Man sagt, es sei einer der klügsten politischen Schritte der christlichen Kirchen gewesen, ihre großen Feste mit bereits vorhandenen heidnischen Festtagen zu verbinden. Vielleicht ist das der Gedanke, der dem Greifswalder Weihnachtsmarkt zu Grunde liegt und demonstrativ verdeutlicht werden soll. Romantisch-vorweihnachtliche Stimmung jedenfalls bringt das unspektakuläre Spektakel wohl kaum mit sich, setzt es doch mehr auf die rudimentären Bedürfnisse der Bevölkerung: Fett, Alkohol und Party.

Vom ersten bis zum vierten Advent tummeln sich auf dem Markt und vor der Mensa nicht nur diverse Händler, sondern auch die „obligatorischen“ Fahrgeschäfte. Wer die klassischen Märkte aus Münster, Nürnberg oder Dresden kennt, dem dreht sich hier schnell der Magen um – und das nicht ob des vielen Glühweins in Kombination mit Karussellfahrten.

Weihnachtliche Stimmung will kaum aufkommen, wenn zwischen Eierpunsch und Bratwurst kaum noch Platz für traditionelles Handwerk ist – in Greifswald verkommt Weihnachten zur Fress- und Sauforgie. Gerade letzteres übrigens ein Angebot, das quer durch die Bevölkerungsschichten (auch gerne schon mal vormittags) auf große Beliebtheit stößt. Kein Wunder: Wenn die Glühweinstände bereits um 20 Uhr wieder die Pforten schließen, muss selbst der gemeine Student für seine Verhältnisse früh mit dem Trinken beginnen um rechtzeitig voll zu werden. Ein bis zwei Stunden länger täten es auch und würden die geplagten Anwohner wohl kaum noch stören.

Joanna, du geile Sau!

Denn wer dieser Tage unweit des Marktplatzes wohnt, wird mit der vorweihnachtlichen Beschallung ohnehin förmlich bombardiert. Zugegebenermaßen ,seit letztem Jahr martert uns nicht mehr jeder zweite Stand mit eigener Musik – es quäkt mittlerweile aus einem zentralen Lautsprecher. Beruhigend auch, dass der Dauerbrenner „Last Christmas“ mittlerweile ein wenig außer Mode ist, aber muss die Alternative wirklich Wolle Petrys großer Weihnachts-CD heißen? Und wann gründet sich mal eine Bürgerinitiative die den Betreibern vielleicht eine zweite oder gar dritte CD spendiert?

Wobei, fast hätte ich es verdrängt, zu späterer Stunde wird gerne noch mal Roland Kaiser aufgelegt: „Joanna, (du geile Sau), geboren um Liebe zu geben. (Du Luder!) Verbotene Träume erleben…“. Die Texte in Klammern beziehen sich übrigens auf das Zwischengegröle der himmlischen Chöre, die es sich an den Glühweinständen gut gehen lassen…

Das den wenigen Händlern die tatsächlich noch den Weg auf den Greifswalder Markt finden, auch noch die Redegewandtheit und damit der Unterhaltungsfaktor ihrer Kollegen aus südlicheren Gefilden fehlt, mag in Pommern nicht überraschen, es nimmt jedoch den letzten Spaß am vorweihnachtlichen Bummel. Als Alternative ist hier wirklich der Kunstmarkt im Rathauskeller zu empfehlen, der allerdings nur an den Wochenenden geöffnet hat. Hier gibt es ein deutlich größeres Angebot und mehr Atmosphäre.

Jesus und die sieben Zwerge

Und das größte Übel des Greifswalder Weihnachtsmarktes? Der Rummel! Die Geisterbahn, die in den letzten Jahren noch mit ihrem atmosphärischen Gekreische jedwede Gemütlichkeit zerstörte, ist diesmal zu Hause geblieben, aber Autoscooter, Karussell und Schießstand wirken weiterhin völlig deplatziert. Förmlich erwartet man als Krönung, dass in der Märchenlandschaft der Bimmelbahn zwischen Hänsel, Gretel und dem Rotkäppchen, auch das Christkind im Stall seinen Platz finden würde…

Die Kritik am Greifswalder Weihnachtsmarkt kehrt – wie das Fest selbst – alle Jahre wieder. Die moritz Kritik aus dem Jahr 2006 findet ihr hier, die Kritik des Jahres 2005 hier und die Kritik des Jahres 2004 hier.

Weihnachtsmärkte sind vielerorts touristische Anziehungspunkte. Warum ist es nicht möglich in der eigentlich hübschen Greifswalder Innenstadt einen atmosphärischen Markt zu inszenieren? Dass die Organisation nicht lokal geschieht, sondern ein kommerzieller Betreiber aus Rostock engagiert, wird mag ein Faktor sein. Dass dieser offenbar nicht viel von Weihnachten versteht ein anderer…

Der diesjährige Weihnachtsmarkt ist noch bis zum 22. Dezember geöffnet.

Foto: Sebastian Jabbusch
Foto-Galerie: Marco Herzog