Es war einmal ein junger BAföG-Empfänger an der Universität Greifswald. Er kam aus familiären Verhältnissen, die über ein niedriges Einkommen verfügen. Eine Herkunft, die den BAföG-Höchstsatz brachte, da es keine Möglichkeit der Unterstützung durch die Familie gab. Das war auch gut so und er war darüber glücklich, sich voll auf sein Studium konzentrieren zu können und nicht zusätzlich Geld verdienen zu müssen. Von dem BAföG konnte er sich zwar nicht alles Notwendige leisten, aber er konnte davon leben.
Dann kam das vierte Semester. Als Diplom-Student musste er dem BAföG-Amt am Ende des Semesters bescheinigen, dass er sein Vordiplom geschafft hat. Die ersten Prüfungen kamen und wurden bestanden. Fünf Prüfungen musste er insgesamt ablegen. Eine Klausur bestand er nicht. Familiäre Probleme lenkten vom Lernen ab, er hatte deswegen keinen klaren Kopf. Überraschend bestand er auch eine weitere Prüfung nicht. Von fünf notwendigen Prüfungen hatte er also drei bestanden und zwei nicht. Keine guten Vorraussetzungen, um weiterhin BAföG zu erhalten.
Anstelle des Vordiploms kann man dem BAföG-Amt aber auch das rosa Formblatt 5 vorlegen, das (nicht) bestätigt, dass „die/der Auszubildende die bei geordnetem Verlauf ihrer/seiner Ausbildung bis zum Ende des __ Fachsemesters üblichen Leistungen am __ erbracht hat.“ Nach dieser Formulierung konnte das Formblatt auch unterschrieben werden, wenn die Prüfung noch garnicht abgelegt worden war. Das sagten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studentenwerks, ist aber falsch. Die/der Prüfungsausschussvorsitzende könne aber im eigenen Ermessungsspielraum trotz nicht bestandener Prüfung, ihre/seine Unterschrift drunter setzen.
Nach einem Anruf des Leiters des BAföG-Amts entschied sich der Prüfungsausschussvorsitzende dann auch dazu allen Studierenden den Zettel zu unterschreiben, wenn sie nur eine nicht bestandene Prüfung hatten. Dies traf auf viele Kommilitonen des jungen BAföG-Empfänger zu und er freute sich für sie. Zugleich schöpfte er Hoffnung nach der Nachprüfung im November endlich auch wieder BAföG zu erhalten. Einen Monat ohne Geld würde er schon überbücken können.
Zur Sicherheit hatte er sich umgehört und einen Nebenjob gefunden. Er arbeitet als Abwäscher in einem Restaurant. Mit dem Job kam er auf knapp 400 Euro Einahmen im Monat. Nachdem er seine festen Ausgaben (Miete, Strom, Telefon, Krankenversicherung) zusammengerechnet hatte, kam er auf den Betrag von 320 Euro pro Monat. Blieben also 80 Euro zum Essen – zu wenig. Das Girokonto musste also weiter belastet werden. Schon ein schlechtes Gefühl, wenn dort drei- bis vierstellige Sollbeträge stehen.
Dafür musste er nun schuften. Anfangs drei- bis viermal die Woche ging es abends von 19 bis 23 teilweise 1 Uhr nachts arbeiten. Die morgendlichen 8 Uhr Vorlesungen konnte er nicht mehr besuchen. Er war zu fertig. Im Dezember arbeitete er fast jeden Abend dort und verbrachte auch die Weihnachtsfeiertage damit, dringend benötigtes Geld zu verdienen.
Was gab es noch für Alternativen? Ein kurzfristiges Darlehen beim Studentenwerk oder Wohngeld. Mit dem Darlehen hätte er sich für drei Monate maximal 800 Euro leihen können. Ab einem Betrag von 261 Euro bräuchte er dafür aber eine Bürgschaft. Wie sollte er diese bekommen, wer sollte dafür bürgen? Also ließ er diese Möglichkeit. Blieb also Wohngeld übrig. Hier zeichnete sich die für ihn zuständige Sachbearbeiterin beim BAföG-Amt durch widersprüchliche Aussagen aus.
Auf die Frage, ob er den Wohngeldantrag schon stellen könne, obwohl er noch nicht wußte, ob er die Prüfungen bestanden habe, sagte sie: „Nein, warten sie ihren Negativbescheid ab.“ Als er dann im November wußte, dass er durchgefallen war, ging er wieder zum BAföG-Amt und seine Sachbearbeiterin sagte nun: „Ja, dann gehen Sie zur Wohngeldstelle. Sie können den Antrag auch ohne Negativbescheid stellen.“
Wie es so ist mit den Bürokraten, erklärte die Frau auf der Wohngeldstelle, dass es Wohngeld erst ab Antragseingangsdatum geben würde. Also entging ihm schon der Oktober. Er hatte nun einen Monat Zeit die benötigten Unterlagen zusammenzusammeln und abzugeben. In dieser Zeit schrieb er auch seine Nachprüfung und hatte ein gutes Gefühl danach. In der begründeten Hoffnung bestanden zu haben, und weil er sich nicht auch noch auf der Wohngeldstelle entblössen wollte, unterließ er es, die Unterlagen dort einzureichen.
Am 28.11. schrieb er die Nachprüfung. Zusammen mit fünf anderen Studierenden. Doch trotz mehrmaligen Nachfragens dauerte es bis zum 6. Januar bis die Klausuren endlich korrigiert waren und er sich Formblatt 5 unterschreiben lassen konnte. In der Hoffnung, dass es nun rückwirkend ab Klausurdatum BAföG geben würde, begab er sich zum BAföG-Amt, um die fehlenden Unterlagen abzugeben. Dort wurde seine Hoffnung auf die rückwirkende Zahlung zerstört. Mit dem Hinweis auf den Negativbescheid sagten die Sachbearbeiterin sowie die Gruppenleiterin: „Es tut uns sehr leid und wir würden Ihnen gerne das Geld geben, aber wie im Brief geschrieben, gibt es erst ab dem Zeitpunkt der Vorlage des Formblatts Geld.“
So mußt er also für die langsame Korrektur der Professoren büßen. Das BAföG für Januar und Februar würde sein Konto gerade so auf plusminus Null bringen. Dabei hatte er die Hoffnung das BAföG aus November und Dezember zu nutzen, um für die im nächsten Jahr anstehende Auslandsexkursion zu sparen. Frustriert von dem ganzen System der Ausbildungsförderung, die doch dafür da ist, Studierende zu fördern, die keinen finanziellen Background haben, schrieb er nun diesen Artikel und überlegte, wie er sich bei den Professoren bedanken sollte.
Grafik: FZS
Sehr gut… für mich ist das der beste, hier, bisher gelesene Artikel…Schreib nach dem Studium ein Buch über den ganzen Bürokratiekram…
Hehehe! Danke! Die Idee mit dem Buch ist nicht neu und auch schon in Angriff genommen. Allerdings geht es um ein anderes Thema.
und in stralsund wäre diese person überhaupt kein student mehr gewesen!