webMoritz-Autor Oliver Wunder schrieb direkt aus dem Audimax für den webMoritz.

19:40

Nach Hörsälen und Instituten in den deutschen Städten Münster, Heidelberg, München und Potsdam, sowie Wien und vielen anderen Städten in Österreich gibt es nun auch in Greisfwald eine Gruppierung, die einen Hörsaal des Audimax in der Rubenow-Straße besetzt hat. So hiess es zumindest bei Twitter in der digitalen Welt. Von Besetzung wollte im Audimax aber noch niemand offiziell sprechen. Richtig sicher waren sich die Organisatoren nicht.

Für 16 Uhr hatte es einen über Mundpropaganda verteilten Aufruf für eine Besetzung gegeben – die offensichtlich ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatte. Und das, obwohl auf die Mobilisierung über das Internet also die einschlägigen Greifswalder Blogs oder Twitter explizit verzichtet bzw. die Verbreitung sogar verboten wurde. Dabei zeigte sich vor wenigen Wochen die Mobilisierungskraft über Twitter an Hand des NPD-Infostandes am Fischmarkt. Es waren dann aber nicht nur Vertreter der studentischen Presse anwesend, sondern auch Redakteur und Fotograf von der Ostsee-Zeitung, ein Redakteur von Greifswald TV, Uni-Pressesprecher Meßerschmidt und Kanzler Flieger.

Doch auch bis 16:30 Uhr waren lediglich 30 – 40 Studierende im Foyer des Audimax eingetroffen. Mehr oder weniger organisiert gingen sie dann in einen freien Hörsaal und besprachen sich über die Bildungspolitik. So wurde es zumindest offiziell formuliert. Gegenüber dem Uni-Pressesprecher und einem Redakteur von Greifswald TV (die Ostsee-Zeitung war schon wieder verschwunden) versuchte Eric Hartmann dann, das Zusammentreffen der Studenten als „Besprechung über den Bildungsstreik“ darzustellen. Da sich offenbar niemand der Hochschulgruppen Jusos, GHG und Die Linke.SDS, die wohl hinter dem Aufruf standen, verantwortlich fühlte, übernahm schließlich Sebastian Jabbusch das Wort und versuchte, die Debatte zu strukturieren.

Man war sich schnell einig, dass für eine Besetzung mehr Studierende nötig wären, daher wurde und wird die Aktion nur als Gesprächsforum bezeichnet. Arbeitsgruppen, die sich mit Öffentlichkeitsarbeit, Transparentgestaltung, Verpflegung und weiteren Planungen für die nächsten Tage wurden gegründet.

Bis 22 Uhr muss nun beschlossen werden, ob die bisher nur offiziell als „Diskussion“ bezeichnete Aktion eine richtige Besetzung werden soll. Um 22 Uhr kommt nämlich der universitäre Schlüsseldienst und schließt das Audimax ab. Währenddessen sammeln sich zur Stunde im Audimax aber schon ein paar Schlafsäcke. Einige scheinen entschlossen, länger zu bleiben. Bisher geht das „Plenum“ aber nur in leere Hörsäle.

Die Proteste gingen von Österreich aus, wo seit über zwei Wochen das Audimax in Wien besetzt ist. Ausgehend von Wien breiteten sich die Proteste in ganz Österreich aus und schwappten letzte Woche schließlich über die Grenze nach Deutschland über. Am Mittwoch, 04. November 2009, besetzten Studierende in Münster bis zur Räumung zwei Tage später das Audimax.

Ab 17. November soll die zweite Welle des bundesweiten Bildungsstreiks starten. Der webMoritz berichtete über geplante kleinere Aktionen, und dass eine Hörsaalbesetzung seitens der Greifswalder Bildungsstreikgruppe nicht ausgeschlossen würde.

Im Sommer nahmen 300 Schüler und Studierende an der Bildungsstreik-Demo in Greifswald teil, doch war diese Aktion nicht sonderlich gut beworben worden und es gab vorher Auseinandersetzungen im StuPa. Daher wurde die Demo auch nicht von StuPa und AStA offiziell unterstützt.

Update 23:15 Uhr

von Gabriel Kords

Die Universitätsverwaltung hat gegen 21:45 Uhr in Person des 2. stellvertretenden Kanzlers Dr. Peter Rief die Besetzung des Audimax gebilligt. Rief betrat den Hörsaal 4, in dem sich zu diesem Zeitpunkt etwa 50 Studenten aufhielten, noch vor der Entscheidung der Protestierenden, ob sie eine Besetzung über Nacht überhaupt versuchen wollten. Als er bekanntgab, der Universitätssicherheitsdienst werde das Audimax nicht verschließen, brach nach einem kurzen Moment der Fassungslosigkeit Jubel unter den Anwesenden aus. Dass man über Nacht bleiben wolle, stand für einen Teil der Anwesenden nun außer Frage.

Rief erklärte auf Nachfrage, die Entscheidung, den Hörsaal offen zu lassen, habe er selbst getroffen, nachdem er vom Rektor angerufen worden sei mit der Bitte, das zu entscheiden. Aus welchen Gründen Rief entschied und mit wem er sich vor der Entscheidung verständigte, ist nur gerüchteweise bekannt. Angeblich hatte sich bei der Uni-Verwaltung niemand der Protestierenden gemeldet, um nach einer gütlichen Lösung zu suchen. Gemeinsam mit Rief erschienen allerdings Paul Dederer und Thomas Schattschneider im Hörsaal. Schattschneider erhielt separaten Beifall vom Plenum – die Anwesenden gingen offenbar davon aus, dass er zu der Vermittlung der Entscheidung beigetragen hatte. Schattschneider selbst mochte sich nicht eindeutig äußern.

Weiterhin wurde gemutmaßt, die Uni wolle die Besetzung zu ihren Zwecken ausnutzen. Immerhin könne sich auch das akademische Personal hinter einen Teil der Forderungen der Studierenden stellen.

Die Protestierenden, die zuvor eine Reihe von Plänen erarbeitet hatten, die auf den unten aufgeführten Websites und Twitter-Accounts nachgelesen werden können, zeigten sich von der Entscheidung der Uni-Verwaltung begeistert. „Die Uni ist kooperativer als der AStA“ unkten verschiedene Jusos, Stephan Schumann auch öffentlich.

Morgen sind für 10 Uhr und 16 Uhr zwei Plena im Audimax geplant. Dazu sollen umfangreich Studenten mobilsiert werden, die eigentlich in eine Vorlesung wollen. Auch auf dem neuen Campus soll intensiv geworben werden. Wie viele Naturwissenschaftler und Mediziner an der Besetzung teilnehmen, kann derzeit nur spekuliert werden, mindestens drei konnte der webMoritz allerdings ausfindig machen.

Über die Haltung des AStA wurde am Abend massiv spekuliert. Der webMoritz konnte zur vorgerückten Stunde aber keine zuverlässigen Informationen mehr darüber erhalten. Diese werden wir zusammen mit weiterer Berichterstattung morgen nachreichen.

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