Am Dienstag Abend sprach Dr. Frank Lobigs, Professor für Journalistik an der TU Dortmund, zum Thema „Täter oder Opfer? Medien und die Wirtschaftskrise“. Der Fachschaftsrat des Instituts für Kommunikations- und Politikwissenschaft lädt diese Woche zu Expertenvorträgen über die Wirtschaftskrise ein.
„Die Medien haben geflüstert, wo sie sonst eigentlich geschrien hätten“, sagt Lobigs. Er lehnt es jedoch ab, den Medien eine Täterrolle während der Wirtschaftskrise zuzuschreiben und entwickelt eine Verkettung des medialen Verhaltens: Am Anfang der Krise trugen die Medien zur Krise bei, indem sie positiv berichteten um ihr gutes Verhältnis zu den Führungsriegen in den Unternehmen aufrechtzuerhalten. Danach erfolgte eine Aufarbeitung der Wirtschaftskrise mit komplexen Erklärungen gefolgt von einer Kritik, die die Medien an sich selbst gegenseitig ausübten.
Lobigs sieht ein positives Merkmal des medialen Verhaltens darin, dass sie keine Angst geschürt haben, indem Schockmeldungen vermieden wurden. Die Bild-Zeitung erhielt für dieses Verhalten sogar den Journalismuspreis „Prometheus“. Eben dafür, dass sie nicht die Schlagzeile brachten: „Finanzkrise: Die Ersten holen ihr Geld ab“. Andernfalls hätten nach Aussagen der Jury zu viele Deutsche reagiert und ihr Geld von der Bank geholt. Das hätte den Zusammenbruch des deutschen Finanzsystems zur Folge gehabt.
Ein wichtiger Kritikpunkt sei gewesen, erklärt Lobigs weiter, dass die Medien die Wirtschaftskrise nicht früher vorhergesehen hätten. Doch auch hier argumentiert Lobigs für die Medien: Selbst viele Experten konnten das Ausmaß der Krise nicht voraussagen.
Im zweiten Teil stellte Lobigs die Medien als Opfer der Krise dar: Die Werbeeinnahmen und Auflagen gingen zurück, es mussten massive Einsparungen erfolgen.
Im Anschluss kam es zu einer regen Diskussion, an der sich ein kleiner Teil der etwa 60 Zuhörer beteiligte. Hier kamen die Medien als vierte Macht im Staat zur Sprache, sowie die Frage, ob sie Informationen den Konsumenten bewusst vorenthalten können. Natürlich rief vor allem der Preis für die Bild-Zeitung im Publikum Erstaunen hervor.
Insgesamt waren die Reaktionen recht positiv, was am kräftigen Klopfen auf die Tische zu bemerken war. Lobigs konnte seine Argumente gut darlegen und schaffte es seinen Vortrag durch kleine Anekdoten interessant zu gestalten. Zu Beginn sprach er sich lobend über den Fachschaftsrat aus, der den Vortrag organisiert hatte: „So etwas gibt es bei uns an der Uni nicht“.
Und was waren die Medien in der Wirtschaftskrise nun? Täter oder Opfer? Auch wenn diese Auffassung im Anschluss des Vortrages kritisch diskutiert wurde – Lobigs sagt: „Wenn ich mich entscheiden müsste, hieße die Antwort – zumindest für die deutschen Medien – eindeutig Opfer. Leider!“
Bilder:
Laura Brehme
Zitat: "… sieht ein positives Merkmal des medialen Verhaltens darin, dass sie keine Angst geschürt haben, indem Schockmeldungen vermieden wurden. Die Bild-Zeitung erhielt für dieses Verhalten sogar den Journalismuspreis „Prometheus"
Jetzt muss ich mir noch die Bild-Zeitung besorgen, um sachlich und richtig über die Ursachen und Auswirkungen der Wirtschaftskrise informiert zu sein und nicht in Panik zu verfallen. Wenn die Bild-Zeitung in diesem Fall einmal keine Angst geschürt hat, dann nur weil der Springer-Konzern vom möglichen Zusammenbruch des deutschen Finanzsystems auch betroffen gewesen wäre. Für den archaischen Selbsterhaltungstrieb gibt es als auch noch einen Preis.
Teil 2, da das System das Splitten verlangt:
Die Täterrolle für die Medien wird abgelehnt. Man war nicht in der Lage die Finanzkrise vorauszusehen. Wie sieht es dann mit der Hehlerrolle aus? Rechtlich soll ja da kein so großer Unterschied sein.
