Ich muss etwas ausholen bevor ich zum Thema komme. Es trug sich einmal zu, es war im vergangenen Sommer, dass uns die Dozentin mit einer Zwangsverpflichtung für eine Umfrage begrüßte. Auf solche Späße stehe ich nun gar nicht, weshalb ich zunächst klarstellte, dass ich gefragt werden möchte. Ich denke, das gehört sich so. Im zweiten Schritt könnten wir dann auch klären, um was es sich denn dabei handeln wird. „Keine Ahnung“, lautete die Antwort. Nach 45 Minuten war Schicht im Schacht, und wir zogen rüber in ein anderes Institut. Dort stellte eine Dame zunächst sich selbst und dann ihr Anliegen vor. Ihre undeutliche Sprechweise und ein starker Akzent zwangen sie, mir noch einmal ihre Universität nennen zu müssen. Ich will keine Namen nennen. Ich kann nur sagen, sie war nicht von unserer Uni. Von der Seite quakte es: „Kannst du nicht zuhören?“ Es war kein vorlautes Geplapper eines pubertäreren Heranwachsenden, sondern ein vorlautes einer der Professoren. Mein Kopf dreht sich leicht nach links, der Blick wird starr und meine Augen fixieren die Quelle der Unmut, dabei sie lugten nur noch aus Schlitzen hervor. Für die Grundstimmung war schon mal gesorgt. Da braucht man gar keinen Kaffee. So, nun endlich ein Blick auf die ausgeteilten Bögen. Witze sollten auf einer Skala bewertet werden. Der Knüller bei Sache: Handelt sich um eine Bachelor-Arbeit? Wäre denkbar, aber ist es nicht. Nicht etwa eine Masterarbeit…? Nein, auch nicht. Na ja, dann eine einfache Hausarbeit. Weit gefehlt. Es ging hier wirklich um eine Doktorarbeit! Enthalten waren Witze, über die vermutlich schon die Höhlenmenschen lachten. Meine Blätter blieben weiß. Nicht einmal irgendetwas Anstößiges war dabei. Nur unlustiger, banaler Kram. Also „perfekt“ für ein Herausstellen der kulturellen Unterschiede. Die deutsche Mentalität hätte man danach sogar noch besser erforschen können, denn ganz typisch wurde nach der Prozedur, die der Rest unkommentiert über sich ergehen ließ, gelästert und gemeckert. „Das soll Forschung sein? Das geht ja gar nicht!“
Am vergangenen Sonntag bestand nun mein wissenschaftlicher Auftrag darin, zu überprüfen, ob Fips Asmussen wirklich der Meister des Flachwitzes ist oder gar die Dame von der Umfrage. Fips lud zu einem „Fachvortrag“, der über drei Stunden dauern sollte. Der Saal war mit ca. 400 Leuten eigentlich noch gut gefüllt. Der Herr im hohen Rentenalter macht kaum Werbung für seine Veranstaltungen. Wer zu seinen Vorstellungen kommt, will wirklich nur ihn erleben. Das Publikum besteht in 99,9% der Fälle aus eher älteren Herrschaften. Der Blick geht durch den Saal. Klar verirren sich auch jüngere Leute hierher, die in der Pause sogar sein Buch und eine seiner CDs erwerben. Immerhin zwei bekannte Gesichter aus dem Dunstkreis der Uni konnte ich feststellen. Studenten: Fehlanzeige. Das ist einfach nicht die Alters- und Zielgruppe. Fips schleppt sich auf die Bühne und begrüßt das Publikum mit einem „Na, ist die Stimmung gut? Ich sehe nur junge Leute unter 70!“ der wirklich enthusiastischen Art. Die Masse lacht jetzt schon. Er findet ein paar lobende Worte über die Stadt, und begrüßt einen Teil seiner Gäste per Handschlag. Danach folgen 45 Minuten Politiker-Witze. Dabei geht es hauptsächlich um Kommentare über körperliche Abweichungen vom von der Gesellschaft anerkannten Standard. Er hebt sich da nicht sonderlich von den Ergüssen seiner Kollegen ab. Ich als eher unlustiger Mensch kann gelegentlich auch mal schmunzeln.
Der Rest des Publikums feiert einige Dinger wie Tore der Nationalmannschaft.
Ich muss auch gestehen, dass ich vorher schon recherchiert hatte, also zwei Stunden was von seinen Tonträgern lauschte. Mir waren dadurch schon ein paar seiner Witze bekannt. Er selbst meint, dass es keine alten oder neuen Witze gäbe. Manch einer kennt den einen, aber einen anderen wiederum noch nicht, den vielleicht ein anderer wieder kennt. Das kann man auch anders sehen. Angeblich würden auch viele seiner Kollegen die Witze „mopsen“. Ihm wird eine häufige Verwendung von plumpen Randgruppenwitzen nachgesagt, was sich an diesem Abend nicht bestätigt. Aber es ist doch egal, wen man sich heute dieser Comedians anschaut, es sind bei nahezu allen Randgruppen-Witze enthalten. Ich prüfte das einfach mal durch Stichproben bei den üblichen Verdächtigen, auf die man im abendlichen Programm schon gestoßen ist. Der Unterschied zwischen Fips Asmussen und diesen ist ein Weglassen bewusster Albernheit. Asmussen bleibt an diesem Abend so ziemlich die ganze Zeit ruhig, locker und im Bereich unterhalb der Gürtellinie, hat dabei aber einen ganz anderen Stil drauf. Er rutscht nicht ins Asoziale ab, sondern bleibt dezent. Das Publikum nimmt das erstaunlich gut auf. Das Programm kommt an. Asmussen gibt selbst zu, dass er sich bewusst auf diesen Bereich mit den dazu gehörenden Vorgängen konzentriert, da es sich in der heutigen Gesellschaft mittlerweile sehr gut verkaufen lässt. Dieses Selbstkritische ist nicht alltäglich bei Comedians. Er deutet noch eine weitere Gesellschaftskritik an, indem er nebenbei den Rinderwahn in Verbindung mit dem TV-Konsum setzt. Man soll wieder raus, weg vom TV. Er berichtet viel über Erlebtes. Ob das immer der Wahrheit entspricht, steht auf einem anderen Papier. Ich habe da so meine Zweifel, ob er wirklich Maurer bei Lego war, wie er meint. Abschließend rezitiert er „Das Ideal“ von Kurt Tucholsky vom Anfang bis zum Ende, was da lautet: „Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Daß einer alles hat: das ist selten.“