„Folter sollte verboten bleiben weil…!“ Wer sich auf diese Frage eine Antwort erhoffte, wurde in der Veranstaltung mit Alexander Bahar zum Thema Folter am vergangenen Mittwoch enttäuscht. Vielmehr erläuterte der 49 Jährige Publizist aus Schwäbisch Hall die Entwicklung von Folter in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis in unsere Tage. Er leistete damit einen Beitrag im Rahmen der Greifswalder Entwicklungpolitischen Tage zum diesjährigen Thema „MenschenRecht haben“ geleistet.
Bei der Lesung aus seinem Buch „Folter im 21. Jahrhundert – Auf dem Weg in ein neues Mittelalter“ legte der Autor daher seine Gedanken zur Rolle der Folter in heutiger Zeit dar. Anhand vieler Beispiele in Folge der Geschehnisse am 11. September 2001 unterstrich er, dass auch in unseren Tagen der Schutz der Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit zur „Verteidigung“ unserer technischen Zivilisation immer wieder verletzt werden. Die Folterungen in Guantanamo Bay und Abu Grahib sind sicherlich auch eindrucksvolle Belege für diese Aussage.
Wer nun aber erwartete, im Anschluss daran erläutert zu erhalten, weshalb dies ein Frevel gegen die Menschlichkeit sei, wurde enttäuscht. Alexander Bahar unterstrich in seinem Vortrag stattdessen die These, dass von den Folterungen nur deshalb so viel in der Öffentlichkeit bekannt sei, um die Völker der ersten Welt immer in einer latenten Angst zu halten: vor der terroristischen Bedrohung einerseits und der Staatlichen Willkür im Falle eines Angriffes gegen die Staatsmacht andererseits. Allein durch diese Angst sei es den Nationen möglich die Machtinstrumente zu entwickeln und zu schärfen, die benötigt werden, um bei weiterem Öffnen der Schere zwischen Arm und Reich, weiterhin die Kontrolle innerhalb der Länder zu behalten: Eine neue Version von Orwells „1984“. Dazu würden unter den verschiedensten Gründen -als Stichwort sollten hier Begriffe wie Antiterrordatei, der große Lauschangriff, oder Internetzensur aufgrund pädophiler Videos genügen- die Rechte der Menschen beschnitten, verängstigende Nachrichten lanciert und die Duldung der vorgenommenen Maßnahmen erkämpft.
Der Gewissenskonflikt beim Foltern
Die Frage nach dem Warum eines Folterverbotes im Sinne der Menschenrechte, unter deren Motto die entwicklungspolitischen Tage stehen, blieb leider unbeantwortet. Im Zusammenhang, wie ihn Alexander Bahar in seinen Ausführungen erläuterte, ist Folter eigentlich nur als Mittel zur Stabilisierung und Erweiterung der Macht der Industrienationen zu verurteilen. Die konsequente Ablehnung von Folter schien sich für ihn demnach im besten Fall von selbst zu verstehen.
Nun mag zwar die Brisanz für die Menschenrechte auch ohne den expliziten Hinweis seitens des Autors auf die Unmenschlichkeit von Folter durchaus evident zu sein. Fraglich ist aber ob ein Blick, der sich im Wesentlichen auf die Folgen der Duldung von Folter reduziert nicht unangemessen kurz ist. Schließlich existieren Fälle in denen Folter zumindest nicht völlig unangemessen erscheinen könnte.
Immerhin sind vielen noch die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Bankierssohn Jacob von Metzler durchaus präsent. Damals hatte der damalige stellvertretende Polizeipräsident von Frankfurt, Wolfgang Daschner, dem mutmaßlichen Täter Magnus Gäfgen durch Androhung von Folter das Versteck des Jungen abgenötigt. Zwar war der Junge zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben, doch immerhin bestand aus Sicht der Polizisten zu dieser Zeit noch die realistische Chance den Jungen lebend aus seinem Gefängnis befreien zu können. Kaum einer wird sich eines gewissen Verständnisses für die Entscheidungen Daschners entziehen können. Somit bleibt auch nach dem Vortrag die Frage bestehen: Sollte bzw. muss Folter auch weiterhin verboten bleiben. Und wenn ja aus welchem Grund.
Es wäre schön gewesen hätte Alexander Bahar an dieser Stelle seine Gedanken noch weiter ausgeführt. Somit bleibt das Gefühl zurück eine der entscheidenden Fragen im Zusammenhang mit der Recht- oder Unrechtmäßigkeit der Folter nicht gebührend diskutiert zu haben.
Bilder:
Bild Startseite – takomabibelot via flickr
Foto Alexander Bahar – privat
"Kaum einer wird sich eines gewissen Verständnisses für die Entscheidungen Daschners entziehen können." Doch. Sogar im Gegenteil: Wer gerade am Beispiel Daschner auch nur in Ansätzen meint, das Vorgehen rechtfertigen zu können, steht auf der Seite des Folterstaats. Warum das so ist, lässt sich zB in der Resolution unter http://www.stop-torture.de nachlesen.
Es gibt wohl kaum ein billigeres und schlechteres Beispiel "pro Folter" als der Fall Daschner. Am Ende gibt es natürlich gar keine "guten" Beispiele für staatliche Folter, aber gerade der Fall Daschner ist dermaßen provokant einseitig lanciert, dass es schon einer gewissen Mühe bedarf, dies zu übersehen…
Dem kann ich mich nur anschließen.
