Eine Rezension von Thomas Kaiser

„Dein war mein ganzes Herz“ – singt der Hauptdarsteller am Ende des 2. Aktes und damit auch am Ende einer Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen unterschiedlichster Herkunft. Die Liebe, die sonst grenzenüberwindend Menschen miteinander verbindet, bleibt chancenlos im „Land des Lächelns“, der Operette von Franz Lehár.  Derzeit ist das Stück aus den 20er Jahren im Rahmen der Ostseefestspiele auf der Stralsunder Seebühne in einer Inszenierung von Intendant Anton Nekovar zu sehen.

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v.l.n.r. Bernhard Leube und Michael Renier

Die Kulturen, in der Lisa, die Tochter von Graf Ferdinand Lichtenfels aus Wien, und Prinz Sou-Chong aus Peking im Jahre 1912 verwurzelt sind, ließen sich nur unter Aufgabe der eigenen Wurzeln verbinden. Lisa begleitet ihren Prinzen aus Peking, nach seinem Besuch in Wien, zurück in sein Land. Doch muß dieser erkennen, dass auch er als Staatsminister sich der Tradition vier Frauen heiraten zu müssen nicht, ohne sein Heimatland verlassen zu müssen, entziehen kann. In Erkenntnis seiner Ohnmacht macht er Lisa klar, dass sie in seinem Land nur ein Sache ist – eine Sklavin. Ein verzweifelter Versuch zu sagen – nimm mich so wie ich bin. Dieses Opfer ist Lisa nicht bereit zu bringen. Auf der Flucht wird sie und ihr aus Wien nach gereister Verehrer vom Prinzen gestellt. Jedoch läßt er beide frei, da er erkennt, daß die Sehnsucht Lisas nach ihrer Heimat auf Dauer die Liebe zwischen beiden zum Erlöschen bringen würde.

Eine große Herausforderung für den Intendanten ist es, Wien und Peking auf einem Schiff im „preußischen“ Stralsund zu erschaffen. Der moderne Nicht-Wiener tut sich hin und wieder schwer, Verständnis zu haben, für Schmalz und Klischees, die dem etwas in die Jahre gekommenen Stück innewohnen?

Optisch erwarten den Besucher auf der Stralsunder Seebühne feuerspeiende Drachen, Budda-Figuren, und tanzende Chinagirls mit Laternen. Die Kostüme des hervorragenden Theaterballetts erinnern jedoch (möglicherweise aus Budgetgründen) an weit mehr Länder als nur Österreich und China unserer Erde. Dies und der gekünstelte wienerische und chinesische Zungenschlag der Sänger machen das Stück leider atmosphärisch gewöhnungsbedürftig.

ostseefestspiele_land_des_laechelns_1-280x306-vincent_leiffer_presse_theaterVom Orchester kann der Zuschauer sich jedoch einiges erhoffen. Zwar bleiben die Musiker hinter einer durscheinenden schwarzen Wand verborgen, werden jedoch sehr gut durch die Außenlautsprecher wiedergegeben. Bei den dynamisch starken, akzentuierten Stellen kommt ein echtes 5.1-Kinogefühl auf. Teils innig, teils dramatisch versteht es Egbert Funk, dem Orchester sehr viele klangliche Facetten zu entlocken.

Der Star des Abends war – jedenfalls am Samstag, den 4. Juli – Eva Resch in der Rolle der Mi, der Schwester des Prinzen. Mit unübertroffener Spielfreude spielte und sang sie sich in die Herzen der Zuschauer. Mit ihrer Leidenschaft und ihren Emotionen sorgte sie für starke Szenen und dafür, dass der Funke schließlich doch zu den Zuschauern übersprang. Beinahe ebenso hervorragend auch Silja Schindler in der Rolle der Lisa: Mit ihrem bezaubernden, liebevollen Gesang, selbst in den höchsten Höhen, versucht sie den Prinzen Sou-Chong für sich zu gewinnen.

Warum aber der Prinz mit dem etwas älteren dramatischen Tenor Michael Renier, bekannt durch Tosca, Fidelio und Andrea Chénier, besetzt wurde, bleibt unverständlich. Für die romantische Liebesrolle des Prinzen fehlt ihm die Geschmeidigkeit und anscheinend das rhythmische Gefühl für die Melodien des Stückes. Durch den fehlenden langen Atem, das häufige Abdunkeln der hohen Töne und die fehlenden Nuancen in der Dynamik können die zahlreichen schwelgenden Melodien nicht richtig erblühen und Dirigent Funk hat alle Mühe das Orchester mit dem Sänger zusammenzuhalten, was ihm aber dennoch oft gelang.

Insgesamt kann man mit „Land des Lächelns“ einen sehr schönen Abend auf der Stralsunder Seebühne erleben, sollte sich aber, wenn möglich, für Noriyuki Sawabu (die zweite Besetzung) als Sänger des Prinzen entscheiden.

Bilder: Vincent Leifer mit freundlicher Genehmigung des Theaters Vorpommern