„Die Lage ist eskaliert“, ist die nüchterne Analyse von Senator Ulf Dembski über die Situation der freiwilligen Feuerwehr. Seit gestern sind die Kameraden nicht mehr einsatzbereit, weil sie ihr Ehrenamt mit sofortiger Wirkung niedergelegt haben. 30 der Feuerwehrleute fuhren mit ihren Fahrzeugen und ihrer Ausrüstung vor dem Rathaus vor und legten ihre Dienstkleidung vor der Tür ab. Auch ihre Pieper, mit denen sie zum Einsatz gerufen werden, gaben sie ab. Damit können sie nicht mehr erreicht werden, wenn die Berufsfeuerwehr sie zu Hilfe rufen würde.

Warum hat die freiwillige Feuerwehr ihren Dienst quittiert? Was passiert jetzt, wenn’s brennt? Und wie wird man das Problem lösen? webMoritz.de versucht, einige Antworten zu geben.

Was ist passiert?

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Protest gestern (Klicken zum Vergrößern)

Bereits im Januar hatte die freiwillige Feuerwehr faktisch ihr Dach über dem Kopf verloren: Das Gebäude der Wehr war von Statikern für einsturzgefährdet erklärt worden. Daraufhin waren die Brandbekämpfer kurzzeitig nicht einsatzbereit gewesen, bis sie in der Wache der Berufsfeuerwehr in der Wolgaster Straße einquartiert werden konnten. Dort sind die Platzverhältnisse allerdings bei weitem nicht ausreichend.

Die Stadt hat nun eine Hallenfläche in der Bahnhofstraße angemietet, die für einige Jahre als Wache der freiwilligen Feuerwehr hergerichtet werden soll. Diese Herrichtung ist nach Angaben der Stadt bereits seit April im Gange und soll spätestens zum 1. Juli beendet werden, womöglich sogar schon eine Woche eher.

Die freiwillige Feuerwehr hat sich jedoch gestern einsatzunfähig gemeldet und ihre Ausrüstung zurückgegeben. Eigentlich sollte sie am Rathaus an Oberbürgermeister Arthur König überreicht werden, doch da dieser nicht im Haus war, bekamen die Dezernenten Reinhard Arenskrieger und Ulf Dembski die Gegenstände und die Pieper überreicht. In einer Erklärung der Zug- und Gruppenführer der Wehr heißt es:

„Wir sehen uns nicht mehr in der Lage, die von uns für die Stadt Greifswald und ihre Bürger übernommenen Aufgaben im Brandschutz und der technischen Hilfeleistung sicher und mit einer genügenden Anzahl von Einsatzkräften aufrecht zu erhalten. Der gesundheitsgefährdende und sicherheitsrelevanten Normen widersprechende Zustand des einsturzgefährdeten Gerätehauses in der Baderstraße ist der Stadt seit fast zwanzig Jahren bekannt – ebenso die unzureichende Unterbringung der Berufsfeuerwehr in der Wolgaster Straße und die vielfach veraltete Technik. Trotzdem hat die Stadt Greifswald, solange keine Abhilfe geschaffen, bis das Gerätehaus in der Baderstraße im Januar geräumt werden musste. Einzugstermin in das neue Gerätehaus soll erst im Jahr 2015, also in sechs Jahren sein. Trotzdem haben am Übergangsstandort in der Bahnhofstraße bis heute keine Umbauarbeiten begonnen, um die Freiwillige Feuerwehr zumindest bis 2015 sicher unterzubringen.“

In einer mit gerade einmal anderthalbstündigen Vorlauf einberufenen Pressekonferenz äußerten sich die beiden Dezernenten Dembski und Arenskrieger sowie Ordnungsamtsleiterin Heidemarie Friedrich und Thomas Chrisitan Paul, Leiter der Berufsfeuerwehr zu den Vorwürfen. Sie halten das Vorgehen der freiwilligen Feuerwehr aufgrund mehrerer Punkte für falsch.

Zum einen sei die neue Unterbringung an der Bahnhofstraße bereits seit mehreren Wochen im Bau, sagte Baudezernent Arenskrieger. Außerdem sicherte er zu, dass die Unterbringung bald bezugsfertig ist: „Ich stehe dafür ein, dass die Räume am 1.7. fertig sind.“

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Not Amused: (vlnr) Heidemarie Friedrich, Ulf Dembski, Reinhard Arenskrieger, Thomas Christian Paul bei der Pressekonferenz

Darüber hinaus habe es seitens der freiwilligen Feuerwehr keine Vorwarnung für den Schritt gegeben. Die Maßnahme, sofern es sich um eine Demonstration handle, habe gegenüber dem Ordnungsamt angekündigt werden müssen und sei überdies auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Stadt jederzeit für Gespräche zur Verfügung gestanden habe. Ulf Dembski sieht das Vertrauensverhältnis zu den Feuerwehrleuten gestört und will neue Gespräche anberaumen, um die Schwierigkeiten dauerhaft aus der Welt zu schaffen.

