Kein Zweifel – Comicverfilmungen boomen derzeit. Kaum ein Quartal, in dem nicht wieder eine der, wenn nicht sogar die anspruchsvollste Bildergeschichte aller Zeiten in die Kinos kommt. Doch glaubt man den (auch in Deutschland) zahlreichen Fans, gilt die Steigerung: unverfilmbar – unverfilmbarer – The Watchmen! Und tatsächlich: Regisseur Zack Snyder will die Fans nicht enttäuschen und untermauert 163 Minuten lang ihre These.
Zugegeben, das Wort „Comic“ assoziiere ich primär immer noch eher mit zerlesenen Mickey-Maus-Heften aus meiner Kindheit, als mit literarischer Hochkultur, dennoch habe ich mir mittlerweile die ersten Bände der Watchmen-Reihe zu Gemüte geführt. Doch leider hält die Verfilmung nicht das, was die Vorlage verspricht – eine intelligente und spannende Geschichte mit dichter Atmosphäre.
Helden im Ruhestand
Der Inhalt grob zusammengefasst: Mit dem Slogan „Who watches the Watchmen?“ unterstreicht die amerikanische Bevölkerung in den siebziger Jahren ihr mangelndes Vertrauen in ihre Superhelden. Als Folge dessen, setzt die amerikanische Regierung der Selbstjustiz maskierter Rächer per Gesetz ein Ende. Einige gehen in den Ruhestand, andere führen ihre Feldzüge illegal weiter und wieder andere arbeiten fortan für die Regierung. Als gut zehn Jahre später einer von ihnen ermordet wird, wittert der fanatische Verbrechensbekämpfer Rohrschach eine Verschwörung und versucht, die Verbliebenen wieder zusammenzuführen. Unter ihnen auch Dr. Manhattan, der als einziger wirkliche „Superkräfte“ sein eigen nennt. Diese wiederum sind so beeindruckend, dass er den USA als Abschreckungspotential für russische Atomraketen dient und so den brüchigen Frieden des Kalten Krieges wahren soll. Doch Dr. Manhattan hat ob seiner beinahe allmächtigen Fähigkeiten immer weniger Interesse an den Menschen und ihrem Planeten.
Gewalt, Sex und philosophische Fragen
Die durchaus interessanten, aber mäßig in Szene gesetzten Charaktere, dienen dem Regisseur in den ersten neunzig Minuten vornehmlich dazu, eine ganze Reihe philosophischer Fragen aufzuwerfen: „Was ist Leben?“, „Warum sind wir hier?“, „Gibt es Gott und wenn ja, was muss man sich darunter vorstellen?“ und so weiter und so fort.
Näher behandelt wird davon leider nichts. Schließlich wird auch der eigene Gedankenfluss des Zuschauers immer wieder durch unnötige und völlig übertrieben Gewaltszenen unterbrochen. Wohl ein Kniefall der Macher vor der notwendigen Massenkompatibilität des 120-Millionen-Dollar-Projekts. Doch dem Massenpublikum dürfte die insgesamt wenig dynamische erste Hälfte des Films den Schlaf in die Augen treiben. Noch deplatzierter: Billige Kopulationsszenen, die eher ins Abendprogramm des DSF passen, als auf die Kino-Leinwand.
Auch wenn die eigentliche Geschichte erst nach der Pause in Fahrt kommt, ist die Überlänge des Films kein Segen und man fühlt sich unweigerlich an den (frei übersetzten) Ausspruch Hitchcocks erinnert „Wer seine Geschichte nicht in neunzig Minuten erzählen kann, der soll es lieber lassen.“ Regisseur Zack Snyder entwickelt keine eigene Interpretation, keine eigene Vision – es bleibt ein gekürzter Comic plus Sex und Gewalt.
