Die Vollversammlung am gestrigen Mittwoch war mit deutlich über 1000 Besuchern zum ersten Mal seit Jahren beschlussfähig. Dieses vordringliche Ziel des AStA war bereits um 16:40 Uhr erreicht, als sich der 564. Student und damit 5% der Studierendenschaft bei der Vollversammlung anwesend gemeldet hatte. Um 17 Uhr hätte die Veranstaltung dann eigentlich beginnen sollen, aber tatsächlich dauerte es knapp eine halbe Stunde länger, bis es losging – „wie das bei Studenten halt so ist“, sagte AStA-Vorsitzende Scarlett Faisst wie zur Entschuldigung.

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Viele Studenten begehrten Einlass

Nach der Eröffnung gegen 17:30 Uhr hatten die Studenten knapp vier Stunden Vollversammlung vor sich und damit etwa die Dauer einer kürzeren StuPa-Sitzung. Auch an anderen Stellen erinnerte die Open-Air-Veranstaltung an die Sitzungen des Studierendenparlaments. So weckte bei kundigen Teilnehmern bereits die Eröffnung von StuPa-Präsident Korbinian Geiger, der als Sitzungsleiter fungierte, Erinnerungen an trockenste Sitzungsatmosphäre des StuPa. Und auch der weitere Fortgang hatte gewisse Ähnlichkeiten: Insgesamt etwa 20 Studenten meldeten sich zum Teil mehrfach zu Wort, um ihre Meinung kundzutun, während der (bei der Vollversammlung ziemlich große) Rest meistens schweigend um sie herum saß.

Vorwurf: Einfach zu langweilig!

So beschwerte sich dann auch zum Ende der Vollversammlung ein Jura-Student mit dem durchaus nachvollziehbaren Vorwurf, die Veranstaltung sei in weiten Teilen viel zu formal gewesen: „Ihr habt euch ja wirklich Mühe gegeben, aber es war einfach zu langweilig“, sagte er in Richtung AStA. Der hatte sich in der Tat redlich bemüht und eine gut organisierte Veranstaltung auf die Beine gestellt. Abgesehen von einem einsamen Beamer, der am Rande des Innenhofs erfolglos gegen das Tageslicht anfunzelte, und dem verspäteten Beginn, gab es nahezu keine Probleme.

Dennoch offenbarte auch die am Ende zwölf Punkte umfassende Tagesordnung gewisse Ähnlichkeiten zu Gremien-Sitzungen. Gewiss: Das StuPa hat in seinen vierstündigen Sitzungen gelegentlich auch wesentlich kürze Tagesordnungen nicht komplett abgearbeitet und besonders der erste TOP „Formalia“ wurde auf der Vollversammlung in Rekord-Tempo erledigt. Die Debatte allerdings erinnerte oft an das Studierendenparlament – übrigens auch hinsichtlich der Redner.

Der „Arndttrag“ war das heißeste Eisen

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Abstimmung mit rosa Stimmzetteln

Daher war es auch selbstverständlich, dass die erste Wortmeldung des Abends vom StuPisten, Senator und Arndt-Aktivisten Sebastian Jabbusch stammte, der durchaus verständlich darum bat, den Antrag zu Ernst Moritz Arndt vorzuziehen, unter anderem aus Rücksicht auf den Redner Professor Werner Buchholz, Lehrstuhlinhaber für Pommersche Geschichte und Landeskunde am Historischen Institut, der über Ernst-Moritz-Arndt informierte. Buchholz ist selbst für die Abschaffung des Uni-Namens. Er lieferte zahlreiche Belege im Sinne der Antragsteller – so wortreich, das Korbinian Geiger ihn irgendwann um Schluss seiner Ausführungen bitten musste.

Der „Arndttrag“, wie der vermutlich am heißesten diskutierte Antrag auf der Vollversammlung genannt wurde, war die Neuauflage eines alten Streits: Mehrere StuPisten forderten darin, die Studierendenschaft möge sich vom Uni-Namenspatron Ernst Moritz Arndt distanzieren und sich dafür aussprechen, den Namen abzulegen. Außerdem soll er von den Gremien der Studierendenschaft nicht mehr benutzt werden.

Die an Buchholz‘ Vortrag anschließende Debatte war in Rednern und Inhalt so vorhersehbar wie langweilig: Ein paar kritische Rückfragen (unter anderem vom RCDS), entsprechende Antworten (vor allem von Sebastian Jabbusch) und zahlreicher Zuspruch. Außerdem erwähnenswert: Ein Antrag von Richard Stabenow, man möge bitte aktiv nach einem neuen Namen für die Uni suchen.

Nach dem „Arndttrag“ kam die Leere

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Später wurde es leerer

Als der Arndt-Antrag dann mit großer Mehrheit beschlossen war, zeigte sich ein großer Nachteil der Vorziehung dieses Tagesordnungspunktes: Der Uni-Innenhof leerte sich schlagartig. Vermutlich war bereits ab diesem Zeitpunkt die formelle Beschlussfähigkeit nicht mehr gegeben, was allerdings erst sehr viel später gegen 20:30 Uhr offiziell festgestellt wurde.

Im Rahmen des Arndt-Antrags außerdem beschlossen wurde, eine Urabstimmung über die Frage herbeizuführen, ob die Studenten wollen, dass ihre Uni „Ernst-Moritz-Arndt-Universität“ heißt. Die Urabstimmung soll im Rahmen der StuPa-Wahlen im Januar 2010 durchgeführt werden. Allerdings müssen zunächst 10% der Studierendenschaft auf Unterschriftenlisten für diese votieren.

