Ein Kommentar von Eric Wallis –
Die Zeiten sind vorbei, da Studierende der Politik eines Landes ein Gesicht und der Gesellschaft eine Richtung gegeben haben. Ja, es sind sogar jene Zeiten vorbei, in denen Studierende ihrer eigenen Zunft eine aussagekräftige Richtung gaben. Die einzige Aussage der handvoll Studierenden vor dem Schweriner Schloss war doch: „Her mit den Gebühren, welcher Art auch immer! Bitte Bitte – Her mit den Gebühren!“ Das ist ganz und gar nicht peinlich, das ist die notwendige Folge einer ethnozentrierten Jugend, die wirklich glaubt, nach Durchlauf eines ökonomisierten Studiensystems irgendwann einmal Karriere zu machen .
Aber das System ist nicht schuld! Schuld sind die vorauseilend Gehorsamen, die das System leben und akzeptieren, solange sie oder Papa es sich noch leisten können.
Fadenscheinige Gründe werden angeführt: Lernen, Denken, Krankheit, Hausarbeit, Mutti, Oma, Schlafen und eigentlich meinen alle doch nur: „Mir doch egal.“ Ein Wunder, dass sich in der Umfrage eine Mehrheit der Studierenden gegen eine Änderung des Hochschulgesetzes aussprach. Der kümmerliche Haufen vor dem Schweriner Schloss war eigentlich Ausdruck des absoluten Gegenteils.
Ach so! Natürlich. Man will nicht zahlen, aber man will auch nichts dafür tun. Ekelhaft! Warum glauben die klugen Studierenden nur, eine Demokratie sei eine Demokratie, weil sie Demokratie heißt. Demokratie und alle Errungenschaften einer solchen – und dazu gehört auch ein freies, bedingungsloses und kostenloses Bildungswesen – sind das Produkt einer teilnehmenden Gesellschaft. Die teilnehmende Gesellschaft vor dem Schweriner Schloss bestand zum Großteil aus den immer Gleichen, jenen, die schon vor Jahren dabei gewesen sind. Es sind jene Urgetüme eines einst demokratischen Landes, die noch wissen, dass nur aktive Teilnahme Mitbestimmung erlaubt. Nur zeigt in der Demokratie die Mehrheit den Willen der Vielen an. Die Mehrheit saß zu Hause, schlief ihren Cocktailbarrausch aus, guckte Frühstücks-TV, stolperte gerade aus dem Treffpunkt, suchte im StudiVZ nach neuen Gruppen und verschwendete nicht einen einzigen Gedanken daran, dass so bald wie möglich das Studieren in Greifswald ein wenig teurer wird. Nicht viel teurer, aber teurer. Und nach einem Jahr wird es noch ein bisschen teurer, denn Verwaltung kostet und Verwaltungsgebühren einzutreiben erhöht den Aufwand der Verwaltung und ein erhöhter Aufwand kostet mehr Geld und, und, und…
Am Ende bleibt nur zu hoffen, dass die Verwaltungsgebühren saftig ausfallen, denn je länger man der Tatenlosigkeit einer internet- und alkoholabhängigen Studierendenschaft zusieht, um so mehr fragt man sich, wo die Schmerzgrenze für diesen verwöhnten Haufen karrieregläubiger Schnösel ist, die glauben, sie müssten an Kursen teilnehmen, die sie für jeden Suff auch gerne mal verschlafen. Am Ende dreht es sich um die gleiche Frage, die man sich auch im Mensaklub mitunter stellt: Wo ist eure Schmerzgrenze oder wieviel könnt ihr eigentlich ab?
Foto: Christine Fratzke
dieser artikel spricht mir aus dem herzen !!
vielen dank, eric, für diese klaren worte!
Das schlimme an diesem Kommentar ist das er nicht in einer polemischen oder überzogenen Weise Absurditäten und Skurrilitäten unserer Generation der 80er Jahre West-Überfluss-/Überheblichkeits- oder Ost-Endzeit-/Illusions-/Enttäuschungsgeneration wiederspiegelt sondern auch die Wertelosigkeit und die grundlegend hohlhedonistische Haltung der nunmehr in die Uni einsickernden 90er Jahre Kinder erschreckend realistisch dokumentiert. Der Autor, der wohl auch aus eigener Erfahrung das oben angeführte Studentenleben beschreibt, hat sich von der Glosse gelöst (die ja jegliche ernstzunehmende Gesellschaftskritik auch wieder nur in zellophan packt und als unterhaltsames Schmackerl verkauft damit wir uns in wohliger Empörung auf die Plautze oder die Schenkel hauen können und NICHTS tun) und wird langsam Journalist und beängstigend deutlicher Kommentator ohne Gnade. Danke dafür!
PS: Ich war selbst nicht bei der Demo. Vor Jahren mal…hat aber auch nichts gebracht…es lebe die Demokratie…ich habe sie getötet.
aua 🙂 Das nenn ich mal nen Volltreffer… schön geschrieben und punktgenau abgeschossen 🙂
Gefällt mir auch – und ist (leider!?) nicht nur in Greifswald so….
Sag ich ja schon immer, kein Arsch in der Hose!
Meinungen haben sie alle, diese aber auch mit allen Konsequenzen zu vertreten….?! Warum was für die Gemeinschaft tun, wenn der eigene Nutzen nicht ersichtlich ist. Nein, das heutige STUDENTEN-ICH ist ein Egoist! Wo soll das nur hinführen!
Natürlich nicht ALLE, aber VIELE!
Also ehrlich gesagt liegt das Hauptproblem darin, dass die Engagierten und die Parteien kaum Kontakt zu den Studenten bzw. zum Wähler haben. Lieber beschäftigt man sich in Gremiensitzungen mit sich selbst als Kontaktpflege zu betreiben und sich zu vernetzen (schliesst mich leider mit ein).
