Klare Absage an die Staatskanzlei M-V: die Initiative Greifswald hilft Geflüchteten lehnt eine Einladung zu den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Mainz ab.

Der diesjährige Festakt vom 2. bis 3. Oktober findet ohne die Greifswalder Initiative statt. Dies geht aus einem Brief hervor, den die Ehrenamtlichen gestern veröffentlichten. Darin heisst es, dass sowohl „die Erfahrungen, die wir über die letzten Jahre gesammelt haben“ als auch das „politische Selbstverständnis“ eine Teilnahme nicht zulassen. Von insgesamt 10 Gästen, die Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dafür vorgesehen hatte, sollte ein Platz an die Initiative gehen. Alljährlich finden sich aus allen deutschen Bundesländern Gäste zur zentralen Feier zusammen. Mit der Einladung von ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern möchte die Staatskanzlei Dankbarkeit und Anerkennung für das Ehrenamt zum Ausdruck bringen. Politische Fehlentscheidungen, wie der Beschluss von Sammelabschiebungen nach Afghanistan und der damit verbundenen Einordnung des Landes in ein sicheres Herkunftsland, die Umstände der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit sowie die hohen Ausgaben durch eine noble Unterbringung, sollen ausschlaggebend für die Ehrenamtlichen gewesen sein, die Einladung „dankend abzulehnen“. Stattdessen schlägt die Initiative vor, das Geld an den Verein in Gründung Pro Bleiberecht in Mecklenburg-Vorpommern zu spenden, um Hilfsstrukturen für Ehrenamtliche und Geflüchtete zu unterstützen.

Die Einladung und das Antwortschreiben in voller Länge:

Sehr geehrte Frau Schwesig, sehr geehrter Herr Sellering,

im Rahmen der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit lädt die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern zwei Vertreter der Initiative Greifswald hilft im Oktober nach Mainz ein. Vielen Dank für die Einladung. Wir haben sie mit Überraschung zur Kenntnis genommen und innerhalb der Initiative beraten, welche Umstände eine Teilnahme für uns vertretbar erscheinen lassen. Wir haben keine gefunden.

Die Erfahrungen, die wir über die letzten Jahre gesammelt haben, sowie unser politisches Selbstverständnis lassen eine Teilnahme nicht zu. Wir lehnen daher die Einladung der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommerns dankend ab. Das Geld, das für Fahrtkosten, die Unterbringung und Verpflegung der Ehrenamtlichen aufgebracht würde, halten wir in den Unterstützungsstrukturen, den vielen Vereinen und Initiativen in Mecklenburg-Vorpommern, für besser aufgehoben.

Wir befinden die geplante mehrtägige Unterbringung im Hilton Hotel der Stadt Mainz für ebenso maßlos überzogen wie den gesamten Rahmen der Feierlichkeiten mit einem Budget von 3 Mio. Euro und möchten Ihnen auf diesem Wege folgenden Vorschlag unterbreiten: Spenden Sie das Geld, das die Staatskasse durch unsere Absage einspart, dem Verein in Gründung Pro Bleiberecht in Mecklenburg-Vorpommern. Der Verein ist bemüht Beratungsangebote für Asylsuchende zu schaffen, die in ländlichen Regionen keinen Zugang zu derartigen Strukturen haben und möchte mittelfristig ein mobiles Beratungsprojekt realisieren. Wir halten dieses Projekt für äußerst unterstützenswert, sodass uns eine Spende dafür mehr bedeuten würde, als die Teilnahme an den Feierlichkeiten.

Mit ihrem Entgegenkommen könnte die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern uns und vielen Aktiven um uns herum signalisieren, dass Sie an der langfristigen Absicherung selbstverwalteter Angebote für Asylsuchende interessiert sind und auch ehrenamtliches Engagement in politisch aufgeladenen Spannungsfeldern für Sie einen wertvollen Beitrag für die Zivilgesellschaft darstellt.

Jedoch spricht nicht nur die Unverhältnismäßigkeit des Veranstaltungsrahmens gegen eine Annahme der Einladung. Gemeinsam mit anderen ehrenamtlich aktiven Menschen sollen wir in Mainz das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern repräsentieren. Wir sollen somit ein Bundesland vertreten, dessen Regierung mit ihrer repressiven Asylpolitik einen Großteil der politischen Arbeit von Unterstützungsinitiativen in Rostock, Schwerin, Wismar, Greifswald und den vielen Gemeinden drum herum erst notwendig macht: Autoritärer Umgang mit Arbeitserlaubnissen, keinerlei Ansätze der Förderung der Mobilität von Menschen im Sozialhilfebezug oder des sozialem Wohnungsbaus in den größeren Städten seien nur exemplarisch genannt. Uns damit zu identifizieren ist für uns undenkbar.

Gerade im Bereich Asylpolitik wurden durch den Landtag immer wieder Entscheidungen gefällt, die zwar dem eigenen Machterhalt dienlich sein mögen, durch die jedoch bewusst die Gefährdung von Menschenleben in Kauf genommen wurde. Im Kompetenzbereich der Landesregierung und somit im Entscheidungsbereich ihrer Partei fanden in den vergangenen Jahren immer wieder absurde und unmenschliche Abschiebemaßnahmen statt. Im Wahlkampf brüstete sich die Regierung in Form des Innenministers des Landes dafür sogar noch in schockierender Weise vor der Kamera.

Erst vor drei Monaten befand der Landtag unter Zustimmung ihrer Partei Afghanistan für sicher genug, um sich an Sammelabschiebungen zu beteiligen und setzte sich damit über den großen zivilgesellschaftlichen Protest der Bevölkerung hinweg. Diese Entscheidung war alles andere als zielführend und ein Paradebeispiel für puren politischen Aktionismus. Wie fatal der Beschluss war, zeigte nicht erst der Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul. Während die erste Abschiebung aus Mecklenburg-Vorpommern einen verheirateten Mann traf, der vollumfänglich für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkam, wurden aus anderen Bundesländern bereits nachweislich Menschen in den Tod abgeschoben. Wir möchten uns deswegen an dieser Stelle mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Landesregierung und besonders ihre Partei den Beschluss überdenken und sich unabhängig von der neuen Sicherheitseinschätzung des Auswärtigen Amtes für einen Abschiebestopp nach Afghanistan einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

 

(Quelle des Beitragsbildes und  Einladungsschreibens: Greifswald hilft Geflüchteten, facebook)