Im Anschluss folgten Anträge zur Ablehnung von Verwaltungsgebühren, zur Verbesserung der Wohnraumsituation, zu Baumaßnahmen in der Loefflerstraße (Prorektor Professor Michael Herbst informierte kurz und prägnant) und verschiedene weitere Punkte. Gelegentlich gab es zu diesen Änderungsanträge. Allen Anträgen war gemeinsam, dass ein sehr kleiner und größtenteils gut bekannter Teil der Studierenden sich in der Regel wiederholt zu Wort meldete und seine Meinung kundtat. Hervor stachen unter anderem mehrere Redebeiträge des Gewinnspiel-Coinitiators Arik Platzek, der zuerst wortreich forderte, alle mögen sich bitte kurz fassen und später gelegentlich selbst umfangreich Position bezog.

Die meisten Anträgepassierten die Vollversammlung mit großer Mehrheit. Im Folgenden eine Übersicht über die wichtigsten Anträge:

  • Wohnraumsituation: Stadt und Studentenwerk werden aufgefordert, sich intensiver für mehr bezahlbaren Wohnraum in Greifswald einzusetzen.
  • Klare Ablehnung von Studiengebühren und Verwaltungsgebühren im Rahmen der LHG-Novellierung. Auch ein Änderungsantrag der Jusos, auch das Studienkonten-Modell abzulehnen, fand eine (wenn auch äußerst knappe) Mehrheit und wurde daher mit beschlossen.
  • An der Loefflerstraße sollen in ehemals von der Medizin genutzten Gebäuden neue Domizile für verschiedene Institute der philosophischen Fakultät entstehen. Dafür hat das Land zwar Geld in Aussicht gestellt, aber es ist ungewiss, ob das auch kommen wird. Auf Antrag des AStA (und mit Unterstützung von Prorektor Prof. Herbst) fordert die Studierendenschaft nun vom Land, die Finanzierung voranzutreiben.

Bei allen Beschlüssen der Versammlung handelt es sich allerdings um zahnlose Tiger: Es sind Forderungen an verschiedene Adressaten – niemand wird zu irgendetwas verpflichtet. Gerade im Hinblick auf diese Tatsache ist hervorzuheben, dass über 1000 Studenten zur Vollversammlung kamen.

(Fast) Alle bekamen Bolognese

Als gegen 19:45 Uhr die Sitzung faktisch unterbrochen wurde, weil der ursprünglich als letzter vorgesehene Tagesordnungspunkt „10 Jahre Bologna“ (Gratis-Nudeln mit Sauce Bolognese für alle) aus Gründen der fortgeschrittenen Zeit und sinkender Speise-Temperatur vorgezogen wurde, leerte sich der Uni-Innenhof weiter. Ebenfalls geleert (und zwar restlos, wie die hungrigen webMoritz-Chefredakteure schmerzlich erfahren mussten!) wurde das Gratis-Essen – die Studenten standen mit stoischem Gleichmut in einer Riesen-Schlange an. Unversorgt blieben am Ende nur wenige.

Nach der Essenspause bekam die Versammlung dann streckenweise klamaukige Anteile, unter anderem als ein Antrag behandelt wurde, die Uni möge künftig in ihren Kopierern nur noch Öko-Papier verwenden. Als der Antrag dahingehend geändert werden sollte, dass auch das Klopapier Öko-Standards erfüllen sollte, machte sich sogar der Sitzungsleiter persönlich über diesen lustig (O-Ton: „Da könnte man ja auch gleich Blätter pflücken.“), sondern ein Scherzkeks beantragte gleich noch mit, dass die Uni auch dazu angehalten werden solle, künftig nur noch Toner aus kontrolliert ökologischem Rhabarbersaft-Anbau zu verwenden.

Verlosung: Gewinn soll versoffen werden

Nochmals interessant wurde die Veranstaltung, als der RCDS-Vorschlag debattiert wurde, auf die Verlosung von 564 Euro an einen der Teilnehmer zu verzichten (mit großer Mehrheit abgelehnt) und als anschließend die Verlosung stattfand. Über diese war im Vorfeld der Vollversammlung hitzig diskutiert worden, weil ihr offensichtlicher Zweck, Studenten mit Geld zur Vollversammlung zu locken, von vielen Studenten scharf kritisiert wurde. Der glückliche Gewinner tat der erleichterten Masse dann kund: „Ich werde das ganze Geld versaufen!“ Kundige Stimmen munkeln allerdings, dass er damit nicht die ganze Wahrheit gesagt haben könnte…

Ein Protokoll der Vollversammlung sowie deren Beschlüsse in Schriftform liegen derzeit noch nicht vor. Wir werden sie so schnell wie möglich hier verlinken oder veröffentlichen.

Update 20.6., 13 Uhr

Wie uns der stellvertretende AStA-Vorsitzende Jens Pickenhan mitgeteilt hat, ist der im Artikel inzwischen durchgestrichene Passus, die Beschlussfähigkeit sei vermutlich nach dem Arndt-Antrag nicht mehr gegeben gewesen, so nicht zutreffend. Tatsächlich sei von den Helfern laufend mitgezählt worden, wer die Veranstaltung betreten und verlassen habe, sodass man zu jeder Zeit eine ungefähre Teilnehmerzahl habe bennenen können. Als nach der Blogona-Pause die kritische Grenze unterschritten war, wurde dann nachgezählt und die Beschlussunfähigkeit festgestellt. Wir bedauern den Fehler!

Update 23.6., 16 Uhr

Wegen technischer Probleme konnten wir die Foto-Galerie zum Artikel erst heute hochladen. Hier ist sie:

Fotos: Luisa Wetzel