Deshalb die nachfolgende Generation als Egoisten hinzustellen und an die vermeintlich gute alte Zeit zu erinnern ist ein Fehlgriff.
Und was bitte heisst "ethnozentriert"?
http://de.wikipedia.org/wiki/Ethnozentrismus
wobei ich mir auch nicht erklären kann, wie "ethnozentriert" da oben reinpasst.
Wer die eigenen wertvorstellungen höher bewertet, als die anderer oder aber, wer glaubt in einer Gesellschaft zu leben, die besser ist als andere und deshalb natürlich keine Notwendigkeit darin sieht, diese weiterhin in Frage zu stellen oder gar zu ändern. Das Wort passt quasi doppelt.
"Bringt doch eh nichts, wenn wir hinfahren." Das ist der Tenor und vestärkt doch die Spirale weiter. Weniger gehen hin, weniger Einfluß haben wir auf die Politik. Schade, dass ich an dem Tag arbeiten musste, um die "versteckten Studiengebühren" in den, laut Prüfungsordnung vorgesehenen, Exkursionen finanzieren zu können.
Ein ganz dickes Lob an Eric Wallis!!!
Demokratie bedeutet meines Erachtens nicht nur, seine Rechte und Freiheiten zu leben, sondern sie auch zu verteidigen, wenn es darauf ankommt. Und unser GG gibt uns da wirklich viele Freiheiten unsere Rechte zu verteidigen.
Und genau das sollten wir als Studenten, aber auch als Volk wissen. Demokratie bedeutet auch die Vetreidigung der eigenen Errungenschaften durch zivilen Protest. Der zivile Protest hat bereits in der Vergangenheit (1989) Ungerechtigkeit in einem Staat , der höhere Gerechtigkeit in seinem Land gegenüber dem Anderem von sich propagierte, aber nicht realisierte, zu Fall gebracht.
Aber dieser zivile "Kampf" um die Erringung und/ oder Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Rechte in unserem Land hat leider abgenommen. Und die Versammlungsfreiheit ist m.E. dazu da, die Regierungen, so sie nicht mehr mit der Mehrheitsmeinung übereinstimmt, zu kontrollieren. Dieses Recht nehmen leider viel zu wenig wahr. Dabei könnte man auf diesem Weg gewaltlos einiges mehr erreichen, als sinnlos vor der Glotze zu sitzen/ oder ähnliches zu tun…
Arroganz scheint wirklich eine notwendige Tugend zu sein, um beim webmoritz Kommentare schreiben zu dürfen…
"Die teilnehmende Gesellschaft vor dem Schweriner Schloss bestand zum Großteil aus den immer Gleichen, jenen, die schon vor Jahren dabei gewesen sind."
Auch wenn dieser Satz etwas belustigend verstanden werden kann, großes Danke für den Artikel. Aber die Leute die man damit erreichen will, lesen die den Webmoritz? Nicht mal 15% Wahlbeteiligung an der Uni. Nicht mal 2000 Studenten die wählen gehen. Ist doch klar, dass sich dann auch keiner in einen verranzeten Bus setzt. Sorgt dafür das es Scheine gibt oder ECPS, dann kommen sie vielleicht.
Am besten Exkursionsscheine für Demofahrten 🙂
Dann müsste der Asta unter Garantie doppelt so viele Busse bereitstellen.
An diesem Mechanismus kann man leider auch die Leistungsorientiertheit erkennen. So nach dem Motto: Für mich muss was dabei sofort rausspringen. Das bei einer erfolgreichen Demo viel wichtigeres als ein Schein rausspringen kann wird dabei vergessen…
grundprämisse: demonstration hat folgen
frage: wirklich?
Antwort: weiss nicht?!
Missantrophie hat viele Gesichter, umso mehr schöne Worte, hole Phrasen.
Metaphorisches Weltverbessertum umhüllt in studentenkritischer Wortklaukunst.
Internet- und Alkoholsucht. Folgen von Existentialismus, Nihilismus, Illusionslosigkeit.
Jeder soll seine Ideale leben, wer keine hat, sollte nach nichts streben.
habt bitte respekt vor desinteresse.
@hans, da hast du dich ja zu fast zu einem engagierten kommentar hinreißen lassen! also so groß ist dein desinteresse also doch nicht, also nicht so groß zumindest, dass dir dein desinteresse egal wäre. so ist dein kommentar zwar kurz aber ein anfang, es ist doch das beste, wenn man die, denen eigentlich alles egal ist, dann doch mal kriegt.
"Am Ende bleibt nur zu hoffen, dass die Verwaltungsgebühren saftig ausfallen, denn je länger man der Tatenlosigkeit einer internet- und alkoholabhängigen Studierendenschaft zusieht, um so mehr fragt man sich, wo die Schmerzgrenze für diesen verwöhnten Haufen karrieregläubiger Schnösel ist, die glauben, sie müssten an Kursen teilnehmen, die sie für jeden Suff auch gerne mal verschlafen."
Starker Tobak! Ist das Bitterkeit wegen der schwachen Beteiligung oder der Eindruck, den du auch sonst von deinen Kommilitonen hast? Ich erlebe Studis in meinem Umfeld eher als interessiert und recht "trocken".
Stimme dir zu. Zeigt definitiv die Verbitterung des Autors darüber, das es doch Studenten gibt, die gängigen Klischees wiedersprechen. Jeder Student der seine Regelstudienzeit hier um fast das doppelte Überzieht, sollte sich mal bewusst machen, dass er auf Kosten der Gesellschaft "studiert".
Und ja, Engagement ist trotz eines disziplinierten Studiums möglich.