Fazit – Zu wenig
Zugegeben: Die Effekte sind gelungen, aber nicht imposanter als in anderen Filmen dieser Preiskategorie. Schicke Bilder gibt es in der Tat, aber das ist wohl das Mindeste was man bei der Verfilmung eines „Bilderbuchklassikers“ erwarten darf. Einzig die (oftmals Anspielungen der Comic-Vorlage entnommene) Musik konnte gefallen. Bob Dylan, Nena, Leonard Cohen und Co. passen überraschend gut in die düstere Welt der „Watchmen“. Selbst Mozarts filmisch oft missbrauchtes Requiem findet hier zu alter Größe. Musik und Bilder allein machen jedoch noch keinen guten Film. Das Drehbuch hat viele Längen und Schwächen und die Schauspieler kommen nur selten über guten Durschnitt hinaus. So bleibt es insgesamt zu wenig für einen so herbeigesehnten Film.
Bilder: MDH in Houston und Oscar J. Baeza via flickr
"Regisseur Zack Snyder entwickelt keine eigene Interpretation, keine eigene Vision – es bleibt ein gekürzter Comic plus Sex und Gewalt."
Kannst du einmal andeuten, wie du das mit eigener Interpretation/Vision meinst? Soweit ich mich an den Comic erinnere, war Gewalt und Sex schon vorher enthalten. Finde ihn auch recht lang, aber er ist gekürzt. Der Directors Cut geht noch mal gut 30min länger.
Kann also nur Bruchstückhaft mit deinen Aussagen mitgehen.
Hallo moritz-leser,
klar sind Sex und Gewalt auch Teil des Comics, aber vieles ist im Film deutlich weiter ausgebaut und auf die Spitze getrieben worden.(Bsp: Der Kampf gegen die Straßengang, im Comic wird "nur" geprügelt, im Film wird getötet und die Kamera zeigt es en detail, Bsp 2: Die abgesägten Arme des Gefängnisinsassen, der stirbt zwar auch im Comic, aber bei weitem nicht so spektakulär). Im Comic sind einige Dinge auch subtiler (wenn auch ähnlich grausam). (Bsp: Rorschachs Umgang mit dem Kindesentführer, dem er im Film stumpf ein Beil in den Schädel rammt.) Beispiel 3: Night Owl II und SIlk Spectres Prügelszene im Gefängnis kommt im Comic nicht vor, der Aufstand im Gefängnius bietet genügend Ablenkung.
Sex: Es ist ein Unterschied ob das im Comic in drei Bildern angedeutet wird, oder ob man im Film daraus ne 5-Minuten-Szene mit mehrfachem Stellungswechsel macht.
Beide Bereiche sind m.E. für den Film ausgeschlachtet worden.
Was die Vision angeht: Ich unterscheide da nicht zwischen Comic- und Literaturverfilmung, m.E. sollte ein Regisseur wenn er den Stoff neu aufarbeitet nicht nur schon bekannte Bilder zeigen, sondern eigene Schwerpunkte setzen. Filme sind als anderes Medium, da auch anders zu bedienen. Wie oben beschrieben: Es gibt eine Reihe interessanter Fragen, wie auch Charaktere, aber nichts wird richtig zu Ende geführt. Es gibt auch kein Identifikationspotential, weder mit Helden noch mit Schurken, weil nur an der Oberfläche gekrazt wird.
also vorweg bemerkt, ich habe den comic vor ca 1 jahr gelesen und nun den film gesehen. und mir persönlich gefällt die umsetzung sehr; ehrlich gesagt ist mir der film sogar zu kurz!!
mit dem inhalt des comics könnte man gut und gerne 5 stunden oder mehr füllen. aus diesem grund verstehe ich auch den einwand, dass die charakter nicht genug entwickelt erscheinen. wenn man die ausführlichen hintergrundgeschichten aus dem comic kennt, wirken die figuren außerordentlich vielschichtig – ich finde in den üblichen comic-verfilmungen á la spiderman ist eher zu wenig figurenentwicklung vorhanden. außerdem mussten inhaltlich bestimmte details weggelassen werden, da eine längere filmfassung wohl dem filmstudio gegen den strich gegangen wäre. die kalkulieren ja nach dem motto: je länger der film, desto weniger zuschauer sind bereit ihn zu sehen.