Alleine die eingeführte Begrifflichkeit der "Systemischen Bank", von der Politik erfunden und besonders von der Bild-Zeitung übernommen, ist ein Beispiel für die Kumpanei.
http://wareluege.wordpress.com/2009/03/06/was-ist…
In welchem Massenmedium steht heute, dass gerade in den USA zwei Bear-Stearns-Banker, die Maßgeblich für den Zusammenbruch des Bankensystems verantwortlich waren, vor Gericht einen Freispruch erster Klasse erstritten haben? Also munter weiter so!
Wer sich wirklich über wirtschaftliche Zusammenhänge informieren will:
http://www.jjahnke.net/rundbr63.html#gol
Die Medien waren im Grunde weder Täter noch Opfer, sie waren einfach nur ignorant und dies spräche wohl wenn dann mehr für die Täterrolle. Die ersten Warnungen wurden bereits Anfang der 80er veröffentlicht. Spätestens als die Modeerscheinung aufkam, öffentliches Vermögen mit Finanzobligationen zu beleihen, hätten alle Alarmglocken schellen müssen. Es gab genügend Äußerungen von Leuten, die ihren Verstand nicht gegen gegen ein BWL-Lehrbuch eingetauscht hatten. Auch ich habe bereits 2005 warnende Kommentare zu den Entwicklungen auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt mit der zwangläufigen Folge von Bankenzusammenbrüchen auf Internetportalen entsprechender Fernsehsendungen veröffentlicht. Die Arroganz, wir wissen es besser, weil es uns irgendwelche Experten bestätigt haben, rechtfertigt in keiner Weise einen Opferstatus. Aber zum Glück sind Leute mit klarem Verstand und etwas Weitblick ja immer Spinner, so ist die nächste Medienblamage schon vorprogrammiert.
PS: Die Krise ist noch lange nicht gegessen.
*unterschreib*
Die Medien sind ihrer systemstabilisierenden Aufgabe einfach nachgekommen, daher sind sie weder Täter noch Opfer sondern Bestandteil der multiplen Krise, denn sie wissen was sie tun und tun es trotzdem.
Ein Beispiel: Wenn man "Psychologie der Krise" googelt erhält man als ersten Treffer "Thomas Strätling:
Die Psychologie der Krise –die Qualität kommt aus der Tiefe" in diesem lesenswerten Text geht es um Krisenbewältigung für Unternehmen. Dort steht u.a.: "Gefährlich wird die Krise vor allem durch Abwehrmechanismen Flucht oder Verdrängung. Problematische Reaktionsmuster wie Leugnung, Schuldzuweisungen oder Rationalisierungen sollen Krisen „ungeschehen machen“ oder „herunterkochen“. Solche Reaktionsmuster sind allerdings das eigentliche Verhängnis […] Unter der Oberfläche der expliziten Krise geht es oft um ein weitreichendes und tieferes Problem, das oft nicht wirklich wahrgenommen oder offen ausgesprochen, aber immer in der Öffentlichkeit mitbewegt wird."
Dieses tiefere Problem hat auch einen Namen und zwar Kapitalismus, aber dies sei nur am Rande erwähnt.
Das Interessante bei dieser Publikation ist der Hintergrund.
Der Text ist im Netz bei A&B COMMUNICATIONS GROUP zu finden, deren geschäftsführender Gesellschafter ist Herausgeber des Buches "Krisen-PR", welches vom F.A.Z.-Institut publiziert wurde,
Das FAZ-Institut bietet weitere interessante Publikationen z.B. das "Handbuch des deutschen Lobbyisten" und gehört wie der Name schon sagt zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Wie unabhängig wir dann wohl im Wirtschaftsteil berichtet werden? Wer wirklich glaubt, dass die Medienmacht nicht umfassend genutzt wird, um Großteile der Bevölkerung zu verarschen, dem ist echt nicht mehr zu helfen. Denn wie brachte es Tocotronic so schön auf den Punkt:
PURE VERNUNFT DARF NIEMALS SIEGEN. WIR BRAUCHEN DRINGEND NEUE LÜGEN.