Reinhard Arenskrieger lässt indes die Säbel rasseln: Nach der vorläufigen Rechtsansicht der Stadt hätten sich die Vertreter der freiwilligen Feuerwehr strafbar gemacht. Wer aus der Wehr austreten wolle, habe sich vier Wochen vorher abzumelden. Bis zum Ablaufen der Frist sei er dennoch zum Einsatz verpflichtet, genau wie alle anderen Mitglieder der freiwilligen Wehr.

Arenskriegers Wortwahl war anzumerken, wie erbost er über den gestrigen Vorfall ist. Er wiederholte seine gestrige Aussage, das Verhalten der Wehr erfülle den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung. Später sagte er: „Das ist so, als ob ein Arzt am OP-Tisch sagt: Den lasse ich jetzt liegen.“

Die Stadt habe aber kein Interesse, jetzt rechtliche Schritte gegen die Freiwilligen einzuleiten, stellte Dembski im Anschluss an die Ausführungen seines Kollegen klar. Vielmehr gehe es ihm darum, mit den Ehrenamtlichen ins Gespräch zu kommen. Er ist überzeugt: „Eigentlich machen die ihren Job gern und wollen ihn nicht aufgeben. Es geht ihnen um das Wohlergehen der freiwilligen Feuerwehr.“

Sind die Greifswalder in Gefahr?

Fakt ist: Die freiwillige Feuerwehr Greifswalds ist derzeit nicht einsatzfähig. Die Pieper der Wehrleute sind eingelagert. Wenn es also zu einem größeren Ereignis kommt, bei dem die freiwillige Feuerwehr herangezogen würde, muss die Berufsfeuerwehr (die weiterhin vollumfänglich im Einsatz ist) Hilfe aus den Nachbargemeinden anfordern. Dort gibt es freiwillige Feuerwehren.

Akut gefährdet ist die Brandsicherheit in Greifswald also nicht. Die Berufsfeuerwehr steht weiter rund um die Uhr zur Verfügung und aus dem Umland werden laut Gesetz so lange Kräfte hinzugezogen, bis die Situation unter Kontrolle ist. Fakt ist aber auch: Es fehlen 70 Feuerwehrleute aus der Stadt Greifswald, die im Ernstfall durch Kräfte ersetzt würden, die zunächst aus dem Umland anreisen müssen und sich auch vor Ort nicht so gut auskennen. Das kann im Ernstfall von Nachteil sein.

So ganz sicher ist man sich bei der Stadt allerdings nicht, wie man die Forderungen der Freiwilligen interpretieren soll. Im Laufe des gestrigen Tages hatte es von deren Seite nämlich geheißen, sobald an der Ausweichwache in der Bahnstraße gebaut werde, werde man sich auch wieder einsatzbereit machen. Nach Auffassung der Stadt wird an dieser Wache allerdings bereits seit mehreren Wochen gebaut, sodass die Forderung  der freiwilligen Feuerwehrleute bereits erfüllt sei.

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Protest am Rathaus

Wie geht es weiter?

Morgen gibt es ein Gespräch der Beteiligten bei der Feuerwehr mit dem Oberbürgermeister, das bereits seit längerem geplant war. Außerdem wird die Stadt die freiwillige Feuerwehr sowohl darauf hinweisen, dass an dem Ausweich-Quartier in der Bahnstraße bereits gebaut wird und dass die Abgabe der Pieper nach Auffassung der Stadt rechtswidrig war. Insofern ist davon auszugehen, dass sich die freiwillige Feuerwehr bald wieder einsatzfähig melden wird.

Spätestens am 1.7. soll die freiwillige Feuerwehr dann in die Übergangswache in der Bahnhofstraße einziehen. Dort soll sie für einige Jahre bleiben. In den nächsten Jahren soll dann für die Berufsfeuerwehr eine neue Wache gebaut werden, deren alte Wache in der Wolgaster Straße saniert werden und anschließend die Freiwilligen beherbergen. Insgesamt würden dafür über 5 Millionen Euro investiert werden.

Die Opposition hat das Thema jedenfalls als Wahlkampf-Leckerbissen entdeckt. Sebastian Ratjen (FDP) empörte sich in den Medien ebenso wie die Grünen, die bereits gestern im Internet berichteten und heute mehrfach nachlegten.

Links:

Fotos: Feuerwehrprotest (2 Bilder): Thomas Niehoff, via Grünen-Blog; Pressekonferenz: Gabriel Kords