Mit der alljährlichen Gedenkveranstaltung neben der Mensa am Schießwall haben gestern Nachmittag etwa 50, fast ausschließlich jugendliche, Greifswalder des vor neun Jahren ermordeten Eckard Rütz gedacht. Rütz war in der Nacht vom 24. auf den 25. November 2000 von drei Gewalttätern ermordet worden. Im Prozess gegen die jugendlichen Täter im Jahr 2001 bescheinigte der Richter den Tätern eine „vom nationalsozialistischen Gedankengut geprägten Gesinnung“.
Zu der Gedenkveranstaltung eingeladen hatte das Bündnis „Schon vergessen?“. Es wurde 2006 von Mitgliedern der örtlichen Antifa initiiert. Bündnispartner sind unter anderem die Junge Gemeinde St. Nikolai und die Partei „Die Linke“. 2007 war dann nach verschiedenen Widerständen, auch seitens der Stadtverwaltung, der Gedenkstein gesetzt worden. An der Gedenkveranstaltung im November 2007 hatten auch Vertreter der Stadt, darunter Oberbürgermeister Dr. Arthur König, teilgenommen.
Stadt legte Rose am Gedenkstein nieder
Vertreter des Bündnisses kritisierten dieses Jahr ebenso wie schon 2008, dass keine Vertreter der Stadt anwesend gewesen seien. Die städtische Pressesprecherin Andrea Reimann stellte aber auf Anfrage klar, dass man auch bei der Stadt des Toten gedacht habe. Die Koordinatorin des Greifswalder Präventionsrates, Dr. Christine Dembski, habe im Vorfeld der Veranstaltung eine Rose und eine Kerze am Gedenkstein niedergelegt – ausdrücklich auch im Namen des Oberbürgermeisters. Außerdem werde der Gedenkstein durch die Stadt regelmäßig gepflegt.
Mit der Antifa wolle man lieber nicht zusammenarbeiten, da man den Verdacht habe, dass der Ermordete Rütz von ihr instrumentalisiert werde. Reimann betonte aber, dass man Prävention und Aufklärung über Rechtsextremismus sehr ernst nehme und intensiv betreibe – etwa durch Veranstaltungen an Schulen. Das schwierige Verhältnis zwischen dem Bündnis „Schon vergessen?“ und der Stadt war auch vor einem Jahr schon Thema auf dem webMoritz.
Bündnis: Tat als „pervese Konsequenz eines faschistischen Denkens“
In einer kurzen Ansprache sagte Bündnis-Sprecher Tom bei der Gedenkveranstaltung, man wolle dem Ermordeten mit dem Gedenken „wenigstens für einen Tag seine Würde zurückgeben.“ Rütz habe sterben müssen, weil er nicht in das Weltbild der Täter gepasst habe. Die Tat sei „die perverse Konsequenz eines faschistischen Denkens“, vor dem die Öffentlichkeit regelmäßig ihre Augen verschließe. Im zweiten Teil seiner Ansprache kritisierte er, dass Rechtsextremismus in der Gesellschaft häufig geduldet werde, während antifaschistisches Engagement regelmäßig staatlicher Repression unterliege.
Zumindest gestern war davon wenig zu spüren – die Besatzung eines Streifenwagens der Polizei verfolgte die ersten Minuten der Veranstaltung aus sicherer Distanz und fuhr etwas später davon. Mitglieder des Bündnisses zeigten an der Mühlenstraße ein großes Transparent, um auf die Gedenkveranstaltung und den Ermordeten aufmerksam zu machen. Später wurde dann ein weiteres großformatiges Transparent an einem Weihnachtsbaum-Verkaufsstand angebracht.
Fotos: Frederike Kühnel
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