Tom Schimmeck auf den Mainzer Medientagen http://www.schimmeck.de/Texte/mmdrede.htm
Leipziger Journalismus-Forscher haben 235 Journalisten in Tageszeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online-Redaktionen beobachtet und festgestellt, dass diese pro Tag im Schnitt noch 108 Minuten für sogenannte Überprüfungs- und Erweiterungsrecherchen aufwenden. Für die Kontrolle der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit von Quellen und Informationen bleiben gerade elf Minuten. Raus in die weite, wahre Welt kommen sie gar nicht mehr. Der Anteil der Ortstermine und leibhaftigen Begegnungen an der knappen Recherchezeit beläuft sich auf sagenhafte 1,4 Prozent. Der deutsche Journalist, könnte man folgern, ist der letzte, der mitkriegt, was in Deutschland los ist.
In der Welt der Hochglanz-Magazine sieht es oft nicht besser aus. Freie Journalisten werden hier zu Tätigkeiten genötigt, die viel mit den Wünschen der Inserenten zu tun haben, aber wenig mit Journalismus im engeren Sinne. Meine Kollegin Gabriele Bärtels schrieb nach vielen frustrierenden Berufserlebnissen im Sommer eine kleine Kolumne, die mit dem schönen Satz begann: "Die Pressefreiheit ist konstituierend für die Demokratie, aber nachts steht sie im dünnen Kleidchen an einer Laterne und zwinkert den Anzeigenkunden zu."
http://www.taz.de/index.php?id=archiv&dig=200…
Seine Lässigkeit Sir Steingart ist ein moderner Journalist. Er, sagen die Kenner, hat politisch Carte blanche von Chefredakteur Aust, sorgt forsch dafür, dass der Spiegel heute dem neuen Mainstream vorantrötet und die letzten kulturpessimistischen Bedenkenträger endlich aus ihren Löchern treibt, all diese altlinken Multikultisozialromantiker, Gewerkschafter und andere "Gutmenschen". Steingart hat geholfen, den Spiegel, das einst so stolze "Sturmgeschütz der Demokratie", umzurüsten zur Spritzpistole der Angela Merkel.
Er hat auch ein Buch geschrieben: "Deutschland – der Abstieg eines Superstars". Laurenz Meyer war ganz aus dem Häuschen vor Glück. Das derzeit übliche, flott-dramatisch zugespitzt: Staat verschlanken, Wohlfahrtsunwesen abbauen, Tod dem Tarifkartell – Hausmannskost à la Westerwelle. Was man eben so schreiben muss, wenn man ganz vorne mitmischen will beim "Agenda-Setting". Neoliberal? Nun wird er doch wach. "Neoliberal ist Quatsch. Wirtschaft findet nicht allein in der Wirtschaft statt", doziert der Ökonom Steingart – immerhin: VWL, nicht BWL. Es geht ihm doch nur um die "Anerkennung der Realitäten der Globalisierung".
Er mag Wörter wie "Wirklichkeit" und "Realität". Das klingt absolut total kompetent. Sollen die Linken doch spinnen. "Ich bin Realist." Gar keine Frage, dass so einer mehr sein will als ein Chronist. "Wir sind nicht nur Zaungäste", erklärt Steingart. "Wir haben letztlich eine ähnliche Rolle wie unsere Vorvorgänger bei Willy Brandts Ostpolitik." Sein Spiegel, sagt er, sei schlicht "vorangegangen". Klar, die letzten Linken der Redaktion hatten es schwer seit Lafontaines Abgang. "Journalismus braucht zuweilen Wirtstiere", meint er lächelnd. "Wir haben für Schröders Agenda mitgestritten."
Sein Vorgänger Jürgen Leinemann hat neulich in einer wunderbar ehrlichen Rede über die Zweifel, die Angst und die Verwirrungen der eigenen Zunft einen treffenden Satz gesagt: "Die journalistische Freiheit wird in der Bundesrepublik heute viel weniger durch obrigkeitsstaatliche Pressionen bedroht als durch die weiche Knechtschaft einer eitlen Selbstverliebtheit."
Im Kulturkaufhaus Dussmann, die Friedrichstraße ein Stück hinauf, stapeln sich Kampfschriften à la Steingart. Merz, Miegel, Metzger, alles was das klamme deutsche Herz begehrt, das ganze Ein-Ruck-muss-durch-Deutschland-gehen-Gewerbe ist hier im Regal vertreten. "Schluss mit lustig", ruft Peter Hahne. "Kopf hoch, Deutschland", meint Hajo Schumacher. Die komplette Talkshowdauerbesatzung ist an Bord, auch Kapitän Henkel und Steuermann Späth. Selbst Ober-Rucker Roman Herzog hat noch mal nachgelegt: "Wie der Ruck gelingt". Heinrich von Pierer, Allroundberater aller Regierungen, hat das Buch neulich, gleich um die Ecke, im Max-Liebermann-Haus vorgestellt.
http://www.taz.de/index.php?id=archiv&dig=200…
Ganz im Norden von Mitte, in einer Wohnstraße, hängt über einer Einfahrt ein eher unscheinbares gelbes Schild: Scholz & Friends. Die Schranke steht offen, der Hof ist picobello saniert. Zweihundert Leute schuften hier für die Werbeagentur, die viel mehr macht als gewöhnliche Werbung.