ich hab mir watchmen in rostock angesehen und hier gab es keine pause. dass der filmfluss unterbrochen wird ist also keine schuld des regisseurs, sondern des kinos 😉
zu den sex- und gewaltszenen: ich halte es für wichtig dass diese szenen so gnadenlos gedreht wurden. die welt der watchmen zeigt eine nahezu vollkommen verdorbene gesellschaft, die selbst brutal und exhibitionistisch ist. eine harmlosere darstellung würde das bild verschönigen. den zuschauern soll ja gerade ein spiegel ihrer eigenen (möglichen) welt gegeben werden; unsere welt ist nun einmal so brutal. im film wird halt alles gezeigt, und dazu gehören auch "billige kopulationsszenen". solche szenen sind weder für noch gegen die qualität eines filmes ein argument; ob sie angemessen sind hängt von der intention und dem stil des filmes ab.
(außerdem: wer würde tarantino oder rodruigez jemals vorwerfen, dass ihre filme zu viel sex und gewalt zeigen??)
die "philosophischen fragen" halte ich für zu verallgemeinernd. es geht weniger darum "warum wir hier sind", sondern eher um die entwicklung unserer gesellschaft/zivilisation, wohin diese führt und ob die menschheit es wert ist, gerettet zu werden… hierzu werden im film verschiedene positionen gegenüber gestellt. dr. manhattan – als entmenschlichtes wesen – stellt zB einen objektiven/kosmischen blick der dinge dar. rorschach steht für integrität und kompromisslosigkeit um jeden preis, und nite owl II und silk spectre sind eher die mitläufer, die sich fürs kleinere übel entscheiden.
im ganzen hat mir der film sehr gefallen, die bilder der graphic novel sind von zack snyder sehr gut umgesetzt worden, was man von einem mann, der "visual arts" studiert hat auch nicht anders erwarten sollte. immerhin wurden die sets vom comic bis aufs kleinste detail nachgebaut, überall lassen sich kleine hinweise bzw verweise durch finden, zB bei den graffitis, plakaten etc.
die story ist für mich aber noch das faszinierendste. so schafft der comic doch etwas, was seinen genre-freunde nie gelungen ist(!): er baut eine geschichte maskierter helden in die amerikanische geschichte ein und schafft eine alternative realität, die wahrscheinlicher ist, als sie es je zuvor in anderen comics war.
im netz hab ich gelesen (quelle weiß ich nicht mehr), dass sogar eine 5-stündige version auf dvd erscheinen soll, auf die bin ich schon sehr gespannt. und vielleicht kommt die geschichte darin besser zur geltung als in der kinoversion.
für mich bleiben film und comic ein meisterwerk.
Word! – Durch den "Sucker Punch"-Beitrag von Arvid nochmal auf diese Rezension gestoßen, und Steffi: Danke!
Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Geschmäcker sein können.
WATCHMEN ist inzwischen unter meine Top 3 gestiegen, ich liebe diesen Film, sowohl eigenständig als auch als die Comicverfilmung.
Auch wenn er teilweise brutal oder der Sex zu deutlich war, macht dies doch einen großen Teil der Atmosphäre aus.
Und das Snyder gerne mal etwas blutiger wird, hat er doch schon in 300 bewiesen.
Außerdem: "Unter ihnen auch Dr. Manhattan, der als einziger wirkliche „Superkräfte” sein eigen nennt."
Ich denke, es gehört auch mehr als bloße menschliche Kraft dazu, um wie Nite Owl jemanden den Fuß glatt durchzubrechen…
Und Rohrschach hat schließlich auch seine Maske, die nicht ganz ohne ist.
Aber hey^^
Jedem seine Meinung.