Etwas verstörend, was auf dem Webmoritz so beiläufig in den Artikeln mitschwingt: "Somit bleibt auch nach dem Vortrag die Frage bestehen: Sollte bzw. muss Folter auch weiterhin verboten bleiben. Und wenn ja aus welchem Grund."
Zum "Fall Daschner" hier der Hinweis auf ein Flugblatt der Initiative Libertad! aus Frankfurt: http://www.libertad.de/service/downloads/pdf/dasc…
Hier noch ein Link zur Anti-Folter-Kampagne von Libertad!: http://www.libertad.de/inhalt/archiv/libertad/200…
Ich war da und muss sagen, den Schluss, dass ne wichtige Frage offen geblieben ist, kann ich durchaus nachvollziehen. Das schlimmste an diesen Fällen, wo Foltern relativiert ist, ist nämlich wirklich, dass die Leute sich nicht aus rein menschlichen Beweggründen von der Folter abbringen lassen. Es wäre ein Leichtes gewesen, rational zu begründen, warum Folter zu verwerfen ist, das hat Herr Bahar jedoch unterlassen. Ich empfehle hierzu Teile des Buches "Der Terrorist als Gesetzgeber" von H. Prantl.
Herrlich diese Propaganda 🙂
Man bedenke, der Daschner hat Gewalt angedroht(mündlich) und ist dafür von einem ordentlichen Gericht bestraft worden.
Warum offensichtlich linke Extremisten auch hier wieder versuchten dem Rechtstaat sämtliche Legitimation abzusprechen darf sich jeder selbst ausdenken…
Bezeichnend ist jedoch, dass rat marut sich vehement für die DDR einsetzt (wo Folter staatlich legitimiert war) an dieser Stelle jedoch mit dem selben Argument einmal im Wind dreht…
Wann soll ich mich (zudem noch vehement) für Folter eingesetzt haben? – Siehste, also bitte die Verleumdungen unterlassen, danke!
Mensch muß nicht "linker Extremist" sein, um Folter abzulehnen, denn eigentlich sollte das zivilisatorischer Mindeststandard sein. Aber vielleicht kennen Linke Folter auch einfach nur zu gut von ausländischen GenossInnen aus der Opferperspektive: So wird beispielsweise im Spanischen Staat (Incomunicado-Haft) systematisch Folter gegen politisch Linke angewandt, gleiches wird übrigens beim NATO-Türkei trotz Unterzeichnung der Antifolterkonvention weiterhin getan. Über die menschenrechtlichen Standards in den maghrebinischen Staaten, die Teil des europäischen Grenzregimes FRONTEX sind, müssen wir uns auch keine Illusionen machen.
Leider wird Folter (siehe Baghram, siehe Abu Ghraib, siehe Guantánamo) auch in westlichen Staaten offenbar zunehmend zum probaten Mittel zur Durchsetzung der eigenen Herrschaftsansprüche. Gerade die juristische Debatte dazu in der BRD, wo in der juristischen Literatur ganz offen Folter befürwortet und das Folterverbot aufgweicht wird, ist schon beängstigend.
Außerdem werden mittlerweile (siehe Verfahren gegen türkische Genossen in Stuttgart-Stammheim) mittels §129b StGB Aussagen, die auf Folter im Ausland (hier Türkei) beruhen in bundesdeutsche Gerichtsverfahren eingeführt. Das finde ich skandlös.
Auch auf die Gefahr hin OT zu werden.
Wo schrieb ich das DU dich für Folter eingesetzt hast? Und für das was ich schrieb habe ich Gründe. Hier nur einer von unzähligen Kommentaren welche die DDR verherrlichen:
(Hab mal einfach nen Pfeil ins Archiv geworfen und einen rausgesucht)
"
Löhne hatten zudem einen anderen Charakter aufgrund der unterschiedlichen Produktionsbedingungen. Während Löhne in der kapitalistischen Gesellschaft ein Gegenwert für die Ware Arbeitskraft sind (wobei im Lohn der Mehrwert nicht enthalten ist, der an den Produktionsmitteleigentümer geht), die auf dem Markt gegen andere Waren gehandelt werden können, sind Löhne in realsozialistischen Staaten eine reine Rechungseinheit, die den jeweiligen erarbeiteten Anteil am Volksvermögen angibt. Es darf ja nicht vergessen werden, daß alle bedeutenden Produktionsmittel als vergesellschaftetes Eigentum auch von allen StaatsbürgerInnen der DDR kollektiv besessen wurden.
Der panische Edmund'sche Aufschrei hinsichtlich der Enteignung von PrivateigentümerInnen von Produktionsmitteln ist in so weit einseitig, weil die Enteignungen 1990 ff. von kollektivem Eigentum durch die Treuhand nicht kritisiert werden. Und von dieser Enteignungswelle waren immerhin 16,5 Mio. Menschen betroffen."
http://www.webmoritz.de/2009/03/23/herr-sellering…
Folter gehört zum Realsozialismus – sonst funktioniert das anscheinend nicht!
Wie die Mauer, gestern bei Anne Will, gebraucht wurde…sonst hätte das System nicht funktioniert… Angst und Repression -> Im Zusammenhang mit neuer Weltordnung
Das macht mir Angst weil Folter real und alltäglicher wird…
Dank Medien wie BILD sogar als legitimes Mittel dargestellt werden. Das hat schonmal geklappt und kann wieder funktionieren. Zeig mit dem Finger auf einen, sag der ist böse und lass ein Notstandsgesetz alles regeln… dann kannste bald alle foltern