuscht und entsetzt zeigten sich einige Vertreter der Initiative über die unsachlichen und teils sachfremden Debattenbeiträge aus einer Gruppe aus dem Publikum. Leider sahen die „Spielregeln“ des Debattierclubs keine Antwortmöglichkeiten vor, weshalb kein Dialog entstand. Man bekam jedoch auch das eindringliche Gefühl, dass hier kein Dialog gesucht wurde, sondern eher ein Forum, um seinen Frust loszuwerden.“

Anschließend setzen sich die Arndt-Gegner mit einigen vom Publikum geäußerten Thesen auseinander. Die gesamte Pressemitteilung der Initiative ist auf ihrer Homepage nachzulesen.

Podcast-Update: Die Debatte zum Nachhören

vom 27.11., 21 Uhr

webMoritz-Autor Eric Schümann bereichert unser Audio-Angebot zur Debatte um einen Beitrag, der sowohl Teile der Eingangsstatements als auch einige Wortmeldungen aus dem Publikum enthält. Wer die Debatte verpasst hat, kann sie also hier nachhören:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2009/11/dabattierclub_arndt.mp3[/podcast]

Zum Nachhören: Die beiden Schlussreden

vom 28.11., 0 Uhr

Redebeitrag von Ingo Witt:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2009/11/ingo_witt.mp3[/podcast]

Redebeitrag von Rafael Heinisch:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2009/11/rafael_heinisch.mp3[/podcast]

Update 4.12., 12:45: AG „Uni ohne Arndt“ antwortet auf Gastredner

Die AG „Uni ohne Arndt“ hat uns gebeten, darauf hinzuweisen, dass man sich auf der Homepage der Initiative ausführlich mit allen Gastbeiträgen auseinandergesetzt hat. Auch Videos der Debatte sind inzwischen beim Debattierclub online.

Bilder: Alexander Kendzia, Audio-Mitschnitte: Eric Schümann (Wir bitten die Störgeräusche in den Mitschnitten zu entschuldigen.)