Klaus Dittko, 38, Partner bei Scholz & Friends, bittet ins Dachgeschoss, mit Blick auf die Reichstagskuppel. Der Mann ist Geschäftsführer des Bereichs "Agenda", betreut Kunden im Bereich "politische Kommunikation", auch die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", eine berühmt gewordene Pressure-Group, die den Krieg der Meinungen mit sehr prominenten Nasen führt, mit Leuten wie Roland Berger und Oliver Bierhoff, Kardinal Lehmann und Paul Kirchhof. "Wir wollen eine bürgerliche APO sein", hat einer ihrer Macher mal gesagt. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall zahlt dafür verlässlich.
Ich hatte einen aufgedrehten Werber erwartet, mit viel Gestik schwadronierend. Doch Dittko ist ein ganz nüchterner Typ, freundlich, konzentriert. Höflich ignoriert er, dass der ungeschickte taz-Autor seinen aufgeweichten Keks ins Gestühl schmiert. "Die besondere Kunst", erklärt er, "besteht darin, Inhalte, die für den Kunden wichtig sind, so aufzubereiten, dass sie auch für die Medien relevant erscheinen und zum Gegenstand der Berichterstattung werden."
Dass der das einfach so offen sagt. Ich gucke wie Klein Fritzchen. Also kann jeder kommen, der in Deutschland etwas bewirken will, und sagen: Mach, dass das morgen viele denken und tüchtig drüber schreiben? Dittko wirkt amüsiert über so viel Naivität. Er redet von journalistischem Handwerk. Und dass man die Botschaft geschickt an aktuelle Ereignisse kleben muss, um sie verkaufen zu können. "Florida-Rolf", der Sozialschmarotzer in Bild, sagt er, "hat die öffentliche Wahrnehmung gedreht." Und verweist kühl darauf, "dass die rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2003 eine Fast-180-Grad-Wende der eigenen Politik gemacht hat, mit der Agenda 2010".
Profis wie Dittko reden von "Issue Management", Eventisierung, Emotionalisierung. Ihnen geht es ums Verdichten, Drehen und Zuspitzen. Pieks, pieks, rein in die Volksseele. Man tut das nicht verschämt. Einer wie Dittko ist da ganz professionell bei der Sache. Er fragt sich jeden Morgen: "Was sind die Themen, mit denen ich die Botschaften des Kunden am besten in der Öffentlichkeit transportieren kann?" Und geht an die Arbeit. Er sucht sich gute Absender – bekannte Leute, die das Anliegen gut vertreten. Und Adressaten: solche, die das dann berichten.
Kommunikator Dittko will keine Leitartikel diktieren, sondern knackige Bilder schaffen, die wirklich hängen bleiben. Er bringt die Gier der Blätter und Sender nach News mit den Kundenwünschen auf einen Nenner. Und kalkuliert auch die Eitelkeit der Hauptstadtschreiber mit ein: "Es gibt inzwischen wesentlich mehr Journalisten, die in der Politik mitmischen, die Trends setzen und Meinung machen wollen." Denen wird bei Scholz & Friends geholfen.
Mal so als freundlicher Hinweis an die webmoritz-Betreiber am Rande, "jürgen"s Einträge sind wegen des Umfangs sowie aufgrund mangelnder inhaltlicher auseinandersetzung sicherlich nicht vom Zitatrecht gedeckt, also Vorsicht, nicht dass 'ne Abmahnung eintrudelt (auch wenn Betreiberhaftung bei Forennutzereinträgen ja noch nicht abschließend geklärt ist, aber wäre ärgerlich, wenn Greifswalder Studenten mit ihren Semesterbeiträgen 'nen Rechtsstreit bis zum BGH finanzieren müssten…).
och, ich hab durch den kleinen Auszug hier den gesamten Artikel gelesen…
Und eigentlich kann man es ruhig drauf ankommen lassen ob die TAZ ein studentisches Medienportal verklagen möchte…
…MAn Man – wer nicht wagt der nicht gewinnt…