Das Schickal eines Greifswalder Hartz-IV-Empfängers hat in der letzten Woche für bundesweite Resonanz in den Medien gesorgt. Das öffentlich-rechtliche Politmagazin „Report Mainz“ (SWR) hatte die Geschichte des Greifswalders erzählt, dem die Arge die finanziellen Mittel so lange gekürzt hat, dass er obdachl0s wurde.

reportmainzDer 53-Jährige hat nie eine ordentliche Ausbildung absolviert und ist seit der Wende arbeitslos. Einer der Gründe: Er kann nicht richtig lesen und so gut wie gar nicht schreiben. Aus diesem Grund hat er sich auch mit Forderungen von der Arge, die unter anderem für die Auszahlung des Hartz-IV-Geldes zuständig ist, schwergetan, monatlich mindestens zwei Bewerbungen herzustellen. Insbesondere, weil er das nicht getan hat, hat ihm die Arge die Geldzahlungen immer weiter sanktioniert. Vorletzte Woche wurde seine Wohnung aufgrund der angefallenen Mietschulden von über 1000 Euro zwangsgeräumt. Seitdem lebt er im städtischen Obdachlosenheim – in dem die Zustände wie meistens in diesen Heimen weit unterhalb dessen sind, was man als menschenwürdiges Leben bezeichnen kann.

Details zur Geschichte des Greifswalders gehen aus dem Beitrag bei Report Mainz und einem Artikel in der Ostsee-Zeitung hervor.

Arge: Wir konnten nicht anders.

Insgesamt weicht die Darstellung des Hartz-IV-Empfängers ganz erheblich von den Behauptungen der Arge ab. Der Greifswalder sagt, die Forderungen der Arge habe er aufgrund seiner Fähigkeiten nicht erfüllen können und beschwert sich ganz besonders über unwürdige Behandlung durch seine zuständige Fallmanagerin. Er hat inzwischen eine Anwältin gefunden, die ihn eine Klage gegen die Arge eingeleitet hat.

Seitens der Arge heißt es, der Mann habe sich in hohem Maße unkooperativ gezeigt, weshalb man nach geltenden Vorschriften keine Alternative zu den Mittelkürzungen gehabt habe.

Im November hatte die hiesige Arge den Negativpreis „Verbogener Paragraph“ der Evangelischen Obdachlosenhilfe erhalten, der jährlich bundesweit an einen „Sozialleistungsträger mit kritikwürdiger Rechtsvollzugspraxis“ vergeben wird. In der „Laudatio“ der Obdachlosenhilfe heißt es unter anderem, die Arge lege systematisch „Richtwerte als Obergrenze“ aus.

Grüne: Stadt muss Stellung nehmen

Inzwischen haben sich verschiedene Mitarbeiter städtischer Ämter des Falles angenommen. Das Sozialamt in Greifswald hat eine freiwillige Betreuung des Mannes angeboten. Die Grünen kritisieren hingegen die Stadt und vermissen klare Reaktionen. In einer Pressemeldung heißt es unter anderem:

buendnis_gruene„Die Stadt Greifswald steht als einer der beiden Träger der ARGE und als zuständige Ordnungsbehörde bei Obdachlosigkeit in besonderer Verantwortung. „Welche Schritte wird die Stadt in dem konkreten Fall unternehmen?“, fragt der sozialpolitische Sprecher der GRÜNEN, Gregor Kochhan. „Wird es Konsequenzen geben und wenn ja, welche?“ […]

Die massive Kritik des Bundessozialgerichtes an der Arbeit der ARGEn, insbesondere hinsichtlich der Qualifizierung der Mitarbeiter und der mangelhaften Rechtsumsetzung, muss gerade in Greifswald ernst genommen werden. Der traurige Fall des durch die ARGE in die Obdachlosigkeit Getriebenen beweist dies einmal mehr.“

An der mangelnden Qualifikation der Fallmanagerin des betroffenen Greifswalders hatten bereits verschiedene Medien indirekt gezweifelt. Die Arge-Mitarbeiterin ist ehemalige Kinderheimerzieherin.

Diakonie ruft zu Spenden auf

Ende letzter Woche rief das kreisdiakonische Werk in Greifswald zu Spenden für den obdachlos gewordenen Greifswalder auf. Zweck des Spendenaufrufs sei, dass der Greifswalder, dem nun ein Neuanfang ermöglicht werden soll, vorher seine Schulden abbezahlen kann. Die Diakonie will für den zweckgemäßen Einsatz der Spenden sorgen. Spenden sollen auf das Konto 150 266, BLZ  210 602 37 (EDG Kiel) überwiesen werden. In der Pressemeldung der Diakonie heißt es zu dem Spendenafuruf:

„Unabhängig davon, ob die Sanktionen zu Recht erfolgten oder nicht, sehen wir es aus diakonischer Sicht als unsere Aufgabe, Menschen in Not zu helfen. Wir bitten diejenigen, die Herrn Dinse in dieser für ihn nicht einfachen Lebenssituation unterstützen wollen, um eine Spende […].

Das Kreisdiakonische Werk Greifswald-Ostvorpommern e. V. als Träger einer Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten – u. a. Obdachlosigkeit – wird für eine zweckgerichtete Verwendung der Spenden sorgen. Spenden, die über das hinausgehen, was zur Überwindung der aktuellen Notlage von Herrn Dinse benötigt wird, kommen unmittelbar der Beratungsarbeit für Menschen zugute, die von Obdachlosigkeit bedroht sind.“

Bildquelle: Motivbild auf der Startseite: „debagel“ & „Allie_Caulfield“ via flickr.